SaschaG

Verteidiger der uncoolen Musik: AOR, Symphonic Prog, Hardrock, Thrash- und Achtziger-Metal, Stax/Atlantic und Mainstream-Rock. Süchtig nach BBC-Serien und schrägem Humor. Findet, dass "Never Let Me Down" nur das viertschlechteste Bowie-Album ist und "Virtual XI" besser als alles, was Iron Maiden danach gemacht haben.

United Alive

Na, endlich! Das Livezeugnis von Helloweens großer Familienzusammenführung hat die Fans nun lange genug warten lassen. Erfreulicherweise kann man an dieser Stelle aber vermelden, dass die Herrschaften mit „Untited Alive“ so ziemlich alles richtig gemacht haben und die hohen Erwartungen exakt erfüllen können.

Die Idee, die Ex-Mitglieder Michael Kiske und Kai Hansen „einfach“ ins seit zwölf Jahren stabile aktuelle Band-Line-Up zu integrieren, funktionierte bekanntlich ganz wunderbar. Wenn Andi Deris und die erwähnten Herren Kiske und Hansen sich die Vocals aufteilen, Harmonien singen und ganz generell jede Menge Spaß miteinander zu haben scheinen, überträgt sich das ganz direkt auf den Zuschauer respektive Zuhörer. Gleiches gilt für die Gitarrenfraktion: Weikath, Hansen und Sascha Gerstner harmonieren so unangestrengt, als hätte das alles „schon immer so gehört“. Drumtier Dani Löble und Markus Grosskopf geben dem Ganzen den notwendigen Drive, und speziell „der Mackel“ erweist sich einmal mehr als heimlicher Star der Band: seine Basslinien sind nämlich mit Sicherheit genauso prägnant wie die Gitarrenarbeit.

Und – was für eine Setlist. Zielsicher hat die Band ein echtes Hitfeuerwerk ausgewählt. Es spricht für den Backkatalog der Gruppe, dass jedem Fan mit Sicherheit trotzdem noch zwei Dutzend Songs einfallen werden, die trotz der über zweieinhalbstündigen Laufzeit auch irgendwo noch ins Konzept gepasst hätten. So gibt’s eben die pausenlose Vollbedienung, von der thrashigen Hansen-Ära über die reichlich vertretenen Keeper-Jahre bis zu Stücken aus der Neuzeit ist alles da. Am beeindruckendsten klingen natürlich die Songs, bei denen sich Deris und Kiske die Bälle zuspielen. Kiskes Stimme passt ganz großartig zu Deris-Songs wie ‚Why?‘ oder ‚Forever And One‘, auch der gerne gescholtene Andi Deris zeigt sich durchweg in bestechender Form und singt beispielsweise ‚A Tale That Wasn’t Right‘ so gut wie nie zuvor. Wenn in ‚Pumpkins United‘ und dem Klassiker ‚How Many Tears‘ dann alle drei Leadsänger interagieren, ist das schlicht großes Kino.

Helloween haben mit „United Alive“ also ein ziemlich geiles Livepaket geschnürt, das nicht nur als Andenken an die Tour, sondern auch als Album für sich alleine stehen kann. Die Audio- und Video-Formate sind dabei etwas unterschiedlich ausgefallen, sodass es sich durchaus lohnt, beide Versionen ins Regal zu stellen – oder gleich die schicke Alles-Drin-Earbook-Variante. Die CD enthält das komplette 2017er Konzert aus Madrid und eine Bonus-Disc mit vier weiteren Stücken, die visuelle Aufarbeitung springt zwischen der Hallenshow in Madrid, der Sportarena in Sao Paolo und der Open-Air-Kulisse von Wacken hin und her. So bekommt man trotzdem effektiv jeden Song, der während der Tour auf der Setlist stand, auch auf dem Mitschnitt geboten. Kurz: Helloween haben nicht nur der Tour, sondern auch sich selbst hiermit ein Denkmal gesetzt.

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If/When

Da haben es die New-Jersey-Progger (?) The Tea Club doch tatsächlich geschafft, bislang erfolgreich vor diesem Rezensenten zu verstecken, obwohl „If/When“ bereits das fünfte Studiowerk der Band darstellt. Wie dem auch sei, ab sofort stehen die Jungs definitiv auf der „Geilomat“-Liste.

„If/When“ ist, kurz gesagt, moderner Artrock mit Folk-, Alternative- und Prog-Einflüssen. Ein wenig Leprous hört man bisweilen heraus, aber auch Neunziger-Britpop, klassischen Prog, Smashing Pumpkins, Elbow, Jane’s Addiction, Porcupine Tree (prä-Metal), Queen, die Spätneunziger-Phase von Marillion und sogar den jungen Elton John, 10 CC und Supertramp. Was hingegen komplett fehlt, sind Metal-Elemente: und das ist auch gut so. Denn für sinnlose Kraftmeierei und Tausendmal-Gehört-Riffs sind The Tea Club einfach zu, nun ja, gut. Ob sie nun im Opener ‚The Way You Call‘ zerbrechlichen Singer-/Songwriter-Folk präsentieren oder im folgenden ‚Say Yes‘ mit Bombast und überschwänglicher Exzentrizität in den Fußstapfen von „Queen II“ wandeln, The Tea Club agieren mit einer Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, die wahrhaft erstaunlich ist. Speziell Sänger Dan McGowan muss hier erwähnt werden, der mit enormer stimmlicher Reichweite und trotz vieler Ausflügen ins Falsett jederzeit das Geschehen dominiert und im Gegensatz zu vielen Kollegen auch in jeder Lage kraft- und gefühlvoll klingt.

In der ersten Hälfte des Albums fasst sich die Band eher kurz und präsentiert Songs wie die eingängige Ballade ‚If I Mean When‘ oder das folkige ‚Came At A Loss‘, bei dem es fast unmöglich ist, nicht zumindest ein wenig an Roger Hodgson zu denken. Lediglich das düstere ‚Rivermen‘, das akustisch mit Radiohead-Flair beginnt und sich in ein lärmendes Smashing-Pumpkins-meets-Tool-Finale steigert, fällt ein wenig aus dem Rahmen. Dafür gibt’s in der zweiten Hälfte mit ‚Creature‘ einen 27minütigen Longtrack, der so ziemlich alle Prog-Klischees aus dem Fenster wirft. Da treffen Drone-Elemente auf Pop-Melodien, eine Oldfield-mäßige Lead-Gitarre auf noisig verzerrte Klangwände und Radiohead-Akkordwendungen auf eine Runrig-mäßige, hymnische E-Bow-Gitarrenlinie, und zum Ende wird die Melodie des Openers noch einmal aufgegriffen. Das Ganze klappt, ohne einmal den Faden zu verlieren oder gar die Essenz der Band zu verwässern. Ganz großes Kino und einer der schlüssigsten Longtracks der letzten Jahre.

Auch die Produktion ist frei von Prog-Manierismen und betont eher die Alternative-Seite der Band. Genau dieser „Schmutz“ steht dem Album aber nach einer Eingewöhnungsphase durchaus gut zu Gesicht und hilft, die Band weiter vom Genre-Standard abzuheben und trotz durchaus bekannter Zutaten komplett eigenständig und originell klingen zu lassen. Beeindruckend!

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The Greatest Hits

28 Songs aus der kompletten Karriere der Band enthält die aktuelle „The Greatest Hits“-Sammlung der britischen Rocker Thunder. Damit könnte die Rezension eigentlich schon enden, denn wer Thunder kennt, weiß natürlich, dass die Band bislang so gut wie keine Ausfälle produziert hat, dafür eine ganze Latte an zeitlosen Rocksongs mit Hitfaktor. Und so finden sich hier auch eine ganze Menge der Songs, für die wir Thunder lieben: ‚Dirty Love‘, ‚I Love You More Than Rock’n’Roll‘, ‚River Of Pain‘, ‚Wonder Days‘, ‚The Devil Made Me Do It‘, ‚Love Walked In‘ – vom 1989er Debüt „Backstreet Symphony“ bis zur 2019er Akustikscheibe „Please Remain Seated“ reicht der Hitreigen.

Natürlich kann man es mit einer Best-Of-Sammlung nie allen Fans recht machen. Und so fallen auch hier natürlich noch einige Klassiker auf, die vergessen wurden: ‚Everybody Wants Her‘, ‚Pilot Of My Dreams‘, ‚Robert Johnson’s Tombstone‘, ‚Don’t Wait Up‘, ‚Higher Ground‘ oder ‚Resurrection Day‘ sucht man hier leider vergeblich. Schade vor allem, weil die beiden Silberlinge mit jeweils rund 65 Minuten Spielzeit durchaus noch ein wenig Platz geboten hätten. Wenn man sich aber nicht darauf konzentriert, was man nicht bekommt, sondern auf das, was „The Greatest Hits“ tatsächlich bietet, kann man eigentlich kaum meckern. Okay, ‚Low Life In High Places‘ gleich zweimal zu verbraten – einmal in der Originalfassung, einmal als Akustikversion – ist wirklich ziemlich unnötig, aber ansonsten bekommt man hier einen guten Querschnitt durch das Wirken der Band. Das semirare ‚Gimme Shelter‘-Cover und eine bislang unveröffentlichte Version von Led Zeppelins ‚Your Time Is Gonna Come‘ bieten darüber hinaus auch eingefleischten Fans zumindest ein wenig Kaufanreiz – aber am Sinnigsten ist „The Greatest Hits“ natürlich für Neueinsteiger ins Thema. Somit sei endgültig allen Fans von Bands wie Bad Company, Led Zeppelin, Rolling Stones, Aersomith oder Slade hier das Zugreifen ausdrücklich empfohlen. Großartige Songs, Danny Bowes‘ Jahrhundertstimme, Riffs vom Fass, eine schweinetight groovende Rhythmusgruppe, das Ganze bisweilen abgeschmeckt mit Piano, Hammond-Orgel, Mundharmonika und Bläsern: Thunder sind nun einmal die wahren Erben der Siebziger-Größen.

Summa summarum also eine gut zusammengestellte Compilation, die sich perfekt zum Autofahren eignet und die Wartezeit auf das für 2020 angekündigte nächste Thunder-Album verkürzt. Die reguläre 2-CD-Fassung gibt’s noch dazu zum fanfreundlichen Preis von rund 14€ beim Plattenhändler Eures Vertrauens.

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Debil (Vinyl-Re-Release)

So ist das doch mal fein!

Die Neuauflage des ersten Vollwert-Longplayers von Die Ärzte ist eine ganz und gar puristische Angelegenheit geworden: kein Remaster, kein überarbeitetes Artwork, kein Bonusmaterial – die 2019er Ausgabe von „Debil“ ist exakt das, was bereits 1984 in den Läden stand, nur eben in einer brandneuen Pressung ohne 35 Jahre Abnutzungsspuren. Kurz, genau das, was der Vinylsammler zumeist auch sucht.

Fans von Die Ärzte muss man zu dem Album wohl nichts mehr erzählen. Punkhistoriker werden sich beim Erstkontakt mit „Debil“ jedoch einigermaßen wundern: zum Beispiel über die saubere, poppige Produktion, die so gar nichts mit den Erstlingen der Hosen oder gar von Slime gemein hat. Oder über das vollkommene Fehlen von verzerrten Gitarrensounds. Oder über die reichlich wenig aggressiven Gesänge. So war das aber eben damals: Die Ärzte waren Punk eher in Attitude als in Musik. Stray Cats und The Smiths lagen ihnen vermutlich damals schon näher als Cock Sparrer und The Exploited. Dem Titel des Albums entsprechend präsentieren sich auch die Texte eher albern bis absurd als systemzerschmetternd. Allerdings war schon in der Frühphase die Wortkunst von Farin Urlaub und Bela B. ihrer Zeit weit voraus – „Debil“ hat all die „ironischen“ Indiebands der letzten zwanzig Jahre schon vorweg genommen und die Messlatte ziemlich hoch gelegt. Dabei klingt selbst ein Text wie ‚Claudia hat ’nen Schäferhund‘ heute recht harmlos – Die Ärzte brachte es damals direkt auf den Index. Umso schöner, dass „Debil“ mit komplettem Tracklisting und den Lyrics auf dem Innersleeve wiederveröffentlicht wurde. Doch nicht nur mit den wortspielreichen Phrasen, sondern auch mit der Hitdichte kann das Album punkten. Denn natürlich ist das Album vollgestopft mit Klassikermaterial. Das unkaputtbare ‚Zu spät‘ ist dabei nur die Spitze des Eisbergs, Songs wie ‚Frank’n’Stein‘, ‚Claudia hat ’nen Schäferhund‘, ‚El Cattivo‘, ‚Schlaflied‘ und ‚Roter Minirock‘ sind mindestens genauso gut. So richtig durchfallen tut eigentlich nur Bassist Sahnies ‚Kamelrallye‘, die zwar mit voller Absicht „langweilig und doof“ (Zitat aus dem Song) angelegt wurde, durch die Absicht aber nicht hörbarer wird – womit wir wieder bei den ironischen Indiepoppern wären.

Die Reissue-Kampagne der Klassikeralben von Die Ärzte nimmt jedenfalls einen vielversprechenden Anfang. Bleibt zu hoffen, dass das Projekt nicht am Ende des Sony-Vertrages stoppt, sondern auch die Alben der 1990er endlich eine vernünftig große Vinylauflage spendiert bekommen.

 

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Orchestral Favourites

Dass ausgerechnet das ungeliebte „Orchestral Favourites“ eine „40th Anniversary Deluxe Edition“ spendiert bekommt, ist schon einigermaßen überraschend. Aufgenommen 1975 mit einem Ensemble von Orchester-, Jazz- und Rockmusikern (das „Abnuceals Emuukha Electric Symphony Orchestra“), war „Orchestral Favourites“ fraglos wegweisend für FZs zukünftiges Werk. Der Maestro selbst bastelte aus den Aufnahmen aber nur eine 35minütige LP mit den seiner Meinung nach einzig verwertbaren Momenten der aufgenommenen drei Abende zusammen. Die drei CDs umfassende Neuauflage enthält neben dem remasterten und restaurierten Originalalbum nun auch zwei weitere CDs, die eine ungekürzte Show des A.E.E.S.O. enthalten.

Über das Originalalbum muss man wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Die orchestrierten Fassungen von ‚Duke Of Prunes‘, ‚Strictly Genteel‘ und ‚Bogus Pomp‘ (einem Medley aus „200 Motels“-Themen) kann man gerne als die definitiven Fassungen der Stücke bezeichnen. Das kurze ‚Naval Aviation In Art?‘ und ‚Pedro’s Dowry‘ passen mit ihren hochkomplexen Arrangements, atonalen Einschüben sowie den üblichen wilden dynamischen und harmonischen Sprüngen ebenfalls gut ins Konzept.

Hauptsächlich werden Fans aber wegen der kompletten Show aus der Royce Hall in Los Angeles zugreifen. Die enthält noch weiteres feines Material für Zappatisten, darunter das Epos ‚The Adventures Of Greggery Peccary‘, ‚Black Napkins‘, das ‚Dog Meat‘-Medley und das immer noch nicht als Studiofassung erschienene ‚Rollo‘.

Joe Travers, der Mann hinter Zappas riesigem Archiv, gibt selbst zu, dass diese Version zu Lebzeiten Franks wohl nie erschienen wäre. Der Perfektionist Zappa hatte sich nach den Shows mehrfach über die fehlerbehafteten Performances und die seiner Meinung nach mangelnde Disziplin der Orchestermusiker beschwert. Und ja, natürlich hört man hier so einige Momente, in denen die Sache fast ins Chaos zu kippen droht. Aber seien wir ehrlich: die glaubt man in Zappas Gesamtwerk mehr als einmal zu hören, auch bei perfekt durchkomponierten Stücken. Dafür entschädigen Momente wie das schlicht atemberaubende Finale von ‚Greggery Peccary‘, bei dem Wunderdrummer Terry Bozzio einmal mehr beweist, warum er schon mit 17 von Zappa protegiert wurde. Oder Zappas Gitarrensolo beim immer wieder großen ‚Black Napkins‘. Und natürlich darf man sich über die ungekürzten Ansagen des Gurus freuen, die neben ein paar typischen Zappaismen tatsächlich einige ungewohnte Blicke auf das Material offenlegen.

So könnte es also gerade diese Ausgabe schaffen, die eher rock-affinen Zappa-Fans mit dessen Neuklassik-Ambitionen zu versöhnen. Im Vergleich zu späteren Orchesterarbeiten ist „Orchestral Favourites“ nämlich noch recht melodisch und weitgehend zugänglich ausgefallen. Abgesehen davon kann man eigentlich eh‘ nicht genug Zappa-Livematerial haben, oder?

 

https://www.zappa.com/

https://www.universal-music.de/

 

FREDDIE MERCURY – Solo und gesammelt

Das am 11. Oktober 2019 bei Mercury Records erscheinende Boxset „Never Boring“ vereint auf drei CDs das Solo-Werk von Freddie Mercury: eine neue 12-Track-Compilation, die viele seiner größten Einzel-Performances beinhaltet, eine neu abgemischte Edition von „Mr. Bad Guy“ sowie der 2012 veröffentlichten Special-Edition von „Barcelona“ mit echter Orchesterverstärkung. Dazu gibt’s eine Blu-ray/DVD mit aufwändig restauriertem…

Lost In The View

UMÆ haben eine durchaus interessante Hintergrundgeschichte: die Bandmitglieder lernten sich auf der „Cruise To The Edge“-Kreuzfahrt von Yes kennen, und obwohl sie buchstäblich über den ganzen Erdball verteilt beheimatet sind, beschlossen sie, gemeinsam Musik zu schreiben und aufzunehmen. Ihr erstes Album „Lost In The View“ ist ein Konzeptalbum geworden, zu dem sich Anthony Clipief (gtr/voc, USA), Guծjon Sveinsson (gtr, voc, Island) und Samy-George Salib (dr, Kanada) jede Menge Unterstützung geholt haben. So spielt Hakens Conner Green den Großteil der Bassspuren, und auch Adam Holzman (Steven Wilson), Eric Gilette (Neal Morse Band) und John Wesley haben das Trio kräftig unterstützt – dazu kommt ein isländisches Streichquartett, ein Saxophonist, eine Harfenspielerin und und und…

Dass „Lost In The View“ dem Titel entgegen nicht die Songs aus dem Auge verliert, ist wohl der Verdienst der „Hauptamtlichen“ bei UMÆ. Und „Songs“ ist dabei auch das Wort, das zählt, denn alle Gastbeiträge und Instrumentalparts ordnen sich jederzeit der Atmosphäre und der Komposition unter. Dabei gibt es nur wenige Stücke, die für sich alleine stehen, wie das bei einem Konzeptalbum nun einmal so ist. Das bedeutet aber eben nicht, dass es nichts Eingängiges geben würde: der Poprocker ‚Echo‘, das mit einer Portion Funk versehene ‚Running Away‘ oder das dramatische Alternative-Stück ‚Hold On‘ sorgen für die Farbtupfer und erleichtern den Einstieg – ‚Hold On‘ kommt sogar in knapp zwei Minuten auf den Punkt und nutzt den zweiten Part des Songs für ein akustisches Instrumental-Intermezzo. Die 65 Minuten Spielzeit nutzt die Band auf jeden Fall exzellent aus.

So trostlos wie das Cover und Songtitel wie ‚By Myself‘, ‚Shame‘ oder ‚Joyless‘ anmuten, geht es musikalisch übrigens auch nicht zu. Ja, „Lost In The View“ behandelt vornehmlich eher trübsinnige Themen wie Nostalgie, die Verklärung der Vergangenheit und Ähnliches, aber die abwechslungsreichen Arrangements und die pure Spielfreude der Beteiligten halten das Album doch vom Suizid-Soundtrack fern. Eine ganz spezielle Erwähnung muss noch dazu Hulda Kristín Kolbrúnardóttir finden, die mit ihrem wunderbaren Gesang auf allen von ihr veredelten Songs deutlich heraussticht – wie eine Mischung aus Lorde, Grace Potter und ein wenig Björk-Exzentrik. Eine höchst faszinierende Stimme, die hoffentlich noch öfter zu hören sein wird.

Klar, den Prog erfinden UMÆ nicht neu, man hört durchaus ein wenig neuere IQ, etwas Porcupine Tree, ein büssken Neal Morse, eine Portion Beardfish, ein paar Anleihen an Anubis – und überraschend wenig Yes. Das Album ist dazu auch noch ziemlich professionell produziert, weshalb man alle Vorbehalte über „niemals-zusammen-im-Proberaum“-Projekte für UMÆ einfach mal über den Haufen werfen kann. Ein feines Album, das im Webshop von Just For Kicks auf Euch wartet.

https://www.umaeband.com/

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ISGAARD goes Prog

Lange Jahre wurde das Projekt Isgaard von „seriösen Musikfans“ (pfff….) ein wenig belächelt und als Enya-Verschnitt zweiter Reihe abgetan. Die Kunst verkomme zur Künstlichkeit, so urteilten die Kollegen von laut.de gewohnt markig. Nachdem die Macher des Projektes, Komponist Jens Lueck und Sängerin Isgaard, vor Kurzem auch mit der Progressive-Rock-Band Syrinx Call aktiv waren, wird sich…

Live At Woodstock

Als Creedence Clearwater Revival kurz nach Mitternacht die Bühne des Woodstock-Festivals betraten, waren nicht nur die Musiker ein wenig müde, sondern auch das Publikum. Speziell, weil laut CCR-Boss John Fogerty zuvor Grateful Dead einen ihrer wenigen richtig miesen Gigs gegeben und die Zuhörerschaft fast in den Schlaf gespielt hatten. Die Konsequenz? Fogerty erlaubt nicht, dass CCRs Auftritt für das Livealbum oder den Konzertfilm über Woodstock verwendet wird, da er sowohl die Performance der Band als auch die Rezeption des Publikums als nicht gut genug erachtete. Jetzt, 50 Jahre nach dem Gig, ändert John seine Meinung plötzlich, und „Live At Woodstock“ erscheint als CD. Die Frage ist nun also, war das alles wirklich so schlimm?

Natürlich nicht. CCR waren eine durch Dauertourneen bestens eingespielte Einheit. Auch wenn „Live At Woodstock“ zunächst kein Feuerwerk wie auf den anderen beiden offiziellen Livealben „The Concert“ und „Live In Germany“ abbrennt, zeigt es trotzdem eine der feinsten Rock’n’Roll-Kapellen aller Zeiten in gewohnt routinierter Form. Der Sound im Opener ‚Born On The Bayou‘ ist noch ein wenig rumpelig, das gibt sich aber schon zum nächsten Song ‚Green River‘.

Lediglich ein paar Übersteuerungen bei den Vocals fallen auf, aber vermutlich war der Soundmann nach Jerry Garcias entspanntem Genuschel mit der Hoodoo-Kreische von Fogerty einfach etwas überfordert. Spätestens ab den Singlehits ‚Bad Moon Rising‘ und ‚Proud Mary‘ ist auch die Müdigkeit überwunden, und der Abschlussrun ‚I Put A Spell On You‘, ‚Night Time‘, ‚Keep On Chooglin‘ und ‚Suzie Q‘ – letztere beide wie gewohnt über zehn Minuten lang – lässt ganz schön die Sau raus.

Bisweilen klingt es fast, als hätte es sich die Band zur Aufgabe gemacht, den schläfrig-friedlichen Stonern im Publikum so richtig schön lärmig die Nachtruhe zu versauen. Das Album bestätigt einmal mehr, wie sehr sich CCR mit ihrem rustikalen No-Frills-Rock von den anderen Woodstock-Acts wie eben den Dead, Jefferson Airplane, CSNY oder Santana unterschieden: CCR funktionieren aufgrund ihrer Zeitlosigkeit einfach heute genauso gut wie damals, nichts hat hier Staub angesetzt.

Auch wenn die anderen beiden Livescheiben der Band noch essenzieller ausgefallen sind, kann man bei „Live At Woodstock“ eigentlich nichts falsch machen. Eine schöne Ergänzung der Sammlung, speziell angesichts der Tatsache, dass von CCR bislang ja nur sehr wenig Archivmaterial der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Vielleicht ist ja „Live At Woodstock“ ein erstes Signal, dass Fogerty auch diesbezüglich seine Meinung ändern könnte?

A Tower Of Clocks

Das Debüt von This Winter Machine war vor zwei Jahren ein echt schickes Neoprog-Album, das der Band jede Menge Lob von den einschlägigen Fanportalen einbrachte. Das aktuelle Zweitwerk der Formation aus West Yorkshire, „A Tower Of Clocks“, wird diesmal beim eigentlich qualitätsbewussten klein-aber-fein-Label Festival Music veröffentlicht. Nur will – soviel vorweg – die Begeisterung sich diesmal nicht so richtig einstellen.

Ein wenig rockiger als auf dem Vorgänger geht’s diesmal zur Sache, aber grundsätzlich schwimmen This Winter Machine immer noch ganz klar im Fahrwasser von Pallas, IQ und Pendragon in deren Achtziger-Phasen. Herausragend ist immer noch die Stimme von Al Winter, der meist eher an einen klassischen AOR- oder Hardrock-Sänger wie z.B. Michael Voss erinnert als an Peter Nicholls oder Alan Reed. Die Songs auf „A Tower Of Clocks“ sind nicht übermäßig komplex, dafür schön melodisch, eingängig und meist hauptsächlich auf Winters Stimme zugeschnitten. Soviel zum Positiven.

Leider gibt’s aber ein paar Änderungen zu vermelden, die nicht unbedingt für Freude sorgen. Der auf dem Debüt agierende Gitarrist Gary Jevon hat die Band leider verlassen und wurde durch gleich zwei Gitarristen ersetzt, Scott Owens und Gary Garbett. Deren rockigerer Ansatz steht der Gruppe aber nicht sonderlich gut zu Gesicht: die Riffs sind leider allesamt nur wenig originell und ziemlich altbacken ausgefallen. Noch dazu bedienen sie so ziemlich alle vorstellbaren Dad-Rock-Klischees – im Neoprog-Kontext umso auffälliger. Zu oft scheinen die Gitarren auch einfach schlampig eingespielt, was uns zum wahren Knackpunkt des Albums bringt: die Produktion ist selbst für eine Eigenproduktion wirklich ein gutes Stück zu fahrig und undurchsichtig ausgefallen.

Gerade wenn man sieht, was die Konkurrenz im Prog-Underground zu leisten in der Lage ist, muss man This Winter Machine den Proberaum-Sound und die teils ziemlich holprigen Arrangements gerade bei eigentlich recht brauchbaren Songs wie ‚The Hunt‘ einfach ein wenig krummnehmen. Es hat also im Vergleich zum Vorgänger keine Steigerung stattgefunden, sondern eher eine ganz deutliche Verschlechterung. Die guten Ideen sind nach wie vor da, ganz besonders die einfallsreichen Keyboards sollten diesbezüglich erwähnt werden, aber das Endprodukt klingt eher wie ein unfertiges Demotape aus den späten Achtzigern, nicht wie ein zum vollen Preis angebotenes Album. Auch die Spielzeit von über einer Stunde ist ein wenig überdimensioniert, da wäre schon in den Stücken selbst Einiges an Straffung möglich und nötig gewesen.

Das Zweitwerk von This Winter Machine ist also leider eine ziemliche Enttäuschung geworden, sowohl in Sachen Produktion als auch in Sachen Songs. Da hilft auch das schöne Fantasy-Artwork nichts. Trotz der herausragenden Stimme kann das Album also nur Allessammlern wirklich ans Herz gelegt werden, die sich am Rumpelsound und der wenig begeisternden Gitarrenarbeit nicht stören. Die finden die Scheibe im Webshop von Just For Kicks.

https://thiswintermachine.com/

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