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ITCHY – „Wir spielen lieber Konzerte, als zu proben!“

ITCHY mussten in der Pandemie-Zeit ihre geplante Tour zum letzten Album „Ja als ob“ mehrfach verschieben, wie so viele Kollegen. Trotz des Ärgers und Frustes hat das Trio die Zeit kreativ genutzt, und an neuen Stücken gearbeitet, die nun auf dem bockstarken Album „Dive“ das Licht der Welt der erblicken. Wir sprechen mit Bassist Panzer per Video-Call zum neuen Album.

Hallo Panzer! Wie froh bist du, dass Dein Kollege Sibbi doch nicht Bürgermeister von Wesel geworden ist, sondern eine neue Platte mit Euch aufgenommen hat?

Dass du das nicht vergessen hast, Wahnsinn! Sehr gute Einstiegsfrage! Ich glaube, das hat er tatsächlich auf der Bühne erzählt, beim EselRock Festival.

Genau!

Ich weiß nicht mehr genau, warum. Weißt Du das noch?

Ja, er sollte diesen sackdummen „Wie heißt der Bürgermeister von Wesel“- Witz erzählen und hat dann gesagt: „Da werde ich lieber direkt Bürgermeister!“

Ah, ok. Ich bin trotzdem ganz froh, dass er nicht Bürgermeister von Wesel geworden ist, sondern weiterhin mit uns rumfährt. Das ist besser für alle! (lacht)

Ganz bestimmt! Aber zum EselRock ist die eigentliche Einstiegsfrage: Es war das erste normale Konzert nach der langen Coronazeit. Wie hat sich das angefühlt, nach der langen Zwangspause?

Das war auf jeden Fall verrückt. Ich war so aufgeregt vor diesem Konzert, einfach aufgrund der Tatsache, dass wir das so ewig nicht mehr gemacht haben, weil es durch die Pandemie nicht möglich war. Als ich dann auf die Bühne gelaufen bin, und wir angefangen haben zu spielen, hatte ich ja auch ganz kurz das Gefühl: „Ah, ok…ich glaube, ich habe das noch nie vorher gemacht.“

So hat sich das auf jeden Fall angefühlt. Aber nach ein paar Songs waren wir dann drin, und eigentlich war es dann auch ganz schnell wieder wie davor, und einfach eine unglaubliche Erleichterung. Ab da war es dann auch wieder möglich, normale Shows zu spielen – sowohl Clubs als auch Festivals, und wir haben eigentlich erst beim Spielen wieder gemerkt, wie unfassbar sehr wir das vermisst hatten.

Habt Ihr viele von diesen Sitz-Shows gemacht in den Sommern davor?

Wir haben das ganz viel überlegt, ob wir sowas machen wollen, also Streaming- oder diese Picknick-Konzerte. Es gab ja auch diese ganz skurrilen Shows, wo das Publikum im Auto saß. Da haben wir alle gesagt: „Nee, bevor wir sowas machen, dann lassen wir es lieber ganz!“ Was wir gemacht haben: Wir haben zu unserem zwanzigjährigen Jubiläum, das mitten in die Pandemiezeit fiel, unsere Biografie rausgebracht, und mit der sind wir dann auf so eine Lese-Tour, gemischt mit Akustik-Songs. Das hat auch wirklich großen Spaß gemacht, aber im Endeffekt ist es natürlich nicht zu ersetzen, mit einer Punkrock-Show im verschwitzten Club oder einem Festival, wo alle durchdrehen. Das ist natürlich schon was anderes!

Bleiben wir direkt beim Buch: In „How To Survive As A Rockband II“ lasst Ihr in 20 Jahre Bandgeschichte blicken. Besonders positiv gefallen hat mir, dass Ihr nicht einfach chronologisch alles runterrattert, sondern Themencluster macht. Wie seid Ihr auf diese Art der „Berichterstattung“ gekommen?

Gute Frage…es ist ja schon unser zweites Buch, das wir geschrieben haben, was ja schon sehr außergewöhnlich für eine Punkrock-Band ist. Das erste Buch wir hatten als Ratgeber für junge Bands getarnt, die gerade anfangen, Musik zu machen. Das war auch schon in so verschiedene Themenbereiche gegliedert, und ich glaube, deswegen haben wir auch das zweite nicht so chronologisch durchgemacht. Es ist auch erst beim Schreiben entstanden. Das war total verrückt, sich da nochmal durch die ganzen verschiedenen Kapitel unserer Laufbahn, und die unterschiedlichen Bereiche so durchzuarbeiten. Ich habe auch ganz viel recherchiert, alte Konzertberichte gelesen. Wir schreiben ja Tour-Tagebuch, aber auch alte Reviews in Musikmagazinen, die über uns geschrieben wurden, wo Platten auseinandergenommen, auch verrissen wurden. Das war teilweise sehr schön, teilweise auch schmerzhaft, da wieder ein paar Erinnerungen hoch zu holen, aber das hat großen Spaß gemacht. In der Pandemie-Zeit, in der man eh wenig machen konnte, war es natürlich eine schöne Aufgabe, jeden Tag am Rechner zu sitzen, und an einem Buch zu schreiben.

Die letzte Platte „Ja als ob“ kam mehr oder weniger mit Pandemiebeginn auf den Markt, und konnte dann erst im letzten Herbst betourt werden. Wie war das für Euch, zumal erstmals auf Deutsch, so ein Produkt nicht spielen zu können? Das ist es doch eigentlich, wofür man eine Platte aufnimmt, oder?

Ja, total! Wir sind auf jeden Fall eine Band, die Platten aufnimmt, um dann die Berechtigung zu haben, wieder auf Tour zu gehen – und nicht andersrum. Deswegen war das Timing bei dieser Platte super beschissen. Die Platte kam raus, und eigentlich kurz danach hat man schon gemerkt: „Ok, hier ist irgendwas im Kommen, irgendwas stimmt gar nicht mehr.“ Dann, ich glaube fünf Tage vor Tourstart, alles war vorbereitet, Generalprobe durchgezockt und so weiter, war klar, das wird nicht passieren. Und dann war es natürlich erstmal ein Super-Downer! Man wird erst mal aus allem rausgerissen. Dabei wollten wir eigentlich so richtig Gas geben, und auf einmal saß man zu Hause auf der Couch, und hat sich nicht mehr getraut, die Wohnungen zu verlassen. Es war einfach komplett absurd. Am Anfang waren wir noch positiv, und haben die Tour erst mal vier Monate verschoben. Dass das nicht so funktioniert hat, wissen wir mittlerweile alle. So mussten wir ewig warten, und hatten dann irgendwann auch totale Panik, dass mittlerweile schon alle Leute vergessen haben, dass sie überhaupt Tickets für diese Tour besessen haben. Aber als wir dann die Tour spielen konnten, war es wirklich Wahnsinn. Also Konzerte waren alle toll, die Leute sind durchgedreht und die neuen Songs wurden genauso angenommen, wie die alten…

…es  war auch die erfolgreichste Tour in Eurer Geschichte, oder?

Ja, genau!

Kollege Sibbi hat zwei Platten in der Corona-Zeit rausgebracht, das Beats-Hells-Album und seine Solo-Platte „Sibbi Hier“. Was hast Du in der ganzen Zeit gemacht, außer an dem Buch zu arbeiten?

Natürlich war das Buch ein bisschen mein Projekt, da habe ich die meiste Zeit reingelegt. Auf der anderen Seite habe ich mir auch mal Zeit genommen für Sachen, die nichts mit der Band zu tun haben, und bin ein paar Hobbys nachgegangen. Es hat mir tatsächlich auch mal gut getan. Sibbi ist so ein „Hans Dampf in allen Gassen“, der auch nicht abschalten kann. Wenn der mal eine Woche stillsitzen muss, dann ist es schon schwierig. Dann fängt das Kribbeln wieder an, und der hat einfach einen irrsinnig großen Output und ist kreativ. Deswegen hat sich das absolut angeboten, dass er ein Soloalbum aufnimmt und dieses Beatles-Cover-Projekt gemacht hat. So war er auf jeden Fall beschäftigt, und das ist eine gute Sache – für alle (lacht).

In Eurem Podcast habt Ihr an mehreren Stellen erzählt, dass Ihr von Anfang an auf die Karte Musik gesetzt habt, und nie „etwas Richtiges“ gelernt habt. Wie groß war die Angst in der Zeit der Durststrecke, dass dieses Lebenskonzept, was 20 Jahre gehalten und Euch ja auch finanziert hat, auf einmal zu Ende ist, und vielleicht Alternativen her müssen?

Das war tatsächlich das erste Mal, dass ich angefangen habe, mir Sorgen zu machen. Vorher war das nie so. Wir haben damals als junge Kerle direkt nach dem Abitur gesagt, wir machen kein Studium, keine Ausbildung, sondern wir spielen einfach so viele Konzerte, wie es geht. Wir waren da  einfach sehr naiv, und haben einfach das Ding gemacht. Man muss ehrlich sagen, die Chance, dass das klappt, Berufsmusiker zu werden, ist ja schon relativ gering, aber es hat irgendwie funktioniert. Darüber bin ich sehr dankbar! Dadurch, dass wir die letzten 20 Jahre einfach regelmäßig neue Platten rausgebracht haben und auf Tour waren, hat sich diese Frage nie gestellt: „Was ist eigentlich, wenn es das mal nicht mehr gibt?“ Das kam tatsächlich -wie Du eben gesagt hast- durch die Pandemie. Da macht man sich natürlich schon Sorgen, und fragt sich: „Scheiße, was mach ich denn eigentlich, falls das nicht mehr geht?“ Was an mir am meisten genagt hat, war gar nicht die Tatsache, dass man im Moment keine Konzerte spielen kann, sondern die Ungewissheit, dass man nicht wusste, wann geht es weiter, oder geht es überhaupt wieder weiter? Ich muss aber zugeben, dass die Sorgen jetzt auch wieder weg sind! Ich glaube, wenn es irgendwann wirklich vorbei sein sollte mit der Band…wir kennen mittlerweile sehr viele Leute in der Musikbranche, dann findet sich schon irgendwas! Aber wenn es nach uns geht, dann machen wir noch 40 Jahre Musik!

Die Stones sind ja ein gutes Vorbild…

Ja, genau, da ist noch einiges möglich! (lacht)

Wie oft werdet Ihr bei Festival-Ansagen oder in Pressetexten mit  eurem alten, vollständigen Bandnamen Itchy Poopzkid angekündigt, und wie reagiert ihr dann?

Tatsächlich passiert es sehr, sehr selten. Du hast ja gerade schon erzählt, dass wir einen Podcast haben, wo wir noch mal unsere Karriere Revue passieren lassen. Da ist es jetzt zum ersten Mal so, dass wir selbst wieder ständig über den alten Namen stolpern, weil wir uns alte Sachen zurückerinnern. Da wir in Magazinen, im Radio oder bei Festivals noch auf den alten Namen angesprochen werden, ist eher seltener. Es gibt noch Fans, die noch alten Merchandise mit dem alten Schriftzug haben, aber ansonsten ist es tatsächlich mittlerweile etabliert, dass wir ITCHY sind.

Die letzte und insgesamt erfolgreichste Tour haben wir gerade schon angesprochen. Gab es irgendwann diesen „Breaking Point“, wo ihr gemerkt habt: „Boah, jetzt sind wir richtig am Start?“

Nee, das gab’s tatsächlich nicht. Natürlich war es, als wir unseren ersten Plattenvertrag bekommen haben. Dann ging es relativ schnell los, dass wir mal Musikvideos auf MTV laufen hatten, und auf einmal wurden tatsächlich auch Songs von uns im Radio gespielt – das war natürlich schon so, dass wir gemerkt haben: „Oh, jetzt verändert sich gerade was!“

Aber das war trotzdem zur gleichen Zeit nicht so, dass wir jetzt von einen Tag auf den anderen total berühmt gewesen wären, oder irrsinnig viel Geld verdient hätten. Das gab es nicht, deswegen war das eigentlich immer so eine Entwicklung. So einen typischen „Wir haben es geschafft“- Moment, den hat es bei uns auf jeden Fall nicht gegeben.

Die letzte Platte war auf Deutsch. Wie viel Einfluss hatte eure Freunde von den Donots bei dieser Entscheidung, die ja etwas früher mit der Idee durchgestartet sind. Wäret Ihr ohne deren Vorpreschen auf die Idee gekommen, oder stand das immer schon mal im Raum bei Euch?

Tatsächlich wurde schon immer wieder mal diskutiert, ob wir das nicht mal machen wollen. Allerdings wurde es eher immer von außen gesagt: „Macht mal einen Song oder ein Album auf Deutsch!“ Wir haben ganz lange gesagt: „Nee, sowas machen wir niemals, wir sind eine englischsprachige Band, NIEMALS!“ Das ist ein guter Tipp, für alle anderen Bands: Sagt niemals nie!

Irgendwann gab es bei uns vor dem letzten Album dann die Situation, ich glaube, es kam ein bisschen von mir, das ich unbedingt mal ausprobieren wollte, wie ist es, wenn ITCHY mal auf Deutsch singen. Einfach weil ich es wissen wollte, wie es klingen würde. Ob wir es ohne die Donots auch gemacht hätten? Ich glaube nicht, dass das so eine große Rolle gespielt. Allerdings sind die Donots gute Freunde von uns, und Ingo (Anmerkung der Redaktion Ingo „Donot“ Knollmann/Sänger der Donots) war einer der allerersten, dem wir die damaligen Demos und Texte gezeigt haben, und ihn nach seiner Meinung gefragt haben. Er hat dann auch sehr ausführliches Feedback gegeben, und hat uns gesagt: „Hey, das ist super!“ oder „Hier an der Stelle solltet Ihr aufpassen oder noch ein bisschen ändern!“ Das war auf jeden Fall eine sehr coole Hilfestellung von ihm. Ingo ist einfach auch ein toller Typ! Für mich war es einfach interessant und wichtig, dass mal ausprobiert zu haben, und hat großen Spaß gemacht. Aber im Endeffekt war es dann jetzt beim neuen Album so, dass wir doch wieder mehr Bock hatten, auf Englisch zurückzugehen.

Genau dahin zielt jetzt die nächste Frage: Die letzte Scheibe war nicht nur textlich, sondern auch musikalisch deutlich experimenteller, nun seid Ihr in beiden Bereichen wieder deutlich in gewohnteren Pfaden unterwegs. Wie kam es jetzt zu dieser Rolle rückwärts?

Eigentlich war es gar nicht so eine krass bewusste Entscheidung, sondern wir haben einfach nachdem „Ja als ob“ eine Weile raus war, wieder angefangen, Musik zu schreiben. Sibbi hat Songs geschrieben, ich habe Songs geschrieben und es gab keine Vorgaben, wo es jetzt hingehen muss. Tatsächlich waren ein paar deutschsprachige Songs dabei, aber auch ein paar englischsprachige Ideen. Was aber, bei egal welche Sprache war, das man bei allen Songs gemerkt hat, dass alles wieder irgendwie ein bisschen rockiger, bisschen punkiger war, und ein bisschen mehr „back to the roots“, wie du gerade schon gesagt hast. Da war schon relativ schnell klar, in welche Richtung es geht. Dann haben wir auch eine Zeit lang überlegt, ob wir so ein gemischtes Album machen sollten, also mit deutschen und englischen Texten, das wäre ja auch ne Möglichkeit gewesen. Da haben wir uns dann aber dagegen entschieden, weil ein Großteil der Ideen dann doch auf Englisch war, und es hat sich einfach mehr danach angefühlt, wieder was auf Englisch zu machen.  

Bei der letzten Platte hattet Ihr über 50 Songs geschrieben. Habt Ihr davon jetzt einfach welche auf Englisch übersetzt, oder ist alles komplette „Neuware“, die auf dem neuen Album zu hören ist?

Es ist ja wirklich verrückt, wenn man sich überlegt, wir haben für das letzte Album 50 Songs geschrieben, und dann kommen da 13 Songs drauf, und der Rest ist einfach quasi für die Tonne. Es ist bei uns so, dass eigentlich nie ein Song, der es nicht auf das Album geschafft hat, dann später noch mal wiederverwertet wird. Es gibt also keine aufgewärmten Sachen bei uns. Was aber passiert ist, dass Sibbi ein paar Songs von der Schreibphase für sein Soloalbum genutzt hat.

Allerdings haben wir deutlich weniger Songs geschrieben als für das Album davor. Wir haben es diesmal so gemacht, dass wir zu einem früheren Zeitpunkt immer schon die beiden anderen reinhören haben lassen, in die ersten Demo-Versionen, um abzuchecken, geht das überhaupt in die Richtung, die uns allen gefällt, oder bin ich der Einzige, der das gut findet. Das ist manchmal sehr ärgerlich, wenn man dann wirklich sehr viel Zeit und Mühe reinsetzt in so einen Song, den Text schon ganz ausfeilt, und dann fließt da sehr viel Zeit rein, und im Anschluss zeigt man das erst den anderen beiden, und sie reagieren dann eben nicht so euphorisch, und man merkt dann, ok, der schafft es nicht aufs Album. Deswegen ist es mittlerweile eigentlich klüger, erstmal die erste Strophe, den ersten Refrain ein bisschen zu skizzieren, den anderen zu zeigen, und wenn dann positive Signale kommen, dann wird zusammen daran weiter gearbeitet. Das hat sich diesmal auf jeden Fall gut etabliert bei uns.

Aber das ist dann schon klar, wenn zwei sagen: „Der ist super!“ dann wird es gemacht, oder reicht einer, der sagt: „Sorry, der geht gar nicht!“

Nee, also zwei Leute sollten schon dabei sein, die sagen: „Ja, der ist super!“, dann wird der Dritte auch überzeugt oder überstimmt. Das gibt es auf jeden Fall, aber sollte es den Fall geben, dass einer von uns Dreien sagt: „Hey, mit dem Song, oder mit dem Text fühle ich mich überhaupt nicht wohl!“ dann würde es der Song auch nicht schaffen. Da müssen schon alle cool mit sein.

Kommt das oft vor, oder hat man ein Gespür, was man vorlegen darf?

Ja, das hat man schon. Sibbi hat ein sehr weites Spektrum, in dem er Musik schreiben kann. Das ist wirklich bewundernswert. Er kann auch abseits von Punkrock und Rockmusik einfach Nummern schreiben, die wirklich gut sind. Dann sitze ich manchmal da, und höre mir ein Demo von ihm an und denke: „Hey, das ist echt ein guter Song, aber mit unserer Band gar nichts zu tun!“

Das ist dann manchmal schwierig, und hier wird natürlich auch kontrovers diskutiert. Wenn sowas passiert, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir arbeiten an diesem Song, und versuchen, ihn in ein Gewand zu rücken, der mit ITCHY besser harmoniert, oder es kommt vor, dass wir sagen: „Hey, das ist so weit weg von unserer Musik, die wir machen. Sibbi macht das mal irgendwo anders, vielleicht solo, aber mit ITCHY funktioniert das nicht.“ Es gibt beide Fälle.

Wie lange habt Ihr insgesamt an der Platte gearbeitet?

Ich glaube, angefangen zu schreiben haben wir vor eineinhalb Jahren. Natürlich ist es nicht so, dass man durchgängig jeden Tag an diesem Album arbeitet, sondern es liegt auch eine Weile rum, dann ist man eine Zeitlang im Studio. Dann dauert es noch mal, bis gemischt wird und so weiter. Es ist immer so ein irrsinnig langer Prozess. Ich denke das jedes Mal wieder. Wir haben jetzt ein paar Alben rausgebracht, und machen das auch schon eine Weile – aber es jedes Mal wieder, wenn es dann kurz vor der Veröffentlichung ist, einfach verrückt, was für ein krasser Prozess das ist, wieviel Arbeit das ist für alle Beteiligten war, und wie lange es auch dauert, bis es irgendwann tatsächlich rauskommt, und die Leute da draußen es endlich hören können.  Deswegen ist da auch überhaupt keine Routine drin, es ist immer noch gleich spannend, wie beim ersten Album, und man freut sich immer noch wie ein kleines Kind, wenn man dann irgendwann das Produkt aus dem Presswerk bekommt. Vor allem wenn man die Vinyl dann zum ersten Mal in der Hand halten darf, das ist einfach ein schönes Gefühl.

Du sagst Arbeit. Wie sehr ist es wirklich bei euch Arbeit, wo ihr konzentriert im Proberaum sitzt, oder wird auch noch mal ein Kasten Bier leer geprobt aus reinem Spaß an der Freude?

Unseren Proberaum haben wir tatsächlich so ungemütlich wie nur möglich eingerichtet. Da gibt es überhaupt kein Sofa, keine Sitzmöglichkeiten und nichts. Wir gehen dorthin, wenn wir wissen, jetzt müssen wir mal wieder proben, aber wir sind keine Band, die Proben so richtig zelebriert, mit „Jetzt noch Bier, es wird noch gekifft, und danach reden wir noch fünf Stunden!“ Das gibt es bei uns nicht. Wir gehen dahin, jeder macht einen Verstärker an, dann geht es los, und nach zwei Stunden sagt auch schon der erste mit Blick auf die Uhr: „So, jetzt reicht’s aber auch!“

Wir spielen lieber Konzerte, als zu proben. Im Proberaum klatscht keiner, wenn man mit dem Song fertig ist. Aber trotzdem: Es fühlt sich natürlich nicht nach Arbeit an, und trotzdem steckt viel Mühe und Zeit drin, in einem Album und auch in der Tour-Vorbereitung.

Auf der neuen Platte ist ein Duett mit Justine Sane (Anti-Flag). Wie kannst du dieser Zusammenarbeit?

Anti-Flag kennen wir schon sehr, sehr lange. Wir haben schon sehr oft mit denen gespielt. Ich habe vorhin mal überlegt, Sibbi und ich waren -glaube ich- 1999 zum ersten Mal auf einem Konzert,  und da auch richtig vorne drin im Pit. Von da an waren wir einfach Fans dieser Band. Wir haben sie einfach oft getroffen, auf Festivals, auf dem fünfundzwanzigjährigen Geburtstag von den Donots waren sie eingeladen und wir haben dort gespielt. Es sind einfach mittlerweile gute Bekannte von uns. Dann haben wir diesen Song geschrieben, der auch ein ziemlich politischer Song ist, und da ist uns dann sofort Justin eingefallen, als potenzieller Feature-Gast. Wir haben uns gedacht, wir fragen ihn einfach mal, ob er eventuell Lust hätte, dort eine Strophe und einen Refrain einzusingen. Und ganz ehrlich haben wir gedacht, dass da einfach eine sehr freundliche Absage zurückkommt, weil die einfach so unfassbar viel unterwegs sind und ständig touren -egal ob in den USA, in Kanada oder in Europa. Aber es kam relativ schnell eine Antwort von Justin zurück, der sagt, dass er den Song grandios findet, und er unglaublich gerne dabei wäre. Das einzige Problem war, dass wir ein bisschen Zeitdruck hatten mit der Abgabe,  weil der musste in den Mix und ins Master und so weiter, und Anti-Flag waren gerade auf Tour in Europa. Da haben wir es irgendwie gedeichselt, dass er an einem halben Tag, den er frei hatte, ein Studio in Düsseldorf zu mieten. Da ist dann hin, und hat den an einem halben Tag eingesungen. Dann hatten wir alles zusammen, und das Video wurde dann auch noch gedreht.

Wir freuen uns einfach total, dass es geklappt hat, und das wir so einen Typen auf unserem Album haben, von dem wir selbst Platten zu Hause im Schrank haben. Das ist einfach eine total schöne Geschichte!

Gibt es eine Chance, dass die Nummer irgendwann auf der anstehenden Tour live präsentiert wird?

Auf jeden Fall! Wir haben das auf jeden Fall auf dem Zettel, und ist auch mit ihm besprochen. Das nächste Mal, wenn wir irgendwo eine Bühne teilen, hoffentlich bald bei einem Festival. Vielleicht kriegen wir das tatsächlich auch mal mit gemeinsamen Clubshows hin, das wäre natürlich toll, und er hat schon gesagt, dass er dann auf jeden Fall auf der Bühne mit am Start ist!

Ich habe mir die neue CD jetzt ein paar Mal durchgehört, als einer der wenigen, der überhaupt noch ein Abspielgerät hat. Normalerweise kauft ja fast keiner mehr normale CDs. Alle Bands müssen jetzt Bundles machen, mit hier noch ein T-Shirt, und dann noch dies und das. Wie kommt Ihr auf die Ideen für Eure Bundles? Und nach welchen Kriterien packt Ihr das Paket zusammen?

Wir machen immer eine Brainstorming-Runde und überlegen, was wir da reinpacken können, oder ob man überhaupt noch Bundles machen muss, oder ob man einfach nur Tonträger verkaufen sollte. Und wir haben uns diesmal einfach vorgenommen, wenn wir so ein Special-Edition-Bundle machen, dann machen wir bitte wertige Artikel rein und auch Artikel, mit denen die Leute wirklich etwas anfangen können. Auf unserem Cover ist ein Junge mit Schwimmflügeln auf einem Turm im Schwimmbad zu sehen, da haben wir gedacht, das wär doch super, ein großes Standtuch zu machen. Allerdings haben wir auch dort auf Qualität geachtet, dass es Fair Trade und Bio-Baumwolle ist, haben uns ewig viele Angebote eingeholt. Dann gibt es noch einen Jutebeutel dazu und einen gestickten Patch. So ist es dann auch für uns rechtfertigbar, so ein Produkt zu verkaufen, und man hat nicht das Gefühl, dass man den Leuten versucht, irgendeinen Scheiß unterzujubeln, nur um noch eine bessere Chart-Platzierung zu erreichen.

Ihr habt jede Menge Touren schon hinter euch, normale Touren, die Lese-Tour hast Du vorhin schon selber angesprochen, und auch sonst diverse Sachen. Gibt es irgendwann mal ein Sättigungsgefühl,  wo man keinen Bock hat, oder wie hält man den Spaß dauerhaft aufrecht, vor allen Dingen, wenn es vielleicht nicht so läuft.

Ja, werden wir tatsächlich auch oft gefragt. Das krasse ist, dass sich das auch nach über 22 Jahren Bandgeschichte und mittlerweile über 1000 Konzerten, auch in vielen verschiedenen Ländern, sich da keine Routine einschleicht, also keine negative Routine, die das irgendwie abgenutzt oder langweilig macht. Ich kann das von ganzem Herzen verneinen, das ist einfach nicht so, auch wenn ich jetzt schon, wie oft ein Konzert in Köln oder in Hamburg gespielt habe, ist es trotzdem jedes Mal wieder anders. Jeder Club ist anders, man spielt in einer anderen Location, das Publikum ist immer anders. Man hat ja auch meistens eine neue Platte im Gepäck, spielt andere Songs. Und wenn es irgendwas in meinem Leben gibt, was wirklich nie langweilig wird, dann ist es, auf Tour zu sein und Konzerte zu spielen. Was vielleicht ein bisschen der Fall ist, wenn man in einem kurzen Zeitraum sehr viele Konzerte spielt, vielleicht auch ein paar Abende am Stück die Setlist ähnlich ist, oder auch mal komplett gleich bleibt, dann muss man ein bisschen aufpassen, dass die Ansagen, die man zwischen den Songs macht, nicht immer gleich sind, dass es trotzdem abwechslungsreich und locker bleibt, und da nicht eine Routine einsetzt. Das ist manchmal ein bisschen herausfordernd, aber wir versuchen auf jeden Fall, einen Abend immer so zu gestalten, dass er sich auf jeden Fall immer ein bisschen unterscheidet, von dem Konzert, das wir einen Tag davor gespielt haben.

Genau damit kommen wir dann auch zu meiner Schlussfrage: Die Tour steht an im Herbst und die neue Platte schreit danach, live gespielt zu werden. Wie werdet ihr die Platte einbinden? Gibt es die komplett?

Komplett haben wir noch nie ein neues Album live gespielt, aber ich glaube, wir werden einfach eine große Menge von den Songs austesten, und dann schauen, was beim Publikum am meisten Reaktionen hervorruft. Manchmal ist es auch total interessant, dann denkt man: „Der Song funktioniert live 100% !“, und manchmal ist das dann gar nicht so. Bei einem anderen Song denkt man sich: „Ok, den probieren wir mal aus, aber wahrscheinlich wird das eher nicht so!“, und bei dem gehen dann alle total steil. Wir werden auf jeden Fall ausprobieren, und im Großen und Ganzen wird es aber ganz sicher wieder eine Mischung aus ganz neuen Sachen und auch wirklich alten Schinken sein, die wir wieder ausgraben, auf die sich dann irgendwelche Hardcore-Fans der ersten Stunde freuen. Wir gucken auf jeden Fall, dass es eine wilde Mischung wird!

Lieber Panzer, dann danke ich für das Gespräch, und wir sehen uns auf jeden Fall in Münster bei der Tour!

Vielen Dank für das schöne Gespräch und bis zum Konzert!

ITCHY – „Dive“-Tour 2023

06.10.23 Bern, Dachstock

07.10.23 St. Gallen, Grabenhalle

12.10.23 Frankfurt, Batschkapp

13.10.23 Jena, Kassablanca

14.10.23 Dresden, Beatpol

19.10.23 München, Backstage Werk

20.10.23 Wien, Flex

27.10.23 Erlangen, E-Werk

28.10.23 Prag, Rock Café

03.11.23 Münster, Sputnikhalle

04.11.23 Düsseldorf, Zakk

09.11.23 Berlin, Festsaal Kreuzberg

10.11.23 Hamburg, Markthalle

11.11.23 Hannover, Musikzentrum

24.11.23 Karlsruhe, Substage

23.12.23 Ulm, Roxy

 

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Fotocredit: Ilkay Karakurt (1,3,5,8-10) Wollo@Whiskey-Soda (2,4,6)

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