STOPPOK – Teufelsküche
„One Hit Wonder“ ist in den meisten Fällen ein eher abschätziger Begriff, der den Träger entweder zu Auftritten in Möbelhäusern oder Krokodilpenisse essen in den RTL-Dschungel zwingt. Aber es gibt auch positive Ausnahmen, die – nach durchgemachtem Charterfolg – auf Funk, Fernsehen und insbesondere Boulevard-Medien pfeifen, und sich voll und ganz auf die Musik konzentrieren. „Dumpfbacke“ war vor mehr als 30 Jahren für Stefan Stoppok die Eintrittskarte in die Charts, aus der er jedoch ganz bewusst kein Abo machte, und trotzdem bis heute bundesweit die Clubs vollmacht – egal, ob solo, oder mit Band. Alle paar Jahre dazwischen wirft er neue Songs ins Rennen, sowie jetzt mit seiner insgesamt 20. Scheibe „Teufelsküche“.
Der quasi Titeltrack ist als Opener ein typischer Stoppok mit rhythmischer Gitarre, leisen Tasten im Hintergrund und einer treibenden Rhythmusfraktion. Im Anschluss folgt das Highlight der Scheibe. Stoppok hat sich zahlreiche Gäste eingeladen, die seine Ideen veredeln, und auf „Wer Du wirklich bist“ trifft dieses Wort am deutlichsten zu. Cäthe macht mit ihrem Einsatz aus einem guten Track einen herausragenden. Ein eigentlicher schlichter Rocker, der durch den Groove und den Co-Gesang stetig das Tanzbein beim Hören mitzucken lässt.
In den kommenden Tagen erscheint übrigens die neue CD von Olli Schulz (die Besprechung findet Ihr hier). Warum wir das hier erwähnen? Beide Musiker besuchten sich gegenseitig im Studio, und Olli hat seinen Gesang auf „Hier gibt’s nix zu sehn“ hinterlassen, die beiden Kollegen ergänzen sich perfekt.
Wie und warum er die Entscheidung zu seinen Gästen getroffen hat (und natürlich noch viele weitere Dinge), hat Stoppok uns übrigens in einem ausführlichen Interview erklärt, das Ihr hier findet.
Neben der Musik sind es bei Stefan auch immer die Texte, auf die ein besonderes Ohrenmerk gelegt werden muss. Es sind feine, mal lyrische, mal ironische Lyrics, die oft ein zweiten Hinhören erfordern. Auf dieser Scheibe gelingt es wohl am deutlichsten bei „Wir pfeifen“, das sich mit der menschlichen Verdrängung durch die bevorstehende Umweltzerstörung auseinandersetzt (übrigens featering Hannes Ringlstetter und Fortuna Ehrenfeld).
Ganz grob eingeteilt gehört die erste Hälfte den eher rockigen Klängen, im zweiten Teil geht es dann weitestgehend ruhiger zu. Besonders hervorzuheben sind hier die beiden Schlussnummern. Auch wenn Stoppok ein hervorragender Komponist ist, gräbt er immer mal wieder Ideen von anderen aus. „Im Wartesaal zum großen Glück“ ist fast 70 Jahre alt, und war einst der deutsche Beitrag zum Eurovision Songcontest. Diese, nur auf Gitarrenbegleitung reduzierte Nummer (mit der Stimme von Alin Coen), bildet mit „Wo man hingehört“ den leisen Schlusspunkt. Insbesondere das letztgenannte wird sich vermutlich in Zukunft mit seinen Klassikern wie z.B. „Wetterprophet“ im Programm abwechseln.
Was bleibt nach 45 Minuten? „Teufelsküche“ „ist viel zu lang, das läuft auch nicht im Radio und hört sich keiner von vorne bis hinten an“. Das ist nicht unser Fazit, sondern die selbstironische Erkenntnis aus dem Lied „Klugscheißeralarm“, das es wohl auf den Punkt bringt. Auch mit Album Nummer 20 pfeift Stoppok wieder auf alle Trends und macht einfach sein Ding – mit seiner ganz typisch-eigenen Mischung aus Blues-, Rock- und Singer/Songwriter-Klängen. Neue Märkte, die Spitze der Hitparade und Fernsehauftritte bei irgendwelchen Zombi-Stadln wird er sich damit nicht erspielen (und auch gar nicht wollen), seiner breiten Fanbasis liefert er aber einen rundum gelungenen musikalischen Start in das noch junge neue Jahr.
Note: 2+
Fotocredit: Jim Rakete