|

The Midnight Ghost Train – Bärte, Schweiß und Rhythmus

1.jpg “ So wie The Midnight Ghost Train, die aktuell auf deutschen Bühnen ihr neues Album „Cold Was The Ground“ vorstellen. Und kann eine Band ehrlicher sein, deren Gründung die Antwort auf den Tod des besten Freundes des Frontmannes war? Es ist beinahe dunkel im gefüllten Keller-Foyer im Gaswerk in Winterthur, als Steve Moss (voc, git), Brandon Burghart (dr) und Mike Boyne (b) die Bühne betreten – mit Bärten, Jeans und Turnschuhen. Bassist Boyne mit seinem pechschwarzen Rauschebart bollert auf seinem Instrument herum, noch mit einer gewissen Zurückhaltung. Als der erste treibende Schlagzeugbeat von The Midnight Ghost Train einsetzt, ist jeder einzelne der rund 200 Zuschauer für einen Augenblick gebannt. Und während aus der Bar noch einige weitere Rockfreunde herbei eilen, beginnt vor und auf der Bühne der rauhe, rhythmische, im Blues verwurzelte Rock in die Gliedmaßen der Konzertbesucher auszustrahlen. Vor allem getanzt wird – und heftig der Kopf geschüttelt. Bei Sänger Moss verschimmen Kopf- und Barthaare zu einer homogenen, sich bewegenden Masse, die mit fortschreitendem Konzert vom Schweiß verklebte Strähnen bildet. Nur wenn der beleibte Amerikaner mit seiner unglaublich rauhen, wütenden Stimme seine Texte ins Mikrofon brüllt, kann man sein Gesicht tatsächlich erkennen. Die stechenden Augen, die zu erkennen geben, daß der Mann jede Note mitlebt.

2.jpg “ Mit teils andächtiger, teils wütender Stimme gibt Moss den Song zum besten, den er an der Beerdigung seines Vaters gesungen hat und das Publikum ist zumindest für einen Moment ruhiger und lauscht dem intensiven Gesang. Kurz danach geht es wieder derber weiter, The Midnight Ghost Train sind eine rifforientierte Band, Rhythmus ist alles und Melodien kommen live unter der verzerrten Gitarre noch weniger zum Vorschein als auf den Alben. Die Zuschauer hüpfen leidenschaftlich auf der Stelle und danken es mit rhythmischen Bewegungen der Nackenmuskulatur. Nach einer guten Stunde ungezügelter Energie, Schweiß und Rhythmus wendet sich Moss beinahe entschuldigend ans Publikum. „Wenn es nach mir ginge, könnte ich die ganze Nacht weiterspielen, Leute. Aber mehr ist heute leider nicht drin.“ Der Applaus ist begeistert und als man Moss und seine Bandgefährten kurz darauf am Merchandise-Stand antrifft, kommt es zu einer kurzen Szene, die in mehrerlei Hinsicht Bände spricht. Ein Fan wirft sich in anbetender Geste auf den Boden und huldigt dem Meister seine Begeisterung über den Auftritt. Moss sieht beinahe verlegen zu ihm hinunter und brummelt mit seiner tiefen Stimme „Steh auf Mann, du machst mich ganz verlegen“ und schüttelt seinem Fan dankbar die Hand und ist kurz darauf in Gespräch vertieft. Es geht nur um Emotionen bei The Midnight Ghost Train. Deshalb sind sie so echt. Deshalb werden sie so geliebt. Was für ein Auftritt, und das war erst die erste Hälfte des Abends!

3.jpgGreenleaf aus Schweden sollten der Energie ihrer Vorband im ausverkauften Gaswerk-Keller in wenig nachstehen – und sicher nicht bei Leidenschaft, den Bärten und dem produzierten Schweiss! Mit neuem Sänger Arvid Jonsson am Mikrofon (mit dem längsten Bart des Abends) und neuem Bassisten gaben die vier Jungs aus dem mittelschwedischen Börlange ebenfalls gleich mit ‚Highway Officer‘ Vollgas und gönnten dem noch immer schweißgebadeten Publikum keine Atempause. Jonsson mit Trucker-Cap und Jeanskutte sieht aus wie ein Redneck, mit seiner variantenreichen Stimme überzeugt er das Publikum schnell davon, daß er kein schwedisches Landei ist. Mit aufgerissenen Augen und exzentrischen Shuffle-Moves gibt der Mann alles – und seine Bandkollegen stehen ihm in nichts nach. Bandgründer Tommi Holappas Haare kleben nach dem vierten Song ‚Alishan Mountain‘ am Kopf. Der Song hat einen psychedelischen Touch, der der Stoner-Truppe hervorragend zu Gesicht steht.

4.jpg „Das ohnehin schon gut angeheizte und tendenziell eher zurückhaltende Schweizer Publikum dreht völlig am Rad. Es wird gerockt, getanzt, geklatscht, Fäuste und Pommesgabeln in die Höhe gereckt, daß es eine wahre Freude ist. Das erfreuliche ist aber nicht nur die Power, sondern die Vielseitigkeit der Schweden. Mal klingen die Songs schleppend und schwer wie von Black Sabbath, dann wie bei ‚Electric Ryder‘ wie eine bluesige Garagen-Punkrock-Band oder nach Blues-Hardrock bei ‚Stray Bullit Woman‘. Den Abschluss des schweißtriefend erfolgreichen Konzertabends bildet die Hammer-Zugabe ‚Trails And Passes‘, dem Titeltrack des aktuellen Albums von Greenleaf. Die Jungs aus Schweden geben mit den straighten Stonerrock-Song nochmal alles – und schaffen es zum Ende des Konzerts tatsächlich, die Besucher mit besonders melodischem Gesang mit viel Hall zu überraschen. Wenn das kein würdiger Abschluß eines erdig-schweissigen Stoner-Rock-Abends ist, was dann?

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar