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BROTHER GRIMM – Das Ende der The End Tour

Brother Grimm – das war bisher der Berliner Singer/Songwriter und Musiktüftler Dennis Grimm. Jetzt ist daraus die Band „Brother Grimm“ geworden mit den beiden festen weiteren Mitgliedern Charlie Paschen (Schlagzeug bei Coogans Bluff) und Enrico Semler (Leadgesang und Gitarre bei Kaskadeur). Außergewöhnliche Musik für außergewöhnliche Locations – so geht es heute also mal wieder auf die MS Loretta in Bremen, ein altes Frachtschiff, umgebaut zu einer coolen Eventlocation direkt in der Innenstadt an bzw. auf der Weser. Ein privater Kulturverein bietet hier Musik, Literatur, Theater und Kunst eine kleine, schnuckelige Partylocation unter dem Motto „Gegen den Strom und jenseits des Mainstreams“.

Und jenseits des Mainstreams ist der heutige Abend ganz sicher, spätestens beim Konzertbeginn – eine gute halbe Stunde später als angegeben. Das gemütliche, kleine Unterdeck der Loretta ist sehr gut gefüllt, und zunächst gibt es die Potdamer Combo „Jolle“ zu sehen und zu hören. Am Schlagzeug: Enrico Semler, der später mit Brother Grimm dann einen zweiten Einsatz an diesem Abend zu verzeichnen hat. Jolle schaffen es in kürzester Zeit, das Publikum für sich zu gewinnen. Musikalisch irgendwo zwischen Post Punk, Pop und Garage Rock, liefern Jolle amtlich ab, zunächst als Duo, später mit der auf die Bühne kommenden Keyboarderin als Trio. Gitarre, Gesang, ein vorpreschendes, unglaublich dynamisches Schlagzeug, Synthbass vom Mellotron. Das aktuelle Album „Wirtschaft, Arbeit, Technik“ steht dabei im Mittelpunkt, Highlight sicher der Song „Wirtschaft, Arbeit, Tod“, bei dem das Publikum lautstark mitsingen darf. Überhaupt entsteht eine tolle Verbindung zwischen Band und Publikum mit immer wieder aufkommenden Running Gags und lautstark geforderter Zugabe. Vorband? Nein, eher Co-Headliner. So darf der Abend gerne weitergehen.

Nach rund 50 Minuten Musik und kurzer Umbaupause tut er das dann auch mit dem nächsten Trio. Brother Grimm steht auch nach offizieller „Bandwerdung“ immer noch für teils atonale Musik, für dunkle, melancholische Klänge, Desert-Blues, Stoner-Psych, wie auch immer die Bezeichnung dafür sein mag, auch wenn die frühen stylischen Loops, Drones und Feedbacks heute ein wenig fehlen. Heute steht kein Solokünstler mit seinen Experimenten auf der Bühne, sondern eben eine richtige Band. Zwei Gitarren, Schlagzeug (Charlie Paschen in seinem Element), Enrico Semler jetzt nicht mehr hinter der Schießbude, sondern am Sechssaiter und parallel am Mellotron, oft mit dem Fuß gespielt und für die tiefen Töne zuständig. Der Konzertbeginn ist merkwürdig unspektakulär. Kein Intro, kein großer Auftritt. Die Musiker kommen einfach auf die Bühne, schrauben noch etwas am Setup, stimmen sie sich noch ein? Nein, plötzlich sind sie mitten im ersten Song. Ein ungewöhnliches „Soft Opening“ zu einem durch und durch ungewöhnlichen Abend.

Mehr 90er Indierock als früher, mehr Gitarrenwände, mehr Grip und Aggression, die da von der kleinen Bühne auf der MS Loretta ins Publikum schwappen. Dafür weniger Brother Grimm, zumindest was Bart und Haare angehen. Kurzgeschoren und ohne Vollbart wirkt Herr Grimm fast wie ein Sportlehrer und hat ein wenig von seiner Kauzigkeit eingebüßt, zumindest optisch. Aber alles ist nun einmal im Fluss, ein steter Wandel. Die musikalischen Wurzeln im experimentellen Noise und im düsteren Blues sind genauso geblieben wie Dennis Grimms markante Stimme und sein Gespür für dunkle, leicht melancholische Stimmungen. Gemeinsam mit seinen beiden Musikerkollegen beginnt der Grimmige mit „Green“ und „Q-Tip“ vom aktuellen Album „The End“. Weitere neue Songs wie „New Order“ oder der Titeltrack passend zum Ende werden noch folgen. Dabei liefern Brother Grimm eine tighte, packende Show ab, welche die kleine Bühne und den ganzen alten Frachter zum Erzittern bringt und die Partywütigen in Wallungen versetzt. So muss das sein. Es darf trotz des eher beengten Auditoriums getanzt werden, oder eben in Stonermanier einfach nur dagestanden werden, während man(n) die Musik innerlich genießt und in sich aufsaugt.

Eine gute Stunde Musik und ein ausgedehter Zugabenteil, bei dem auch das aus früheren Shows altbekannte Megaphon als Stimmenverzerrer endlich wieder zum Einsatz kommt, sorgen für glückliche Gesichter an Bord. Am Schluss geht’s kollektiv mit Publikum weg von der Bühne nach drüben zur Bar, wo noch eine wunderbare Klaviereinlage folgt. Das Album heißt „The End“, und dieser Abend beschließt die aktuelle Tour, aber natürlich haben wir damit nicht das letzte von Brother Grimm gehört.

„The End“ – ein gelungener Abend in ungewöhnlicher Umgebung, fernab vom Mainstream und doch sehr unterhaltsam und gemütlich. Dieser Grimm’sche Märchenonkel darf gerne wiederkommen – und bitte wieder zusammen mit Jolle!

Fotos: Michael Buch für Whiskey Soda

Mehr Fotos beider Bands findet Ihr auch auf unserer Facebookseite.

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