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ALBERT HAMMOND – „Wir sprechen als Kollegen auf Augenhöhe!“

Das Wort Legende wird in der heutige Zeit viel zu oft und damit inflationär benutzt. Bei unserem Gesprächspartner Albert Hammond gibt es dagegen kaum einen passenderen Begriff, um den Mann und seine Karriere zu beschreiben. An seinen Hits ist in den letzten mehr als 50 Jahren wohl niemand vorbeigekommen: Ob es die eigenen Lieder wie „It Never Rains In Southern California“, „Down By The River“, „Free Electric Band“ und „I´m A Train“ sind, oder Kompositionen für andere Kolleg*innen wie Whitney Houston („One Moment In Time“), Tina Turner („I Don´t Wanna Lose You“) oder The Hollies („The Air That It Breathe“). Darüber hinaus hat er mit seinem Sohn Albert Jr. und dessen Band The Strokes seine musikalischen Gene auch in die nächste Generation weitergetragen. Nun legt der mittlerweile fast 80jährige Musiker mit „Body Of Work“ eine neue Platte vor, die -entgegen zum übersetzten Titel- eben keine Werkschau ist, sondern 17 brandneue Songs beinhält. Wir hatten kurz nach dem Jahreswechsel die Gelegenheit, Mr. Hammond im Video-Call zu seiner langen Geschichte und der neuen Platte zu befragen, und haben einen tiefenentspannten und sehr auskunftsfreudigen Musiker getroffen.

 

Hallo Mr. Hammond! Es freut mich, mit Ihnen sprechen zu können!

Vielen Dank und ein frohes neues Jahr!

Sie haben etwas mit den Stones gemeinsam: Fast 20 Jahre kein neues Album, nun, kurz vorm 80. Geburtstag, legen Sie doch noch ein neues, sehr gelungenes Werk vor. Warum die lange Pause, und warum nun doch noch einmal eine Platte, anstatt den Ruhestand zu genießen?

Nun, ich bin der Grund für die neue Platte! Es ist zwar die erste Platte mit neuen Songs, ich habe aber die „Legend“-Alben gemacht, auf denen ich meine alten Songs neu aufgenommen habe, dann noch die „Symphony“-Platte, und ich war viel auf Tournee. Dann verließ 2016 mich meine Frau, es kam Corona, dann bekam ich eine Autoimmun-Krankheit, aufgrund derer ich meine Stimme verlor und noch viele andere Dinge passierten. Diese ganzen Umstände waren zu viel für mich und ich zog mich zurück. Ich sag immer: „Mönche gehen in die Berge, ich gehe ins Studio!“

Das ist der Grund für die Scheibe: Ich hatte einfach eine Menge zu sagen! Und das wollte ich nicht beim Essen erzählen, sondern mit Musik, einfach dem, was ich am Besten kann!

Dann rief ich meinen alten Freund John Bettis an (Anmerkung der Redaktion: Gemeinsam haben die beiden u.a. den Welthit „One Moment In Time“ für Whitney Houston geschrieben), der während der Scheidung an meiner Seite war. Wir entschieden, Songs zu schreiben. Gar nicht mit dem Ziel, ein Album zu machen, sondern einfach Songs zu schreiben. So entstanden 35 Lieder, von denen wählte ich 17 aus. Sie handeln von mir und dem Leben. Ich glaube, die Hörer verstehen die Songs, denn wenn es mir passieren kann, kann es jedem passieren!

Dann entschied ich, mit Mathias Roska zu arbeiten, der sein Mitte-Studio in Berlin in den alten, legendären Hansa-Studios hat. Wir sind schon seit mehr als 25 Jahren befreundet, haben aber noch nie zusammen gearbeitet. Ich hielt ihn für den richtigen, meine Ideen zu verstehen, was hervorragend funktionierte.

Wie kam es, dass Sie, obwohl Sie nicht in Deutschland leben, weite Teile in Berlin aufgenommen haben?

Nun, das ist ein legendäres Studio, David Bowie und U2 haben hier aufgenommen! Es ist ja nicht so, dass ich in einer Garage aufgenommen hätte! Nichts gegen Garagen, das erste Strokes-Album wurde in einer aufgenommen, und es ist das größte, dass sie bisher hatten.

Die Band-Aufnahmen haben wir dann in Nashville gemacht, denn ich wollte verschiedene Musiker, die mir einen einzigartigen psychedelischen Sound geben konnten.

„Body Of Work“ bedeutet eigentlich Werkschau, entsprechend hätte man bei diesem Titel ein „Best-Of“ erwarten können. Welche Bedeutung hat der Titel mit Blick auf stattdessen 17 (!) neue Songs?

Nun, die 35 Songs, die wir geschrieben haben, sind ein gute Werkschau! Außerdem hatte ich beim Cover eine Verbindung zu einem alten Foto aus den 70ern, das der berühmte Fotograf Henry Diltz geschossen hat, auf dem ich nur eine Jacke und sonst nichts drunter anhatte, und ich dachte: „Body Of Work“ – das passt! Ich bin zwar älterer Mann, aber der Bauchnabel ist immer noch da, wo er sein sollte!

Können Sie uns den Entstehungsprozess des Albums beschreiben, von der Idee „Jetzt gibt es eine neue Platte“ bis zur finalen End-Abnahme?

Die ersten Songs, die wir geschrieben haben, die haben es letztlich gar nicht auf das Album geschafft. Die entstanden so, dass John Bettis in Nashville war und ich Gibraltar oder Berlin. Dann haben wir so gearbeitet, wie wir beide es jetzt gerade machen: Einmal die Woche haben wir uns über Zoom getroffen und einen Song geschrieben. Unter der Woche habe ich meine Gedanken gesammelt, und alles aufgeschrieben, was in mir war, und wenn wir uns getroffen haben, haben wir sie fertiggestellt und letztlich daraus 35 Songs geschaffen.

Haben Sie alle 35 auch aufgenommen?

Nein, nur die 17 und einen weiteren, den ich dann aber nicht verwendet habe. Ein paar Sachen habe ich dann aber noch in Los Angeles aufgenommen, als ich meine Kinder besucht habe. Ein Song ist im Wohnzimmer meines Sohnes (Anmerkung: Albert Jr. von den Strokes) entstanden. Ich rief meinen alten Freunde Laurence Juber, den ehemaligen Gitarristen der Wings (Anmerkung: Paul McCartneys Band nach seiner Beatles-Karriere), und fragte, ober mir helfen könne. Er kam, und ich sagte nur: „Be Bluesy!“

Dann saßen wir im Wohnzimmer meines Sohnes, sein (Strokes-) Techniker hat uns aufgenommen, und meine zweieinhalbjährige Enkelin flitze zwischen unseren Beinen herum. Einen Song aus diesen Sessions habe ich ans Ende der Scheibe gepackt, und das ist „Goodbye L.A.“!

Sie haben gerade Ihren Sohn Albert Hammond Jr. angesprochen, der sehr erfolgreich mit den Strokes ist. Wenn Sie sich über Musik unterhalten,  sprechen Sie dann als Vater  und Sohn, oder als Kollegen auf Augenhöhe?

Nein, wir sprechen als Kollegen auf Augenhöhe! Ich respektiere seine Arbeit, das was er macht und seine Ansichten – und umgekehrt respektiert er meine Arbeit genauso. Was ich gerne noch einmal machen würde, wäre eine gemeinsame Platte mit uns beiden…bevor ich nicht mehr da bin!

Dazu gibt es aber aktuell keine Pläne?

Nein, solche Sachen kann man nicht planen. Das hängt von so vielen Dingen ab, das muss einfach passieren!

Dass wir bei ihm im Wohnzimmer aufgenommen haben, war seine Idee! Ich habe ihm erzählt, dass ich ein paar akustische Sachen aufnehmen will, denn wenn ich auf Tour gehe -noch gibt es keine Pläne- will 15-20 Minuten alleine mit meiner Gitarre auf der Bühne stehen.

Er meinte dann: „Ich ruf Gus (Anmerkung: Olberg), unseren Strokes-Techniker an, du besorgst einen Gitarristen, und wir nehmen hier ein paar Sachen für Dich auf!“ Und das war eine großartige Idee!

 

Sie stehen als Autor und teils Sänger großer Hits in den Credits. Welcher Song/welche Songs ist/sind Ihnen persönlich der wichtigste oder die wichtigsten und warum?

Alle (lacht)!

Weißt Du, die Leute kennen die Hits, es gibt aber [unbekannte] Songs auf Alben, die könnten Hits sein, die vielleicht irgendwann noch einmal ein Hit werden, wenn jemand Jüngeres sie für sich entdeckt, und es zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle macht. So entstehen Hits.

Tatsächlich kennen ich nur einen Menschen, der einen Hit erkennt:  Clive Davies. Ich hatte „It Never Rains Southern Califormia“ 1969 in England geschrieben, und ihn den Seekers und Glan Campbell vorgestellt, und alle sagten: „Das ist ein furchtbarer Song!“

Dann habe ich ihn bis Ende 1971 niemandem mehr gezeigt, bis ich für Clive Davies vorgesungen habe. Ich spielte ihm all die Songs vor „Free Electric Band“, „Down By The River“ und so weiter. Er mochte sie alle und sagte: „Ab ins Studio und mach´ eine Platte!“ Dann meinte er: „Hast Du sonst noch was?“ Ich meinte, ich hätte noch diesen einen Song, über den all die großen Künstler meinten, der wäre furchtbar. Er meinte: „Spiel ihn für mich!“ Also spielte ich ihn, und er meinte nur:“ Das wird der Titel Deiner Platte!“

Damit lag er dann wohl richtig!

Er lag ganz schön oft richtig!

Ist es beim Schreibprozess ein Unterschied, ob Sie für sich selbst oder jemand Anderen schreiben, und woran merken Sie beim Schreiben, ob das ein Song für Sie selbst oder nicht?

Es macht überhaupt keinen Unterschied! Du wirst beim Schreiben zu der anderen Person, wie ein Schauspieler. Als ich „One Moment In Time“ schrieb, wusste ich von Beginn, dass nicht ich ihn singen würde. Ich dachte beim Schreiben vielmehr an Elvis Presley (singt den Song im Stil von Presley). Dann bekam ich den fertigen Song von Clive Davies mit der Stimme von Whitney Houston zurück, und fing an zu heulen, so unglaublich war die Aufnahme! Aber ernsthaft: Du schreibst einfach einen Song, du schreibst einfach den besten Song, den du in diesem Moment schreiben kannst, auch in dem Bewusstsein, du schreibt ihn für Tina Turner, Rod Stewart, Diana Ross oder eben für dich selbst. Es ist nur wichtig, dass es keine Kopie von etwas wird, was du schon einmal vorher geschrieben hast. Einer meiner Lieblingssongs -„Be Tender With Me Baby“ für Tina Turner- war dann zwar nicht einer ihrer größten Hits, es war ein Hit, aber eben kein großer. Als ich ihr den das erste Mal vorspielte, war sie sofort verliebt in die Nummer, denn sie ist in ihrem Leben durch harte Zeiten gegangen.

Dieser Song wurde übrigens in Moskau geschrieben, unglaublich, oder? 25 amerikanische Songwriter haben sich mit 25 russischen getroffen, um der Welt zu zeigen, dass es Liebe zwischen den Ländern gibt!

Wie muss man sich Ihren Schreibprozess vorstellen, als jemand, der einer der erfolgreichsten Songwriter der Musikgeschichte ist, und gleichzeitig offen zugibt, keine Noten lesen zu können?

Noten können von jedem geschrieben werden, oder man geht in die Schule, um das zu lernen! Es gibt auch Bücher, die dir erklären, wie man Songs schreibt. Meine Methode ist…keine Ahnung…ich schreibe Songs, seitdem ich 13 bin. Mein erster Song hieß „Blue Boy“. Ich habe keine Methode. Ich werde von Energie erfüllt, also dem, was das Leben ausmacht: Energie – und davon habe ich eine Menge! Dann bin ich sehr interessiert, dankbar und enthusiastisch… Weißt Du, es wird eine Zeit geben, in der es keine Menschen mehr gibt. Es ist diese kurze Zeit, und diese paar Milliarden Menschen, und ich bin einfach dankbar, dass ich hunderte und tausende Menschen glücklich machen kann. Ich kann traurige und lustige Lieder schreiben, oder lustige mit einem traurigen Text, wie „Down By The River“…das kann man nicht lernen, es kommt einfach!

Sie haben gesagt, Sie wollen mit der Platte auf Tour gehen. Wie viele Titel von „Body Of Work“ können Sie bei Ihrem beachtlichen Back-Katalog eigentlich spielen, bzw. wie viele Ihrer Hits müssen Sie live spielen?

Das ist ein Problem, oder (lacht)? Ich werde schon irgendwie einen Weg finden, genug von „Body Of Work“ zu spielen, mindestens die Hälfte, vielleicht auch mehr! Aber natürlich muss ich auch die alten Sachen spielen. Es ist immer schwierig für ältere Musiker, neue Platten zu machen, weil im Radio spielen sie immer nur die alten Hits. Ein deutscher Fan schrieb mir einmal, dass der Sender NDR jeden Song spielen würde, in dem das Wort „Babe“ vorkommt. Also hat er dem Sender geschrieben, dass meine neue Single „Don´t Bother Me, BABE“ heißt, und: Sie haben ihn gespielt!

Mr. Hammond, kommen wir zur letzten Frage: Haben Sie einen Lieblingssong auf dem Album?

Ja, den habe ich! Es ist „Both Ways“! Welche Songs magst Du?

Mein Favorit ist „Somebodys Child”, „Both Ways” wäre meine Nummer 2!

Dann sind wir ja einer Meinung (lacht)!

Das sind wir! Mr. Hammond, ich danke für das Gespräch, wünsche viel Erfolg mit der neuen Platte – vielleicht sehen wir uns ja auf einem Konzert!

Ich danke, es war mir eine Freude, und ich versuche, in Deine Nähe zu kommen!

 

„Body Of Work” erscheint am 01.03.2024 und kann hier vorbestellt werden, in wenigen Tagen könnt Ihr unsere Besprechung lesen, und ohne zu viel vorab zu verraten: Wie man am Interview unschwer erkennen kann, hat uns die Scheibe gefallen!

 

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Fotocredit: Rita Carmo

 

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