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STOPPOK – Die Demokratie wird abgeschafft

Drei Tage vor Weihnachten, ganz Deutschland ist im Stress, um die finalen Geschenke zu besorgen, einen letzten Vollrausch auf der Betriebsfeier mitzunehmen, und den Baum zu schmücken. Ganz Deutschland? Nein, in der ausverkauften Lindenbrauerei in Unna finden sich heute Abend 500 Menschen zusammen, um sich weit entfernt von „Last Christmas“-Klängen von Singer/Songwriter Stefan Stoppok und seinen Liedern unterhalten, und vom Feiertags-Trubel entführen zu lassen.

Genau, Stoppok, der ewige Geheimtipp, der nie im Radio läuft, und trotzdem alle Clubs im Lande füllt. Mit den akademischen 15 Minuten Verspätung betritt er die Bühne, und eröffnet mit dem ruhigen „Eine Annahme“, in dem er sich vorstellt, wie das Leben auf der Welt aussehen könnte, wenn die Menschheit endlich Vernunft annimmt. Klingt total pathetisch, aber Stoppok gelingt es in seinen Texten immer, genau das nicht zu sein, und trotzdem klare Aussagen zu machen oder Hoffnungen zu verbreiten.

Danach gibt es eine kurze Ansage zum Gesundheitszustand (vor einem Jahr musste die Tournee aufgrund eines Herzinfarktes verschoben werden), aber nur, um das folgende „Alles klar“ anzukündigen, und das Publikum das erste (aber nicht zum letzten) Mal in dieser Dezembernacht zum Mitsingen zu bewegen. Zwischen den Songs streut Stefan immer wieder amüsante Quatsch-Erzählungen ein. So geht angeblich das Coronavirus auf seine Kappe, da er „als Künstler einfach immer schon möglichst viele Menschen erreichen wollte“, oder dass er seinen Titel „Der Kühlschrank“ mit zwölf Jahren geschrieben habe, als das Bier (von der Mutter erlaubt!), das er aus dem selbigen holen wollte, wegen eines Defektes zu warm war.

Trotz des zwischenzeitlichen Klamauks liegt der Schwerpunkt natürlich auf der Musik, und Stefan zeigt immer wieder seine Fähigkeiten an der Gitarre, wenn er zum Beispiel in dem fast zehnminütigen „In 25 Jahren“ ein episches Solo einbaut, einzig noch unterstützt von der selbst gespielten Bassdrum, auf der er sitzt. Mehr als erstaunlich, welch dichter Sound mit so minimalistischer Ausstattung möglich ist. Auch wenn seine rockigen und bluesigen Einlagen beeindruckend sind, am stärksten ist er doch mit seinen Balladen, wie den stillen Nummern „Wie tief kann man sehen“ oder „Aus dem Beton“. Hier fällt besonders auf, wie bemerkenswert ruhig die Zuschauer*innen im Saal sind, und aufmerksam zuhören, obschon es kein Sitz-Konzert ist, und auch das ein oder andere Bier fließt, und nicht -wie leider immer häufiger üblich- durch Gequatsche den Vortrag und die Stimmung stören.

Ein wenig überraschend ist, dass etwa ein Drittel des Programms aus seinem sehr starken, aber mittlerweile fast vier Jahre alten Album „Jubel“ besteht, aus dem für Februar 2024 angekündigten neuen Werk „Teufelsküche“ -trotz Werbehinweis zur Vorbestellmöglichkeit am Merchandise- kein einziger Titel gespielt wird. Mit „Mal Dein Herz an“ aus eben diesem immer noch aktuellen Longplayer endet dann der offizielle Teil.

Natürlich wird Stoppok zurückbeordert. Aus der ersten Reihe erreicht ihn bei seiner Rückkehr ein Publikumswunsch zu seinem einzigen echten Hit „Dumpfbacke“. Der Musiker hat aber keine Lust darauf, Bitten zu erfüllen und erklärt lakonisch, dass „die Demokratie ohnehin bald abgeschafft wird“, und man mit seiner Auswahl bisher ganz gut gefahren sei. Allerdings weist er im Anschluss noch darauf hin, dass bei den Shows zur neuen Platte im Frühjahr mit dem Track zu rechnen sei. Nach „Cool durch Zufall“ gibt es noch das abschließende wunderbar leise „Wetterprohet“, dessen Zeilen  „Ich schwör Dir ich wär nicht der Einzige hier, der bereit wär zu kämpfen, wenn er wüsste wofür“ Wort für Wort aus 500 Kehlen mitgesungen werden, und die die Kollegen von Fury In The Slaughterhouse zu ihrem sommerlichen Spendeneinsatz auf ihrer Hope-Tour veranlasst hatten, wie deren Gitarrist Christoph (und Stoppok-Freund) uns im Interview erzählt hat. Unter großem Applaus wird der Sänger in den Feierabend entlassen. Auch wenn ab morgen wieder die Hektik der Festtage wartet, diese fast zweieinhalb Stunden lassen alle Gäste deutlich entspannter nach Hause fahren, und den Endspurt des Jahres leichter ertragen.

 

PS: Wir durften übrigens schon in die neue Platte reinhören und können spoilern, dass die ganz schön gut geworden ist. Mehr dazu in unserer Besprechung im Februar!

 

SETLIST

Eine Annahme

Alles klar

Schieber Blues

Verjubeln

Sei nicht sauer

Pack mit an

Geld oder Leben

Wie schnell ist nix passiert

La Compostela

Tanz

Auf festem Grund

Scheiße am Schuh

Der Kühlschrank

Wie tief kann man sehen

In 25 Jahren

Mal dein Herz an

 

Aus dem Beton

Cool durch Zufall

Wetterprophet

 

 

Künstlerhomepage

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Fotocredit: Wollo@Whiskey-Soda

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