OLLI SCHULZ – Vom Rand der Zeit
Olli Schulz ist ein Tausendsassa: Podcaster (mit Jan Böhmermann), Pöbel-Sidekick (bei Joko und Klaas, aber schon lange her) aber auch empathischer Talker (verschiedene Dokumentationen im TV). Sein künstlerischer Schwerpunkt liegt aber auf seinem Dasein als Liedermacher. Hier versucht er auch immer, klare Grenzen zu ziehen, und wer dort den Pipi-Kacka-Randale-Humor erwartet, wird schnell eingenordet, wie beim Konzert in Münster vor ein paar Monaten, auch wenn es einige (sehr wenige) humorige Songs gibt. Nun legt er nach sechs Jahren mit „Vom Rand der Zeit“ endlich eine neue Scheibe vor.
„Einfach so“ schleicht sich zunächst ganz langsam rein, nur von Schulz´ Akustikgitarre getragen, bevor dann sacht seine Band einsteigt, um nach mehr als eineinhalb Minuten Fahrt aufzunehmen. Dabei spielen sie aber nicht wild und rockig, sondern sehr reduziert und fein pointiert, und Kollege Stoppok revanchiert mit einem Solo für Ollis Gesang auf seinem am gleichen Tag veröffentlichten Werk „Teufelsküche“ (hier findet Ihr die Besprechung). Diese Nummer steht fast stellvertretend für den Rest der CD. Fein gesponnene Melodien mit durchgehend nachdenklichen Texten, die selten zum Mitsingen einladen, sondern zum guten Zuhören.
Ob die Story eines Menschen „Falsch erzählt“ wird, die tragische Erzählung von Jenny, die eigentlich eine Hundefarm aufmachen will, oder die traurige Ballade vom abgehalfterten Schlager-Duo, das sich nicht mehr liebt, und vor nicht mal 200 Leuten beim „Stadtfest in Bonn“ (feat. Ina Müller) auftreten, und auf der Bühne immer noch das Traumpaar geben muss, denn „The Show Must Go On“. Das Highlight auf dieser Platte ist die intensive Geschichte zur Geburt seines Sohnes, der an „Silvester“ zur Welt kam. Eine wundersam poetische Mischung aus Selbstreflexion, Liebeserklärung an die Mutter des Kindes und das Wunder des Lebens im Allgemeinen. Väter werden Olli verstehen. Auch wenn der Musiker sich zum Abschied wünscht, von sich und der Welt eine „Bessere Version“ zu finden, braucht es diesen Wunsch nach knapp 40 Minuten zumindest musikalisch nicht.
Nach dem – vorsichtig formuliert – durchwachsenen „Scheiß Leben, gut erzählt“ von 2018 legt Schulz mit „Vom Rand der Zeit“ sein persönlichstes und gleichzeitig bestes Album in mehr als 20 Jahren Karriere vor. Wäre er nicht gerade erst einmal 50 geworden, wäre gelungenes Alterswerk die passendste Bezeichnung, in jedem Fall ist es sein Masterpiece.
Note: 1+