Marcus

The Party

Humor besitzt Andy Shauf in jedem Fall. Dieser leise tretende, sanftmütige Songwriter nennt sein viertes Album schlicht und einfach ‚The Party‘. Genau das Gegenteil von laut, wild und durchgewirbelter Feierei präsnetiert der Kanadier in seinen zehn Songs. Das sind angeblich die zehn besten, die er aus einem Potpurri von 100 im Arbeitsprozess entstandenen Liedern ausgewählt hat. Keine Party ohne Arbeit und Vorbereitung also.

Tatsächlich geht es auf ‚The Party‘ ziemlich ab, nur eben in gedämpften Tönen. Die Songs sind unheimlich ausgewogen und pendeln symbiotisch in einer Mischung aus Akustikgitarre und Synthies. Dazu gesellen sich intelligent arrangierte Streicher und die Drums. Die feinfühlige Stimme von Shauf verleiht dem Ganzen eine besondere Harmonie und versprüht in seinen Inhalten eine poetische Tiefe.

Hier ist nichts dem Zufall überlassen, das ist in jeder Note spürbar. Shauf hat sämtliche Instrumente selbst eingespielt, was beachtlich ist, wenn man bedenkt, dass er sich alles selbst beigebracht hat. Es entsteht nicht wie bei vielen anderen Singer-Songwriter-Projekten ein Berg der belanglosen Klimperei. Shauf gelingt es zu jeder Zeit, den Gipfel zu erklimmen und seine Songs in ein kurzweiliges Erlebnis und Ergebnis zu führen.

In ‚Early to the Party‘ ist dieses Konzept brilliant durchgezogen. Eine ansteckende Melodie, seicht tappsende Vocals sind untermalt mit an die Beach Boys erinnernden Bläsern und pointierten Breaks. Unaufdringlich, aber doch fesselnd genug, um davon ergriffen zu werden. Absolut empfehlenswerte Platte!

Ein Ende

Captain Planets viertes Album nennt sich ‚Ein Ende‘. Was schwer nach Abschied klingt, aber eigentlich einen Neuanfang bedeutet. Nach der Gründung der Hamburger Emopunks im Jahr 2003 und drei bahnbrechenden Alben im Genre macht der Zahn der Zeit auch nicht an den jugendgierigsten Punks Halt. Irgendwann wird jeder erwachsen und gesetzter.

Ausdruck dieses Prozesses ist bereits das Plattencover von ‚Ein Ende‘. Biederste Reihenhausromantik, Stein an Stein, das Ende von Spaß und Aufregung. Von hier aus gibt es nur noch einen Weg: Entweder ins Altenheim oder gleich in der Kiste hinein ins Grab. Captain Planet arrangiert sich quasi mit diesen Entwicklungen des Lebens. Statt um wilde Nächte geht es in den Texten inhaltlich um Fragen und Zukunftsvisionen. Ja, sogar Ängste werden teilweise formuliert und besungen.

‚Niemals die Kraft, doch es geht weiter bis die Stimme aufgibt, bis alles zerfällt, bis der Vorhang wieder aufgeht, bis uns nicht mehr hier hält‘

, heißt es beispielsweise in der Single ‚Vom Ende an‘.

Der Trotz ist also immer noch da und führt sich auch in der Musik fort. Zehn Lieder in einer halben Stunden Spielzeit zeugen von Tatendrang und Tempo. Beides wird emotional in Power-Pop-Gitarren-Rhythmen vorgetragen. Das macht Spaß, ist aber an der ein oder anderen Stelle gefährdet, sich zu überschlagen und zu verhaspeln. Es geht nach vorn und soll es in diesem Genre natürlich auch, nur ist die Frage, ob die nachdenklicheren Texte in dieser Intensität tatsächlich Platz zum Nachdenken erlauben. Schließlich wird ja nicht nur die Band erwachsener, sondern auch ihre Fans.

You Know Who You Are

‚You Know Who You Are‘ – Du weißt wer du bist. Als ob Nada Surf einen Wink mit dem Zaunspfahl geplant haben, nennen sie ihre Platte so wie sie auch klingt: Bodenständig, selbstbewusst, geerdet. Nada Surf wissen seit über 20 Jahren ganz genau, wer sie sind. Die Dreads von Sänger Daniel Lorca wackeln zu den Beats von Drummer Ira Elliot und werden von den typisch Nada-Surf-mäßigen Harmonien zusammengehalten. Experimente machen die anderen, Nada Surf macht stur und gut eben Nada Surf.

Es ist beinah wie einen Freund, den man Jahre nicht sieht, aber der sich beim Wiedersehen absolut Null Komma Null verändert hat. Als wäre er nie weg gewesen. So verhält es sich mit der Musik auf dem achten Longplayer von Nada Surf. Aufgelegt, hingehört und sofort wiedererkannt. Milder 90’s angehauchter Indie-Sound. Wenig Ecken, noch weniger Kanten. Treibend, luftig, unaufgeregt und an manchen Stellen wie in ‚Friend Hospital‘ sogar ein bisschen rockig.

Das ist konstant, gibt Halt und spendet irgendwie auch ein wenig Trost, dass sich ein Stück in dieser schnelllebigen Welt so vertraut anfühlen kann. Andererseits ist es eben auch das komplette Gegenteil von Spannung, Aufregung und Begeisterung. Die Platte ist ein bisschen so wie ein Sonntagskaffeebesuch bei Oma: Ist schön, fühlt sich gut an, tut nicht weh, aber irgendwie könnte man sich auch irgendwo anders aufhalten, wo es sehr viel wilder zugehen könnte. Es fehlt der Herzschlag und das Adrenalin.

Sicher, Entschleunigung ist auch gut fürs Herz, doch etwas mehr Tiefe und Innovation hätte es bei ‚You Know Who You Are‘ schon sein können. Aber das ist Meckern, das irgendwie schmerzt. Schließlich kritisiert man seinen Kumpel, der vor Jahren den gleichen Pullover wie beim erneuten Wiedersehen trug, auch nicht sofort. Stattdessen freut man sich darüber, dass er sich nicht verändert hat. Schließlich weiß man so immer noch, wer er ist.

Hitch

Gemeinhin gilt für viele Bands im Rock-Circus die eiserne und gnadenlose Regel, dass nach den ersten drei Alben der Einfluss auf das populäre Geschehen weniger wird. Die wenigsten Gruppen können danach noch mit einem großen Knall überraschen. The Joy Formidable haben sich dies offenbar zu Herzen genommen, denn ihr drittes Album ‚Hitch‘ ist überaus ambitioniert geraten.

Waren die Waliser bisher als laute Rockband voller Verve und Kurzweile bekannt, ist ‚Hitch‘ nun ein Werk von ausschweifender Länge geworden. Die 60-Minuten-Marke wird locker überschritten, fast jeder Song kratzt an der den fünf Minuten. The Joy Formidable sind komplexer, hingebungsvoller und gefühlvoller geworden. Frontfrau Ritzy Bryan singt aber immer noch beständig hinreißend gut.

An sich ist eine Weiterentwicklung beziehungsweise ein musikalischer Imagewechsel kein sonderliches Problem, wenn die Qualität stimmt. Bei ‚Hitch‘ ist aber genau dies ein kleines Ärgernis. Vieles an der Platte passt. Gute Melodien, eingängige Gitarren, tolle Solos. Doch partout wird jedes Stück in die Länge gezogen, egal ob es das hergibt oder nicht. Es scheint, als hätte die Band im Songwriting-Prozess eine Wette verloren, die besagt, sie müsse jedes Lied auf über fünf Minuten ziehen. So wirkt das nämlich mitunter.

Leider verliert sich damit jegliche Spannung, die im Kern eigentlich vorhanden wäre. Viel mehr wird der schmale Grad zum gleichgültigen Gedaddel leider nicht nur einmal überschritten. Überall wird noch etwas drangefrickelt, obwohl der Schlusspunkt schon längst hätte gesetzt werden können. Es scheint, als sei die Band an ihren eigenen Ambitionen gescheitert. Das ist bedauernswert, denn mit etwas mehr Frische und Kürze wäre hier ein wirklich tolles Album möglich gewesen.

Higher Power

The Dirty Nil ist ein Trio aus Kanada, das sich dem Classic-Rock verschrieben hat. Krachend und nach vorn preschend geben sich Bass, Gitarre und Schlagzeug die Klinke in die Hand. Ganz nach dem Titel des Albums ‚Higher Power‘ ist das sehr energetisch und aufgeheizt. Eine halbe Stunde lang wird das Rock-Alphabet rauf und runter geträllert bis der Balken kracht.

Wiedererkennungswert hat dabei die Stimme von Sänger Luke Bentham. Der schreit sich heißer, doch stets fühlt man sich an eine bekannte Größe der Rockmusik erinnert: Rivers Cuomo von Weezer. Nur, dass dieser eben in einer College-Punk-Band singen würde. Denn trotz der Roughness von The Dirty Nil schwingt trotzdem eine rotzige in den Songs mit.

Absolutes Highlight ist der Opener ‚No Weakness‘. Die Überraschende Wende nach zwei Dritteln des Songs ist der Höhepunkt des Album. Das ist schade, denn der Rest des Album kann die damit verbundene Erwartungshaltung leider nicht erfüllen. Zwar sind die Kanadier unheimlich engagiert, aber es gibt nur seltene Aha- oder Wow-Momente. Es fehlt das gewisse Etwas, um die Band von anderen Gruppen abzuheben.

Beinah wirkt es so, als sei The Dirty Nil auf der Suche nach einer Identität. Sie sind kein Punk, kein Noise, kein Hardrock, kein Avantgarde. Eher ein Zwischending aus all diesen Richtungen. Dadurch fällt es schwer, vollends begeistert von ihrer Debütplatte zu sein, obwohl durchaus gute Ansätze vorhanden sind.

WE ARE SCIENTISTS – Neues Album im Juni

Lebensmittel sind zum Essen da. Oder auch zum Werfen und zwar am besten ins Gesicht deines Bandkollegen. Das beweisen We Are Scientists im Video ‚Buckle‘. Die neue Single ist aus dem am 3. Juni erscheinenden Album ‚Helter Seltzer‘ ausgekoppelt und besticht mit dem für die New Yorker typisch rockigen Indie-Sound.

Very Rarely Say Die

Man kennt das: Vier Kumpels, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als vor der Küste Frankreichs zu surfen. Irgendwann braucht es jedoch doch mal ein paar frische Mäuse im Portemonnaie und man braucht einen Job. Doch als Surfer muss es ein cooler Job sein, sonst spielt sich nichts ab. Also wechselst du mit deinen Kumpels vom Strand in den Proberaum und gründest eine Band, um deine offenen Rechnungen zu bezahlen.

So soll es sich bei den Sunset Sons angeblich zugetragen haben. Was davon wahr ist oder ob es sich um Seemansgarn handelt, dass kann das Quartett nur selbst beantworten. Fakt ist, dass sich die amerikanisch-australischen Mitglieder tatsächlich beim Surfen in Frankreich angefreundet haben. ‚Very Rarely Say Die‘ ist die erste Platte der Band.

Der Sound ist klassisch rockig angehaucht. Neben dem typischen Gitarre, Bass, Schlagzeug sticht zudem ein Piano ins Ohr. Ein Vergleich lässt sich nur schwer von der Hand weisen: Die Sunset Sons klingen verdammt nach den Kings of Leon. Das liegt vor allem an Sänger Rory, dessen Stimme wahrscheinlich jeden Caleb Followill Imitations-Wettbewerb gewinnen würde. Doch auch die Arrangements der Songs sind den der Kings of Leon frappierend ähnlich.

Es geht sehr poppig zur Sache. Die Stücke sind beinah ausnahmslos für einen seichten Radiosender geeignet, da sich leicht ins Ohr gehen und zum Mitwippen animieren. Die große musikalische Konfrontation mit Sounds oder tiefgründigen Lyrics sind dagegen nicht zu erwarten. ‚Very Rarely Say Die‘ ist einfach ein entspanntes Album, dass auf einer kleinen Welle dahin schwappt. Der große Brecher ist es alles in allem jedoch nicht.

Grasque

Jannis Noya Makrigiannis macht seit 2009 mit seinem Solo-Projekt Choir of Young Believers elektronisch angehauchte Popmusik. Damit ist er in seiner Heimat Dänemark überaus erfolgreich und konnte bereits mehrere Nummer-1-Hits verzeichnen. Sein neuestes Werk ‚Grasque‘ entstand nach einer langen schöpferischen Pause, die er nach seiner Tour 2013 nach einer Überlastung einlegen musste.

Die Konzentration und die Lust auf Musik entstand, als ihm seine Mutter zu Weihnachten einen kleinen Taschen-Sampler schenkte, mit dem er anfangs nur aus Spaß herum spielte. Aus kleinen Musikfetzen bildete er anschließend breitere Collagen, verknüpfte sie miteinander, woraus schließlich die Basis für ‚Grasque‘ entstand. Die Platte ist ein wahres Potpourri der Stile und Einflüsse geworden. Unterkühlte Elektro-Beats werden mit HipHop- , Techno- und R’n’B-Einflüssen verknüpft.

Die Grundstimmung ist sehr harmonisch und aufgeräumt. Nie lässt Jannis Noya Makrigiannis dem Chaos und dem Übermut so großen Raum, das diese eventuell das Kommando übernehmen könnten. Die Remininszenzen an die Electro-Wave der 80er und frühen 90er sind klar zu spüren. Akribisch wabert hier ein Soundteppich über dem nächsten, stets spannend und intelligent arrangiert.

Ab und an ergibt sich der Wunsch, dass Makrigiannis die Finger nicht ganz so oft auf die Stimmeffekte gelegt hätte. Womöglich hätten klare Vocals den Songs mehr Tiefe verliehen. Aber was will man machen? Der musikalische Zeitgeist setzt eben auf diese Technologie, die Choir of Young Believers liefern davon eine starkes Zeugnis ab.

THE JOY FORMIDABLE – Neues Album der Waliser

Wales gilt gemeinhin eher als das Land der verträumten Schlösser im britischen Westen. Doch das aus dem Nebel des walisischen Regens auch tolle Bands hervor treten, beweisen unter anderem The Joy Formidable. Mit ihrem rockig-noisigen Sound ist das Trio längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Am 25. März erscheint ihre dritte LP, die den Namen ‚Hitch‘…

Here’s To Nemesis

Clara Luzia stammt aus dem kleinen Indie-Pop-Rock-Wunderland namens Österreich und reiht sich dort nahtlos ein in der Riege der singenden Fräuleinwunder. Dabei gehört sie eigentlich, überspitzt gesagt, bereits zu den alten Eisen. Seit mittlerweile zehn Jahren und fünf Studioalben bereichert sie die Popwelt der Alpenrepublik.

Auf ‚Here’s To Nemesis‘ setzt sie fort, was sie über Jahre ausgezeichnet hat: Eine bezaubernde Stimme trifft auf flotte, schenkelkloppfende Indie-Melodien. Seichte, leicht tanzende Beats liefern dabei den Rahmen zu einer beschwingten Stimmung, den Clara Luzia über die Boxen trägt. Zwischen Indie-Pop und Folk vermag sich die Österreicherin spielerisch leicht zu bewegen.

Herausragend ist ‚The Drugs Don’t Work‘, das einen nachdenklichen Text in eine gefühlvolle, federleichte Indie-Hymne verwandelt. Die Suche nach dem wahren Leben mit all ihren Unebenheiten verpackt in einen ruhig schaukelnden Dampfer, der sich den Weg durch die Wellen bahnt. Sensibel und klar schlägt sich auch der Rest des zehn Songs umfassenden Albums seinen Weg durch Gefühlschaos und Sinnkrisen.