POWERWOLF – „Attilas Schulter war grün und blau“
Am 16. Juli erscheint mit „Call Of The Wild“ das achte Studioalbum von Powerwolf. Whiskey-Soda hatte die Möglichkeit, in einem Interview mit Falk Maria Schlegel, Organist der Power-Metal-Band über das kommende Album, Reisebeschränkungen und einen wichtigen Artikel im Merch-Store zu sprechen.
WS: Hallo Falk, oder soll ich lieber Christian sagen?
FMS: „Natürlich Falk.“
WS: Okay, dann erst mal vielen Dank, dass Du Dir Zeit für das Interview genommen hast Wir hatten das mit dem Namen gerade schon. Verwandelst Du Dich mit Deinem Outfit von Christian zu Falk Maria Schlegel?
FMS: „Nein, eigentlich nicht. Das, was Du auf der Bühne siehst, ist ein großer Teil meiner Persönlichkeit. Wer mich kennt weiß, dass ich eher extrovertiert bin. Ich schlüpfe nicht komplett in eine andere Rolle. Aber natürlich gibt es auf einer Bühne eine andere Situation als im Privaten. Der Falk auf der Bühne kam in den letzten anderthalb Jahren deutlich zu kurz. Das merkt natürlich mein privates Umfeld deutlich. Das, was Du auf der Bühne siehst, bin aber zu 100% ich.“
WS: Euer neues Album „Call Of The Wild“ erscheint am 16. Juli. Dieses ist während der Pandemie entstanden. Gab es dadurch besondere Herausforderungen für Euch?
FMS: „Es war geplant, dass wir nach der Südamerika-Tour, welche wir bekanntlich abbrechen mussten mit dem Schreiben für das neue Album beginnen. Ich bin zurückgekommen und es war alles ein bisschen unheimlich. Es war in Südamerika zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu spüren von einer Pandemie. Ich war noch der Meinung, wir schreiben ein paar Songs für das neue Album und spielen dann im Sommer wieder auf einigen Festivals. Als wir dann realisiert haben, was um uns herum passiert, wurden wir schon etwas unruhig.
Dennoch sagten wir uns, hängen lassen geht nicht. Für die Situation kann keiner was und unsere Fans haben es verdient, ein Knaller Album zu bekommen. Es sollte also kein Album werden, welches in Melancholie erstickt, weil ja alles so schlimm ist. Wir haben einfach gearbeitet, wie wir sonst auch arbeiten und waren sehr fokussiert.
Durch die Reisebeschränkungen war die Sache natürlich etwas kompliziert. In Holland mussten wir in Quarantäne. Das hat dann recht gut geklappt, da wir uns eh nur im Studio aufgehalten haben. Natürlich mussten wir die Tracks einzeln aufnehmen. Normalerweise ist das Wolfsrudel komplett und geht demjenigen, der einspielen muss, tüchtig auf die Nerven.
Durch die Pandemie habe ich als überzeugter Europäer erst mal gemerkt, wie einem die Reisefreiheit fehlt. Dieses selbstverständliche, zum Videodreh in die Schweiz, zum Orgel spielen nach Frankreich fahren, das war plötzlich sehr kompliziert. Ich bin echt froh, dass wir im freien Europa wohnen und leben dürfen. Das ist ganz wichtig.“
WS: Auf „Call Of The Wild“ geht Ihr wieder einigen Wolfsmythen nach. Bei „Faolath“ geht es nach Irland. Mit „Beast Of Gévaudan“ taucht Ihr in eine spannende Geschichte in Frankreich ein, welche im Internet nachzulesen ist. Können Eure Fans in Zukunft weitere Songs über den Canis lupus erwarten?
FMS: „Das „Beast“ hatte unser Hauptsongwriter Matthew (Greywolf, Songwriter und Gitarrist von Powerwolf. Anm. d. Red.) schon lange im Kopf, wir hatten aber noch nicht das Lied dazu. Wir sind interessiert an solchen Mythen, lesen viel und interessieren uns auch für diese religionsgeschichtlichen Aspekte. Diese Geschichten sind natürlich für Powerwolf ein gefundenes Fressen. Wir haben bestimmt noch Themen für 20 weitere Alben.“
WS: Mit „Glaubenskraft“ habt Ihr einen komplett deutschsprachigen Track auf dem neuen Album. Ihr nutzt immer wieder zumindest teilweise (Stossgebet, Kreuzfeuer) Eure Heimatsprache. Wovon macht Ihr es abhängig, ob ein Song in Deutsch, englisch oder lateinisch gesungen wird? „Beast of Gévaudan“ ist auch auf Französisch erschienen, das passt natürlich zu der Geschichte, die dort um 1764 passiert ist.
FMS: „In „Glaubenskraft“ setzen wir uns kritisch mit den Missbrauchsfällen der katholischen Kirche auseinander. Es hat uns unglaublich fassungslos gemacht, wie die Institution teilweise erfolgreich versucht hat, Dinge zu vertuschen und das Opfer durch Nichtanerkennung von Gutachten zwei Mal bestraft wurden. „Power Of Faith“ oder „Power Of Believe“ klingt zu sehr nach Ballade in Richtung Haarspray und Glam-Metal und würde der Sache keinesfalls gerecht werden. „Glaubenskraft“ hat eine Sprachästhetik, die unheimlich hart klingt und ein wenig doppeldeutig ist. Es kann ja auch positiv gedeutet werden. Der Glaube gibt mir Kraft und ich kann etwas Positives daraus gewinnen. Du kannst den Song auch komplett so lesen.
Du hast „Stossgebebet“ und „Kreuzfeuer“ genannt. Das sind so krasse Begriffe, die mit einem Wort alles ausdrücken. Das findest Du eigentlich nur in der deutschen Sprache. Diese Begriffe im englischen sind nicht das, was wir damit ausdrücken wollen. Es kommt also auf die Situation an, in welcher Sprache wir welche Stücke schreiben.
Aber keine Sorge, trotz allem haben wir unseren Humor nicht verloren. Mit „Undress To Confess“ haben wir natürlich wieder was Schlüpfriges auf dem Album. Wir sind eigentlich nicht die Band, die permanent den Finger hebt und sozialkritische Texte schreibt.“
WS: Ich möchte auf „Missa Cantorem“ zu sprechen kommen, welches es wahlweise als Bonusalbum zur Neuveröffentlichung gibt. Auf dem Album kommen Gäste wie Doro oder Ralf Scheepers von Primal Fear zum Zug. Eine Frage von Dirk M. aus Eurer Fanbase: „Was hat euch dazu bewegt/inspiriert, den Song „Demons Are A Girl’s Best Friend“ gesanglich neu zu interpretieren, warum genau dieser Song und wieso fiel die Auswahl des Hauptgesangs auf Alissa von Arch Enemy“?
Wie habt Ihr das generell auf „Missa Cantorem“ gehandhabt? Hatten Eure Gäste die Auswahl, sich etwas aus Eurem Reportoire auszuwählen und das so zu interpretieren, wie sie es wollten?
FMS: „Das ist eine spannende Frage. Ich muss ein bisschen ausholen, um die Historie zu beschreiben, bevor wir auf die Idee kamen, das überhaupt zu machen. Wir sind mit Amon Amarth ja seit Ewigkeiten irgendwie unterwegs. Man schätzt sich und ist befreundet. Ich habe Johan (Sänger von Amon Amarth. Anm. d. Red.) in Mexiko gefragt, ob er Bock hat, „Nightside Of Siberia“ mal zu singen. Ich wollte immer mal hören, wie das klingt, wenn er das macht. Er hat uns dann den Song geschickt und wir haben ein bisschen rumgesponnen. Wir könnten eigentlich ein paar Leute fragen, die uns nahestehen. Haben sie Lust, unsere Songs auf ihre Weise zu interpretieren?
Eine der ersten war in der Tat Alissa. Uns war da noch gar nicht klar, welchen Song sie singen könnte. Alissa kam mit der Idee zu „Demons“ auf uns zu. Das Lied haben wir dann ja auch als Video zusammen gemacht. Sie fand den Aspekt interessant, die Geschichte etwas umzudrehen. Im Ursprungsvideo tanzen die Frauen in der Kirche ja für Atilla. In der neuen Verfilmung sieht man das ganze aus Sicht einer Frau. Zusammen mit dem Growl von Alissa, welche ja eher untypisch für diesen Song sind war das eine spannende Sache für uns.
Generell haben wir den Sängern die Auswahl der Songs überlassen. Eine Ausnahme gibt es allerdings bei „Resurrection By Erection“. Den Song musste unbedingt Chris (Bowes, Sänger von Alestorm, Anm. d.Red.). Chris sah das wohl genauso.
„Missa Cantorem“ ist mit viel Liebe und Leidenschaft, mit viel Aufwand entstanden. Uns ist es wichtig, mit einem Bonusalbum etwas Hochwertiges zu liefern und nicht einfach ein paar unfertige Stücke zu veröffentlichen. Als Band legen wir natürlich unser Hauptaugenmerkt auf das eigentliche Album.“
WS: Ihr habt zu „Beast of Gévaudan“ und „Dancing with The Dead“ zwei Videos gedreht, welche auf den Zuschauer sehr detailreich und opulent wirken. Dreht Ihr gerne Musikvideos?
FMS: „Die Videos sind so ein Kosmos, der mir persönlich total Spaß macht. Man steht den ganzen Tag unter Strom und muss viel warten. Ich fühle mich wie ein Torhüter, der die ganze Zeit nichts aufs Tor kriegt und von jetzt auf gleich muss er da sein.
Atilla musste für „Beast“ den ganzen Tag ein Kreuz tragen. Wenn man das hoch hebt denkt man eigentlich, das geht vom Gewicht. Aber wenn Du das den ganzen Tag auf der Schulter hast, ist das schon echt schmerzhaft. Seine Schulter war abends wirklich grün und blau. Trotz der ganzen Sachen, auch mit der Reisebeschränkung („Beast of Gévaudan“ wurde in der Schweiz gedeht. Anm. d. Red.) hatten wir eine Menge Spaß am Set. Wenn ich allerdings die Wahl zwischen fünf weiteren Videos und einer Tour hätte, bin ich ganz klar für die Tour.“
WS: Habt Ihr Euch mal Gedanken gemacht, ob Ihr in der Pandemie Stream-Konzerte veranstalten möchtet?
FMS: „Wir haben uns auf unser neues Album konzentriert. Allerdings weiß man nicht, was noch so alles passiert. Von daher schließen wir erst mal nichts aus. Zu Beginn der Pandemie gab es Anfragen für Auftritte in Autokinos. Diese haben wir jedoch abgesagt. Diese Art von Konzerten passt einfach nicht zu uns.
Der Fokus liegt auf der kommenden Tour, welche im Oktober in Stuttgart starten soll. Wir werden im September auf dem Bullhead City in Wacken spielen. Ich möchte jetzt nicht den Fußball gegen die Musik aufwiegen, aber denke, „Hey, wenn eine Europameisterschaft funktioniert, muss das andere auch gehen“. Die Menschen brauchen einfach wieder die Konzerte. Ich merke ja selbst, wie ich derzeit rumlaufe. Natürlich weiß man noch nicht, was bis Herbst passiert, wie das mit den Virus-Varianten weitergeht und was die Politik plant. Aber ich bin guter Hoffnung und bis Oktober ist es ja noch etwas Zeit.“
WS: Ich habe noch eine Frage von Euren Fans. Julia K. möchte wissen, wann es denn mal ein Orgelsolo von Dir geben wird.
FMS: „Ich habe schon öfter drüber nachgedacht. Natürlich nur mit Brimborium. Ich möchte da nicht nur ein paar Töne spielen und jeder soll sagen wie gut ich bin. Wenn ich ein Orgelsolo spiele, muss es krachen, schweben, explodieren. Wenn ich da eine Idee umsetzen kann, spiele ich auch ein Solo.“
WS: Julia hat auch noch einen Verbesserungsvorschlag bzgl. Gleichberechtigung. In einem namhaften Merchstore mit drei Buchstaben gibt es nur Boxershorts für Männer. Sie bittet Euch „ ein paar Schlüpper für uns Mädels“ rauszubringen.
FMS: „Ohne Witz. Das ist ein sehr, sehr guter Punkt. Das müssen wir auf jeden Fall mit aufnehmen. Es kann nicht sein, dass wir die Sprache anpassen und im Shop Unterwäsche nur für Männer anbieten, das geht natürlich nicht. Ich muss mich darum kümmern und werde mich der Sache annehmen.“
WS: Falk, ich danke Dir für diese 25 Minuten und hoffe, dass wir uns im Oktober in Stuttgart sehen.
FMS: „Das hoffe ich auch und es hat viel Spaß gemacht, mit Dir über das neue Album und die anderen Dinge zu plaudern.“
Photo Credit: Matteo Vdiva Fabbiani / VDPICTURES
Das ausführliche Interview könnt Ihr in der kommenden Woche in unserem Podcast hören. Das Album „Call Of The Wild“ ist hier in diversen Ausführungen vorbestellbar.
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