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Nobody Wants To Be Here And Nobody Wants To Leave

Erstmal tief durchatmen: The Twilight Sad sind gerettet. Nach dem Ausrutscher ‚No One Can Ever Know‘ von vor zwei Jahren holen die Verneiner vom Dienst mit ‚Nobody Wants To Be Here And Nobody Wants To Leave‘ das Kind aus dem Brunnen. Wie durch ein Wunder ist es unversehrt geblieben – auch wenn Keyboarder Martin Doherty (jetzt bei Chvrches – möge er dort selig werden) im ungünstigsten Moment losgelassen hat: Die ehemaligen Weggefährten haben ohne sein Zutun die bislang reifste Leistung der Bandkarriere erbracht.

Selbstredend hegen The Twilight Sad ihre grambeschwerten Harmonien auch weiterhin im Kellergeschoss des Genres. Eine stilistische Kehrtwende hin zu ihren Anfängen haben die Schotten gleichwohl nicht hingelegt: Die ungezügelten Distortionschwärme, mit denen sich The Twilight Sad dereinst ihre Unverwechselbarkeit erspielten, sind Geschichte. An ihre Stelle tritt die wohlbedachte Verteilung von Synthie- und Leadgitarren-Akzenten. The Twilight Sad gehen sauberer, zielgerichteter zu Werke als bislang; unter neuer Dosierung alter Mittel wissen sie ihre eigentümliche harmonische Bitterkeit mehr als bloß gleichwertig aufzugreifen und entfachen einen betrüblichen Shoegaze-Schwelbrand.

Hier hat eine ohnehin schon charakterstarke Band zu sich selbst gefunden: Inspiriert von den Stärken seiner Vorläufer – ‚No One Can Ever Know‘ allen Ernstes inbegriffen – steigt das Album in Gestalt von ‚There’s A Girl In The Corner‘ direkt mit einem Stück ein, das im instrumentalen Traurigkeitstaumel die stichhaltigsten klanglichen Erscheinungsformen der bisherigen The Twilight Sad miteinander vermengt – und tastet sich fortan sicheren Trittes durch die selbsterzeugte Finsternis. Mit dick aufgetragenem Reverb, versteht sich.

Machen wir uns nichts vor: Dieses Album schien schon seinen Eckdaten nach zum Erfolg verdammt, ließen doch der mit Peter Katis edel besetzte Regiestuhl und Mogwais ehrwürdiges Castle Of Doom als Aufnahmeort schon von Beginn an wenige Wünsche offen und keinerlei Ausflüchte zu. Auf solche ist die Band nach tadelloser Leistung allerdings auch gar nicht angewiesen. Der nicht zuletzt aufgrund des eigentümlichen schottischen Dialektes unnahbare Gesang James Grahams ist immer noch eine Macht in Blechgrau, doch strahlen die Songtitel bereits Kälte, die altbackenen Cover-Cartoonfiguren bereits Beklommenheit aus, bevor überhaupt ein Wort gefallen ist.

Ähnlich verhält es sich auf instrumentaler Ebene: Schon für sich genommen erzählen ein unruhiges hintergründiges Pochen, irrlichternde Synthie-Motive, skelettierende Bassläufe und frostige Gitarrenschmirgeleien Geschichten schlafloser Nächte im ländlichen Spukhaus, die von Kapitel zu Kapitel tiefer in ihrem Hörer zu wühlen scheinen.

‚I see you at night and I stare at you / You don’t care for me / Move out of the light / Still glare at you / look away from me‘

, heißt es in ‚Last January‘. Hier bündelt sich sämtliches Unbehagen des Tonträgers auf engstem Raum. Dieses Album kennt dich nicht nur, es weiß auch, wo du wohnst.

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