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Euroblast 2015 – Tag 1 mit BTBAM, Haken und Soen

Heights-4.jpg „Bereits am frühen Donnerstagnachmittag beginnt die Prog-Sause in der Essigfabrik, und so ist es kein Wunder, daß erst im Laufe des Nachmittags nach und nach die Besucher eintrudeln, die bevorzugt vollen Bart und kurze Haare tragen. Nach einem Rundgang über den überschaubaren Hinterhof der ehemaligen Essigfabrik mit einigen Ständen von Gitarrentechnikfirmen und Anbietern von Snacks sowie einem Abstecher in den Keller zur Nebenbühne hat man auch schon alles gesehen. Aber natürlich noch keine Bands, und wegen denen hat man sich ja schließlich hier versammelt. Für das Whiskey-Soda-Team stellen die nur als Trio angereisten Heights den Festivalauftakt. Der Dreizack aus England spielt instrumentalen, modernen Prog-Rock mit deutlichen Jazz-Anleihen. In Abwesenheit eines Sängers und einer zweiten Gitarre, vielleicht auch einfach nur weil der Mensch am Mischpult das so will, hat das Instrument von Bass-Mann John Hopkin starkes Gewicht beim eigenständigen Sound der Band. Der groovige Instrumental-Rock gefällt.

Direkt anschließend nach einem ersten kühlen Kölsch steht schon die nächste Gruppe auf der Bühne. Hypno5e sind vier Musiker aus Montpellier in Frankreich und sind ein für das Euroblast recht typischer Vertreter der Modern-Prog-Bewegung mit experimentellem Touch. Mal geht’s mit fetten Screams und schick groovenden Riffs zur Sache, dann wieder mit ruhigem Gesang und viel Gefühl. Beyond the Dust kommen ebenfalls aus Frankreich und sind eindeutig Progressive-Metal der neuen, extremen Sorte. Auf der Nebenbühne im Keller der Essigfabrik haben sich zwar nur um die 50 überwiegend männliche Fans eingefunden, die sich dicht drängen. Schweiß, Bewegung und ein Dezibel-Sturm sind garantiert. Leider ist die Bühne vom Eingang her nicht direkt einsehbar, so daß Interessierte einen weiten Bogen gehen müssen, um zumindest einen flüchtigen Eindruck zu bekommen.

Soen-7.jpg „Die knackigen Gitarrenriffs und Screams machen Laune – doch auf der Hauptbühne steht Soen aus Schweden in den Startlöchern. Die Band um den ehemaligen Opeth- und Amon Amarth Drummer Martin Lopez und Sänger Joel Ekelöf haben vor einem knappen Jahr ihr zweites Album „Tellurian“ veröffentlicht, Nummer drei ist in Arbeit. Von vielen wird der Band eine gewisse Ähnlichkeit mit Tool nachgesagt, was den klanglichen Kreationen der Musiker aber nicht ganz gerecht wird. Bedauerlicherweise hat man am Mischpult für fast die Hälfte des Auftritts Mühe damit, die verschiedenen Kanäle ordentlich auszusteuern. Das Schlagzeug ist viel zu laut und der Gesang hat zu viel Hall, während man die Gitarren zu Beginn viel zu wenig hört. So kommt die Klasse des emotionsgeladen-theatralischen Auftritts beim ersten Konzert der Europa-Tour der Skandinavier (noch) nicht so richtig zum Tragen. Denn der nicht selten mehrstimmige Gesang, das auf Mellotron gestimmte, psychedelisch anmutende Keyboard und natürlich die ausdrucksstarken Drums zeigen viel Eigenständigkeit und Klasse. Gegen Ende nimmt mit besserem Sound auch der Applaus zu und gibt der Band recht.

Haken.jpg „Danach steht mit den aufstrebenden Haken aus London bereits der Co-Headliner des ersten Tages auf der gut ausgeleuchteten Bühne der Essigfabrik. Leider mit einem kurzen Set von nur rund 45 Minuten mussten die sechs hervorragenden Musiker eine kurze Setliste auf die Beine stellen. Mit den drei Songs ‚In Memoriam‘, ‚Pareidolia‘, und ‚Cockroach King‘ sind drei der fünf Songs vom aktuellen Album „The Mountain“. Also wenige, aber dafür lange Songs. Wie meist sind die Briten hervorragend gelaunt und mit ihrer ansteckenden Spielfreude deutlich die bisherigen Publikumslieblinge. Sänger Ross Jennings wirbelt mit Lockenkopf, Mikrofonständer und einer unbändigen Energie zwischen den beiden Gitarristen Richard Henshall und Charlie Griffith hin und her. Beinahe beiläufig gibt er während dem kurzen Auftritt einen kompletten Überblick über seine variationsreiche Gesangskunst ab. Egal ob bei ‚Cockroach King‘ mit seinen offensichtlichen Reminiszenzen an Queen und Gentle Giant oder beim wunderbaren, knapp 20-minütigen ‚Cryistallized‘ von der 2014er EP „Restoration“ – der Mann kann nicht nur turnen, sondern auch singen. Die Songs zeigen allesamt auf sympathische Weise die musikalische Klasse und tiefe Verehrung der Band für Klassiker des Genres, der Sound ist erstklassig. Keyboarder Diego Tejeida schnappt sich zwei Mal seine tragbare „Keytar“ und gibt den Fans am Bühnenrand ebenfalls eine launige Kostprobe seiner Fingerfertigkeit. Der Applaus brandet zwar auch zwischen den Songs immer wieder auf, als sich das Sextett dann nach dem Auftritt ganz englische Gentlemen in der Reihe vor seinem Publikum verbeugt, ist der Jubel besonders groß. Haken sind ein Leckerbissen für den Freund anspruchsvoller Rockmusik mit Sympathie für melodischen und eingängigen Metal.

Vor dem Headliner Between the Buried and Me zieht es einige Dutzend Festivalbesucher nochmals in den Keller, denn dort sorgen die Franzosen Trepalium für eine Mischung aus ungläubigem Staunen, Begeisterung und sich heftig auf und ab bewegende Nackenmuskeln. Die Monsieurs um den exzentrischen Sänger Kéké mit Dreadlocks und Danzig-Gedächtnis-Bemalung mischen ihren progressiven Death-Metal unter anderem mit Swing. Leider haben es die Blechbläser von der zuletzt veröffentlichten EP „Voodoo Moonshine“ nicht mit auf Tour geschafft. Wobei auf der engen Bühne im engen Keller der Essigfabrik ohnehin nicht für mehr als vier Mann Platz ist. Dort geben die Jungs allerdings in ihren 30er-Jahren-Klamotten Vollgas. Der stilistische Mix ist wirklich sehr spannend und sorgt für jede Menge Action im Keller, bevor es schließlich zum Headliner des ersten Tages zurück ans Tageslicht geht.

BTBAM-23.jpg „Between the Buried and Me touren gemeinsam mit Haken und ihrem im Sommer erschienenen, neuen Album „Coma Ecliptic“ durch Europa und bringen ihren innovativen und technisch versierten Progressive Metal mit zum Euroblast. Lead-Gitarrist Paul Waggoner, der am Festival auch einen Gitarren-Workshop gab, wirkt mit seinem „klassischen“ Metal-Outfit unter seinen bärtigen, kurzhaarigen Kollegen mit Tattoos, Fleshtunnels und Flanellhemden optisch fast etwas deplatziert. Zum Glück sind seine flinken Finger über jeden Zweifel erhaben, daß der Mann hier richtig ist. Und seine Kollegen an Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug stehen ihm in Nichts nach. Sänger Tommy Rogers beeindruckt ebenfalls mit seinem Power-Organ, das mal schreit und mal säuselt, aber immer den richtige Aspekt der Musik unterstreicht oder passende Gegenakzente setzt. Die emporgestreckte Hand bzw. deren Gesten werden vom Publikum begeistert nachgeahmt, um die Verbundenheit mit der Musik auszudrücken. Das Hervorstechendste Merkmal der Klasse-Musiker ist dann auch Dynamik und die große stilistische Bandbreite. Mal kommen die Songs vom neuen Album proggig daher, mal extrem hart und vertrackt. Trotzdem schafft es das Quintett, das alles nicht nur stimmig, sondern absolut überzeugend, professionell und mit Schmackes unter einen Hut zu bringen. Songs vom neuen Album wie ‚Famine Wolf‘, ‚Memory Palace‘ und ‚The Coma Machine‘ sind auf der rund 70-minütigen, ausgewogenen Setliste genauso vertreten wie ältere Songs. Doch als Zugabe haben die fünf Jungs aus North Carolina eine besondere Überraschung mitgebracht. Verdutzt schaut der eine oder andere Festivalgast aus der Wäsche, als am späten Abend die berühmten ersten Takte von Queens ‚Bohemian Rhapsody‘ erklingen. Mit dem hervorragend und nahe am Original interpretierten Klassiker der Rockgeschichte endet der erste Tag mit einem echten Höhepunkt und hinterlässt die Besucher mit großer Vorfreude auf den Freitag und sehr zufrieden in die kühle Herbstnacht, um sich für den kommenden Tag auszuschlafen.

Hier geht’s zum Bericht vom zweiten Tag.

Fotos: Michael Buch
Text: Daniel Frick

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