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STOPPOK – „Warum soll man das den Leuten zumuten?“

Stefan Stoppok ist seit mehr als 40 Jahren aus der deutschen Musik-Szene nicht wegzudenken. Immer, zumindest medial, ein wenig unter dem Radar, aber mit einer stabilen Fanbasis, die ihm stets volle Clubs beschert, sei es solo, mit seiner Stammband oder zahlreichen Gästen bei seinen „Artgenossen“-Konzerten. Nach ziemlich genau vier Jahren Wartezeit liegt nun mit „Teufelsküche“ das mittlerweile 20. Studio-Album vor (hier findet Ihr die Besprechung). Wir hatten die Gelegenheit, mit Stoppok eine Woche vorm Release über die Entstehung der neuen Lieder und viele andere Dinge zu sprechen.

Hallo Stoppok, schöne Grüße nach Hamburg! Viel passiert in den letzten vier Jahren. Das vielleicht Wichtigste zuerst: Was macht die Gesundheit?

Alles wunderbar! Es war jetzt nicht so heftig…Herzinfarkt klingt immer ganz groß, aber ich bin  in keinem Moment ohnmächtig geworden und umgekippt, oder habe den Tod und das Licht gesehen. Nichts davon! Ich war im richtigen Moment beim Arzt, der hat mich sofort eingeliefert, und dann hat man mir Stents gesetzt. Ich muss jetzt natürlich ein bisschen auf mich achten. Nach der letzten Solo-Tour mit 35 Konzerten, wo die Viren nur so rumschwirrten, bin ich wunderbar durchgekommen – also alles fein!

Das klingt beruhigend! Viren sind das passende Thema zur nächsten Frage: Quasi mit Pandemiebeginn hast Du Deine letzte Platte „Jubel“ rausgebracht, und bist mitten in der dazugehörigen Tour nach wenigen Shows ausgebremst worden. Ihr wart bis zum sprichwörtlich letzten Atemzug „in Freiheit“ vorm Lockdown auf Tournee. Kannst Du einmal beschreiben, wie sich das damals angefühlt hat, sowohl das Touren mit dem schwebenden Damokles-Schwert über dem Kopf, als auch dann die Vollbremsung durch den Lockdown?

Völlig surreal! Auch jetzt im Nachhinein, wenn man drüber nachdenkt, oder wenn ich mit meiner Band drüber rede…als ob das gar nicht passiert wäre. Es war irgendwie strange, ich habe es wirklich bis zum letzten Moment nicht geglaubt, dass es so heftig wird, und dass wir abbrechen müssen – ganz komisch.

Knapp 1,5 Jahre später konnten dann einige Konzerte unter freiem Himmel nachgeholt werden, teilweise hast Du dann zwei Shows bei jeweils halbem Publikum direkt nacheinander gespielt. Wie sehr war da wirtschaftlicher Druck ausschlaggebend für das stressige Programm, oder wie sehr die Freude, die Platte endlich auf die Bühne zu bringen?

Das Zweite natürlich, und die Leute zu bedienen! Wir waren froh, dass wir überhaupt spielen konnten, die Karten waren verkauft, und dann hat man eben zweimal gespielt, um die Leute unterzubringen. Das war der Hauptgrund. Wir wollten einfach spielen! Ich war gestern bei Pippo Polina (Anmerkung der Redaktion: Giuseppe „Pippo“ Pollina, italienischer Musiker), der auch ganz viel spielt, und wir haben beide festgestellt,  dass es jetzt eigentlich besser läuft, als vor der Pandemie, und dass mehr Leute kommen. Das hätte noch vor einem Dreivierteljahr keiner gedacht!

Dann der 65. Geburtstag, gefeiert mit einer Online-Show und zahlreichen Gästen. Ich habe die Show, wie viele andere in der Zeit, am Fernsehen verfolgt, und konnte mich (eben wegen des Streamings) nur sehr begrenzt daran erfreuen. Wie habt Ihr im Studio die Aufnahme wahrgenommen?

Auf der einen Seite war es irgendwie dröge, auf der anderen Seite war es toll – ich hätte sowas sonst nie gemacht. Das war einfach eine Erfahrung, zu sehen, wie viele Leute dann eingeschaltet haben. Das waren wirklich extrem viele, und das hat natürlich aufgebaut. Das war eine Möglichkeit, in der Situation irgendwie mit den Leuten in Kontakt zu treten, auch wenn man das natürlich an dem Abend selber nicht so empfunden hat. Ich glaube, wir haben das an dem Abend ganz gut gemacht, durch die ganzen Einspielungen und auch durch diese Live-Schaltung zum [Hannes] Ringlstätter, oder diesen Gag mit [Wolfgang] Niedecken, das war sehr unterhaltsam, auch für uns, obwohl da kein Publikum dabei war. Ich glaube, das haben die Leute auch gemerkt. Ich hab mir das letztens noch einmal angehört: Wir haben klasse gespielt, das war ein gutes Konzert!

Musikalisch auf jeden Fall. Es war halt besser als nix in der Zeit!

Genau! Und so muss man das sehen, und für besser als nix, war es gut!

Kommen wir zur neuen Platte. Du hast auf dem aktuellen Werk Cäthe, Olli Schulz, Hannes Ringlstetter, Alin Coen und Martin Bechler (Fortuna Ehrenfeld) zu Gast. Insbesondere bei „Wer Du wirklich bist“ ist der Gesang (hier von Cäthe) in meinen Augen der entscheidende Dreh, der aus einem guten Song einen herausragenden macht. Wann und wie entscheidest Du, welche Kolleg*innen Du Dir einlädst und für welchen Song?

Da muss ich ein bisschen ausholen, wie das überhaupt dazu gekommen ist: Ich hatte eigentlich in der Coronazeit den Plan, eine reine Duett-Platte zu machen, und habe darauf hingearbeitet.  „Im Wartesaal zum großen Glück“, der Song, den ich jetzt auf dem Album mit Alin Coen gemacht habe, war die Basis dafür, dass ich gedacht habe, ich mache ein Duett-Album. Der [Song] ist so alt wie ich, und ich dachte, ich suche noch mehr Songs von früher raus, die ich dann duettmäßig neu interpretiere. Ich wollte eigentlich für diesen Song Erika Pluhar haben, die ich ganz toll finde. Eine über 80jährige Schauspielerin und Sängerin aus Österreich, die hat aber abgesagt, weil sie mit über 80 gesagt hat, sie wolle nichts Neues mehr machen. Dann habe ich diese Duett-Geschichte wieder gelassen. Das ist bei mir oft so. Ich habe immer sehr viele Ideen, und wenn die nicht sofort in einen Fluss kommen, dann lege ich die wieder weg und mach wieder was anderes. Ich brauch es immer so, dass die Lawine sofort ins Rollen kommt. Ich hatte dann schon viele Songs vorbereitet in Richtung Duett, bin aber vom Gesamtthema weg.

Aber trotzdem sind es dann fast die Hälfte der Songs, die Gäste haben.

Ich habe bei einigen Songs, die ich auf dem Tisch hatte, gemerkt, dass es gut wäre, wenn da jemand dabei wäre. Gerade bei „Im Wartesaal zum großen Glück“, hatte ich zum Glück Alin Coen gefunden, denn ohne sie wäre der Song nichts geworden, und auch der Song mit Cäthe. Ich entscheide immer für den Song, was braucht es noch? Reiche ich dafür aus? Über meine Artgenossen-Konzerte, bei denen ich sowieso immer Gäste einlade, habe ich es die letzten Jahre immer genossen, mit anderen Leuten meine oder deren Songs zu singen. Wie das dann jetzt für den einzelnen Song gekommen ist? Cäthe war gerade bei den Artgenossen, und das passte einfach total, Olli [Schulz] hatte mich auf seine Platte eingeladen, dass ich da ein Solo spiele…

…seine Platte kommt dann ja auch am gleichen Tag wie Deine!

Genau! Das das hat sich wirklich alles so auf dem letzten Meter zufällig ergeben, da war keine generalstabsmäßige Planung vorhanden. Dass ist der Vorteil, dass ich independent bin, und nicht bei einem großen Label. Da hätte ich wahrscheinlich besser planen müssen.

Beim Gitarrenriff zu „Wer Du wirklich bist“, aber insbesodere bei der Blasmusik von „Klugscheißeralarm“ musste ich an Deinen Hit „Dumpfbacke“ von vor 30 Jahren denken. Wie schwierig ist es, bei mittlerweile 20 Alben, sich nicht selber beim Schreiben zu wiederholen oder -falls geplant- wie sehr reizt es, sich selber (heimlich) zu zitieren?

Es ist so eindeutig bei „Klugscheißeralarm“, da mache ich auch gar keinen Hehl draus! Ich habe mir plötzlich gedacht, als ich das Riff hatte: „Das ist ja original „Dumpfbacke“. Dann dachte ich mir, nach 30 Jahren -ich hab so viele unterschiedliche Sachen gemacht- da kann ich mich auch mal selber zitieren. Das passt einfach, und ist ja auch eigentlich das gleiche Thema, ob „Dumpfbacke“ oder „Klugscheißer“.

Vor ein paar Jahren hast Du Dir Online-Schellen für „Lass sie rein“ abgeholt, mit „Wir pfeifen“, in dem es um die Ignoranz der drohendende Vernichtung der Menschheit geht, greifst Du erneut ein „heißes Eisen“ an. Keine Angst vor einem erneutem Shitstorm, oder provozierst Du das gerne heraus?

Ich glaube „Wir pfeifen“ kann man nicht vergleichen mit „Lass sie rein“. Die Gefahr besteht nicht. Die Dumpfbacken, die auf „Lass sie rein“ eingestiegen sind, wovon 99% Bots waren,  die kriegen das gar nicht zusammen. Das ist viel zu intelligent! Bei „Lass sie rein“, war die Aussage einfach. Das war ein tiefes Gefühl, was mich bewegt hat, den Song zu machen. Da war ganz klar, dass da irgendwie von rechts gegen geschossen werden musste. Aber bei „Wir pfeifen“ ist das viel zu sarkastisch und ironisch, das kriegen die sowieso nicht mit.

Du sagt, dass das alles Bots gewesen sind, die das auf Facebook -oder wo auch immer- kommentiert haben. Betreibst Du Deine Social-Media-Kanäle selber, und liest Du auch alles, was da passiert?

Nee, das [alles lesen] kann ich nicht! Das war in erster Linie auf YouTube dieser Shitstorm. Aber es ist nicht so, dass ich das alles machen lasse. Ich habe schon Leute, die das eben [machen], weil ich dazu keine Lust habe. Wenn du dich da reinhängst, dann bist du jeden Tag damit beschäftigt, und die Zeit habe ich einfach nicht. Aber ich bin schon interessiert daran. Das ist natürlich ein Tool für mich, meine Leute zu erreichen, wo die normalen Medien durch meinen Independent-Status eher ausfallen.  

Mit „Im Wartesaal zum großen Glück“ hast Du ein fast 70 Jahre altes Lied ausgegraben, das ausgerechnet auch noch Beitrag zum damaligen Grand Prix (heutigen Eurovision Song Contest) war. Wie bist Du auf diese Nummer gekommen, ich habe die noch nie vorher gehört?

Ich auch nicht, das ist irre! Ein Nachbar, ein Zugereister aus Duisburg, der eigentlich Jazz-Fan war, hat mir, als ich bei ihm war, Jazzplatten vorgespielt. Alles Mögliche, unter anderem diesen Song, den ich auch nicht kannte, wo ich völlig baff war. Der hat mich total umgehauen.

Viele Jahre hast du insbesondere mit Danny Dziuk weite Teile Deiner Lieder gemeinsam geschrieben, seit fast 20 Jahren dagegen schreibst Du größtenteils alleine. Kannst Du beschreiben, wie sich Dein Songwriting verändert hat?

Ich glaube nicht großartig…das kann ein Konsument eher sagen…hat sich das verändert? Fällt Dir das auf?

Bei den Songs nicht, aber am Output. Die Intervalle zwischen den Alben sind ja zumindest kontinuierlich länger geworden.

Das hat aber nichts damit zu tun! Ich hatte nach dem letzten Album „Jubel“ schon wieder Songs genug auf der Halde, ich hab jetzt schon wieder Songs für das nächste Album. Das hat eigentlich eher etwas mit eingebunden sein in andere Sachen zu tun. Wenn man älter wird, macht man einfach auch mehr. Es könnte der Eindruck entstehen, dass man schwerfälliger wird, aber es ist eigentlich das Gegenteil. Es ist so wie mit der Vergesslichkeit. Da sagt man ja, im Alter wird das schlimmer, aber man hat einfach auch viel mehr Sachen im Hirn. Mir ist dieses „Album raushauen“ nicht mehr so wichtig, wie es vielleicht früher war. Ich schreibe immer noch gerne. Ich hab mir auch vorgenommen, demnächst wieder mehr mit anderen Leuten zu schreiben. Mit Danny, das ist schon ein bisschen anders. Wir haben zwischendurch immer wieder Songs geschrieben, aber wir haben auch gemerkt, es war eine Zeit total gut, auf den Punkt, aber wir sind sehr unterschiedlich, und jeder entwickelt sich…vielleicht werden wir demnächst wieder zusammen schreiben, keine Ahnung. Du hörst gerade, eigentlich hab ich mich mit dem Thema nie wirklich beschäftigt!

Welches Mitspracherecht haben Deine beiden Stammbegleiter Reggie und Sebel bei den Songs bzw. wie beeinflussen sie die Arrangements in Proberaum oder Studio?

Ziemlich viel! Wir haben auch gerade bei dieser Platte wieder alles zusammen eingespielt, und dann spielt jeder das so, wie er das fühlt. Klar, habe ich dann irgendwelche Visionen, die ich dann sage, aber da hat jeder Mitsprachrecht. Gerade Sebel hat viel mit den Arrangements zu tun. Wir haben bei der Platte immer Schlagzeug, Bass und Gitarre zusammen eingespielt, und Sebel hat dann seine Hammondorgel und sein Zeugs draufgemacht, und da war er eigentlich ziemlich frei in seinem Tun.

Und gibt es ein grundsätzliches Vetorecht?

Wir haben schon ein paar Songs darüber hinaus aufgenommen, wo die Jungs dann gesagt haben: „So toll ist das nicht!“, aber das Hauptsächliche liegt schon an mir.

Im vergangenen Frühjahr hast Du Dein Erfolgs-Album „La-La-Land“ live aufgeführt, teilweise mit der alten Band-Besetzung. Wie war diese Reise in die Vergangenheit, und kannst Du Dir vorstellen, eine komplette Tour zu diesem Album spielen?

Das war eigentlich ein bisschen aus der Not geboren über die Coronazeit. Irgendwann mal hatten wir Anfang letzten Jahres diesen Termin in der Fabrik in Hamburg gebucht. Wir wussten noch nicht, was wir da überhaupt machen sollen. Die Band war quasi zerfleddert über Corona, weil unser Schlagzeuger Wally nach Los Angeles zurück musste, und es auch nicht absehbar war, wann wir jetzt wieder irgendwas zusammen machen können. Dann kam, ich weiß gar nicht von wem, die Idee: Lass uns doch ein Jubiläum machen, weil das sind 30 Jahre „Happy End im La-La-Land“. Dann haben wir das kurzfristig als Vinyl rausgebracht, was auch eher ein Zufall war, dass das alles so funktioniert hat, und dann habe ich auf einmal Spaß dran gekriegt, das zu machen. Aber um es kurz zu machen: Ich würde nicht damit auf die Tour gehen, weil ich bin heiß drauf, jetzt die neuen Sachen zu spielen. Eine ganze Tour nur mit den alten Sachen, das wäre wir zu langweilig.

 

Beim Konzert in Unna hast Du auf der Bühne versprochen, „Dumpfbacke“ für die Band-Tour auf jeden Fall in die Setlist zu packen. Wie schwierig ist es, bei 20 Alben ein Programm zu schreiben, und wie stark wird das neue Album eingebunden?

Es ist sehr schwierig! Ich ertappe mich manchmal wirklich dabei, dass ich, wenn ich einen neuen Song habe, denke: Warum soll ich noch neue Songs schreiben? Ich habe so viele, die ich live alle gar nicht spielen kann. Ich schlage mich auch jetzt noch damit rum, und es ist noch nicht ganz ausgegoren, obwohl wir übermorgen die erste Probe haben. Da habe ich so´n grobes Set zusammengestellt, aber das nervt mich wie Hulle! Du kannst eben nur 20 maximal 23,24 Songs spielen, sonst spielt du ja zehn Stunden am Abend, und ein paar Songs müssen einfach schon immer gespielt werden. Es ist echt eine harte Sache. So viel kann ich aber schon verraten: Wir werden fünf vom neuen Album spielen.

Das ist ja überschaubar.

Ich habe das früher schon immer als komisch empfunden, wenn Bands darauf bestanden haben, und dann ihr ganzes Album gespielt haben. Die Leute waren eher gelangweilt, weil sie noch nicht richtig in dem Material drin waren. Dann kamen am Ende die alten Sachen, und dann sind alle abgegangen. Ich meine: Warum soll man das den Leuten zumuten? Für mich ist es immer noch am spannendsten, ein Abendprogramm zu gestalten, wo die Leute von vorne bis hinten gut drauf sind. Wenn man fünf Stücke von dem neuen Album richtig einsetzt, im richtigen Moment, dann erreicht das auch die Leute.

Werden deine Album-Gäste geplant auf der Tour dabei sein?

Wenn, dann ist das spontan, das kann man nicht die ganze Zeit durchplanen. Aber ich denke, dass da der ein oder die andere auf die Bühne springt.

Lieber Stefan, ich bedanke mich fürs Gespräch, wünsche einen erfolgreichen Release und wir sehen uns bei der Tour!

Ich danke und schöne Grüße!

 

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Fotocredit: Jim Rakete, Wollo@Whiskey-Soda (live)

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