Marcus

Greatest Hits

Der Titel darf nicht täuschen: ‚Greatest Hits‘ ist keine Sammlung der größten Gassenhauer von The Nouve. Dabei würde sich das eigentlich anbieten, schließlich wurde die Band nach sieben Jahren Schaffensphase im Jahr 2009 zu Grabe getragen. Doch die die Totenruhe hielt nicht auf ewig, denn der Kopf von The Nouve, Robert Nouve, entschloss sich nach Jam-Sessions mit alten Freunden zur Wiederbelebung der Band.

‚Greatest Hits‘ heißt das Ergebnis und ist komplett mit neuen Songs bestückt. Robert Nouve steht seines Zeichens für den praktizierten Depressive Pop, den er unter anderem mit einem Solo-Album 2012 in die Welt entließ. ‚Greatest Hits‘ knüpft daran an, indem es mit tiefen Bässen, ruhigen Arrangements und hallig-traurigen E-Gitarren ins Mark der Hörer trifft. Der resignierend nölende Gesang trägt hier entscheidend bei.

So könnte der Februar-Release auch treffender nicht sein. ‚Greatest Hits‘ ist ein Winter-Album für dunkle Zeiten und nachdenklichere Stunden. Auch wenn es ab und an, wie in ‚What We All Want‘, das von Gastsängerin Ava Bonam wunderbar präsentiert ist, rockiger zugeht, bleibt eine wehmütiger Nachhall. Insgesamt ist The Nouve damit ein solides Comeback geglückt, dem es jedoch ab und zu an Spannung fehlt.

Skeletons

Ein alter Mann erinnert sich an seine früheste Jugend und macht daraus ein Album. Was sich plausibel anhört, ist auch genauso gemeint. Glenn Danzig erweist seinen musikalischen Vorbildern die hohe Ehre und covert zehn Stücke, die aus ihm gemacht haben, was er später wurde und heute ist. ‚Man könnte sagen, dass diese Musik die Grundlage oder das Skelett dessen ist, was ich hörte, während ich aufwuchs. Es ist das Fundament. Wenn man Elvis und Black Sabbath aus meinem Leben reißen würde, wäre ich nicht der Glenn Danzig, den ihr kennt‘, begründet der Meister diese Platte.

Neben besagtem Elvis und Black Sabbath huldigt Danzig unter anderem Aerosmith, den Everly Brothers und den Troggs. Die Songs werden radikal in das Punk-Metal-Genre gepresst. Gewaltige Rythmus-Gitarren, dazu eine fiepend-quengelnde Solo-Gitarre und über allem röhrt Glenn Danzig. Ein Schrei nach Jugend, möchte man fast meinen.

Die punkigen Nummern gehen sich eigentlich gut an, doch die ruhigeren Cover wie ‚Rough Boy‘ von ZZ Top, strapazieren die Nerven doch ein wenig, da Metal knallen und nicht sentimental in den Horizont gejammert sein sollte. Der Clou an ‚Skeletons‘ sollte vermutlich der Sound sein. Das Album präsentiert sich nämlich arg roh und skeletiert. Hier ist nur das dran, was das Gerüst halbwegs zusammenhält. Insgesamt überwiegt ungemischt wirkender Gitarrenmatsch, dumpfe Drums und der zu laute Gesang. Wahrscheinlich soll so der Eindruck einer wilden Demo entstehen, die der junge Glenn in seinen Jugend mit den besten Freunden im elterlichen Hobbykeller eingespielt hat.

Der Ansatz mag vielleicht spannend sein, doch im Endeffekt strapaziert der spezielle Sound den Hörer ziemlich sehr. So kommt wenig Vergnügen auf. Das beweist, dass sich die Jugend eben nicht zurück aus der Vergangenheit holen lässt und am lebendigsten in der Erinnerung weiter lebt.

Catch

Sound: cool. Melodien: catchy. Stil: wild. Stimmung: energetisch. Aussehen: bunt. Befindlichkeit nach dem Hören: ausgelassen, aufgedreht, zufrieden, losgelöst, hibbelig.

Wenn es die Sex Jams nicht schon gäbe, jemand müsste sie erfinden! Rockmusik, die so lässig daher gespielt wirkt und gleichzeitig voller Ideen und Raffinesse steckt, ist eine umwerfende Kombination.

Die Österreicher um Frontfrau Kati Trenk und Gitarren-Hero Wolfgang Möstl beweisen einmal mehr, dass sie zu den spannendsten und kreativsten Musikern der kleinen Alpenrepublik gehören. ‚Catch‘ setzt fort, was die beiden Vorgänger-LPs bereits ausmachte: Herrlich tobende und laute Gitarren à la 90er-Noise-Indie machen jede Menge Krawall in dennoch poppigen Songs. Dafür sorgen vor allem die hängen bleibenden Gesangsmelodien von Kati Trenk.

Hier wabert der Zigarettenauch und die Bierdosen fliegen durcheinander, kein Stein bleibt auf dem anderen. Das macht unheimlich Spaß, gibt Kraft und führt dazu, dass die Haare ein bisschen schneller wachsen, damit sie zu diesem wirbelnden Mix aus Krach und Tanz endlich auch hin und her geschleudert werden können.

As if

Dance und Punk zu verbinden war Anfang der 00er-Jahre die Spezialität der amerikanischen Band !!!. In atemberaubender und beinzuckender Konsequenz lieferten sie wahnwitzige Symbiosen aus harten Gitarren und tanzbaren Beats ab. Die durchgeknallte Mischung lebten sie hemmungslos in teilweise an die zehn Minuten reichenden Songs aus.

Mit ihrem sechsten Studioalbum ‚As if‘ legen die Jungs von !!! nun ihren punkigen Wolfspelz ab und haben sich gänzlich dem Dance-Pop verschrieben. Die Gitarren sind zwar immer noch da, jedoch nicht mehr so verzerrt wie früher. Stattdessen sind nun Synthies und Frauenstimmen in die immer noch alles bestimmenden Beats- und Bassläufe eingearbeitet. Die Disco ist eindeutig in den Focus der Amerikaner gerückt. Das erinnert stellenweise an die überaus poppigen Scicssor Sisters, da Sänger Nic Offer im Vergleich zu früher eine hohe Kopfstimme für sich entdeckt hat.

‚As if‘ ist unheimlich tanzbar und verbindet scheinbar spielend Funk und Disco-Soul, ohne dass es verkrampft oder uninteressant klingt. Die Coolness, die diese Band seit jeher ausgezeichnet hat, bleibt bestehen, auch wenn eine kleine Ecke oder Kante an der richtigen Stelle für noch mehr Reizpunkte gesorgt hätte. Doch für Nic Offer, der eines der letzten beiden verbliebenden Gründungsmitglieder von !!! ist, macht dies gerade die Spannung aus.

‚Jede Band, die ihr sechstes Album veröffentlicht, muss Wege finden, sich ein Stück weit neu zu erfinden – und wir hoffen, dass wir das erreicht haben‘

, sagte er im Interview mit dem Deutschlandfunk. Das ist definitiv gelungen!

Freak

Die Geschichte von Hanoi Jens erscheint wahrlich märchenhaft: Es war einmal ein junger Musik-Nerd aus dem ostdeutschen Städtchen Zwickau. Er spielte in mehreren halbguten, recht unerfolgreichen Bands, ehe er sich dazu entschloss, sich in seinem Proberaum zu verbarikadieren und jede Menge Hits in Eigenregie aufzunehmen. Er tüftelte an Sounds, verschachtelte dutzende Gitarrenspuren und malträtierte das Schlagzeug so lang, bis er tatsächlich HITS in den Händen hielt.

In diesem Bewusstsein drehte er ebenfalls im abgeranzten Proberaum ein Video zu einem Hitsong und schickte diesen von Zwickau ins ferne New York zu einem aufstrebenden Plattenlabel namens Captured Tracks. Auf wundersame Weise muss dort jemand versehentlich den ‚Play‘- statt den ‚Lösch‘-Button gedrückt haben und so kam es, dass die Amerikaner das Album ‚Year of Panic‘, damals noch unter dem Namen ‚Hanoi Janes‘ veröffentlichten.

Was folgte, war eine Welle der Liebe für Jens! Er wurde auf Pitchfork gehyped, erhielt Angebote seine HITS an die Werbung oder die Computerspielindustrie zu verkaufen. Schließlich wurde er sogar aufs renommierte Primavera-Festival nach Barcelona eingeladen. Kurzerhand schnappte er sich dafür einen alten Tattergreis am Bass und einen bärtigen Hafenarbeiter für die Drums, jettete nach Katalonien, lieferte amtlich ab und kehrte auf der Schwelle zum Superstar zurück in die Heimat.

Wofür sich andere Musiker wahrscheinlich eine Hand abhacken würden, war jedoch nichts für Jens. Der sagte überraschend alle Termine ab, zog sich zurück und blieb seitdem musikalisch stumm. 2010 trug sich all dies zu und nach der langen Zeit der Ruhe, hat sich Jens, der eigentlich Oliver Scharf heißt, nun neu erfunden. Wahrscheinlich geschah es beim Dartsspielen, beim Löten einer Uhr, beim Skat, beim Ziggi-Smökern, beim Chillen an einem Beach der Côte d’Azur oder während eines Brauereifests, als Jens sich entschied, Hanoi Janes aufzugeben und als Hanoi Jens neu geboren zu werden. Fortan, so der Plan, würde er auf deutsch singen.

Abermals verkroch er sich monatelang in die Hitschmiede und bastelte an seinem großen Comeback. Das steht nun bereit, der rote Teppich ist ausgerollt. ‚Freak‘ heißt das Werk und beginnt, wie sollte es beim Jensman anders sein, mit dem Titel ‚Partyende‘. ‚Und ich wusste wie die Party endet / Du warst weg und es hatte Gründe / Zum Beispiel mein Gesicht und wie ich rede und wie ich mich anzieh und wie ich mich bewege‘. Äußerst depressive Texte zu tanzbaren, durchgeknallten Gitarrenriffen sind ein Kniff, den schon Popmusiker der 80er Jahre aufs Vortrefflichste beherrschten.

‚Freak‘ ist ein vielschichtiges, detailversessenes Tanz-Schranz-Album geworden, das vor Ideen überquillt. Ausufernde Beats duellieren sich mit Gitarrensoli und Synthie-Schwüngen. Jens beweist mit der Platte, dass er immer noch jede Menge Pepp und Hummeln im Hintern hat. Zum Experiment mit den deutschen Texten lässt sich sagen, dass es gelungen ist. Trotz der sentimentalen Stimmung, kommt nicht das Gefühl auf, sich hier fremdschämen zu müssen. Der Weg zum Ruhm kann also aufs Neue beginnen. Bleibt nur noch festzuhalten: Der Jens ist und bleibt eben ein Tausendsassa!

The Agent Intellect

Detroit ist die Heimatstadt der Band Protomatyr. Die einstige Metropole hat ihre beste Zeiten durch den Niedergang der amerikanischen Automobil-Giganten hinter sich. Den Zusammenbruch der Stadt besangen zu Beginn des Jahrtausends beispielsweise die White Stripes eindrucksvoll in brachialem Schmerz. Nach dem Schock des Zusammenbruchs beginnt Detroit sich mittlerweile allmählich neu zu erfinden. Ganze leerstehende Stadtteile werden abgerissen und durch innovative, grüne Parks ersetzt. Viele alternativ und künstlerisch angehauchte Menschen zieht es aufgrund günstiger Mieten und jeder Menge Platz zurück nach Motor-City.

Dieser Aufschwung ist auch in ‚The Agent Intellect‘, dem dritten Album von Protomatyr nicht zu überhören. Während die Detroits Musik-Helden, wie bereits besagte White Stripes oder MC5, für ihren bluesigen und donnernden Sound bekannt waren, schielen Protomatyr über den großen Teich. Ihre Vorbilder sind unverkennbar die britischen Bands Ende der 80er Jahre. Grelle Gitarren unterstützt von einem markanten Bass bilden das Gerüst des Quartetts. Ganz ähnlich machten das schon Gang of Four, The Fall oder auch Joy Division.

Doch ‚The Agent Intellect‘ ist ganz gewiss mehr als nur eine Hommage an die Ahnen der Indie-Musik. Besonders die markante Stimme von Sänger Joe Casey gibt dem Ganzen einen völlig eigenen Drive. In seiner Weise unüberdreht, vermag er durch seine stimmliche Präsenz mitzureißen. Das sind gehauchte Schreie tief aus dem Kehlkopf, die den teilweise hymnischen Gitarrengeschwader eine enorme Tiefe geben.

Im Opener ‚The Devil In His Youth‘ gibt es bereits den ersten Aha-Effekt, wenn sich über eine einsame Gitarre plötzlich Casey einklinkt und sich tief brummend zu Wort meldet. Mit den einsetzenden Drums stellen sich schließlich die Härchen im Nacken auf. Das Gleichgewicht zwischen diesen Nüchternheit und den brodelnden Instrumenten bleibt über die volle Distanz gewahrt.

Metaphorisch auf Detroit betrachtet ist die Stimmung der Platte nach vorn gerichtet. Die Verluste sind noch gut in Erinnerung und wirken nach, doch aus den Ruinen erhebt sich etwas, das die Vergangenheit noch nicht abgeschüttelt hat, aber bereit für eine fröhliche, neue Zukunft ist.

Out

Mäander, Täler, Durststrecken, Explosionen und ein bisschen Trompete. Die Landkarte des dritten Album ‚Out‘ der Nerven ist schwer zu lesen, da sie vor lauter Emotionen und Extremen völlig zerrissen und zerknittert ist. Verzweiflung ist hier in tanzbarer Düsternis dargeboten, die sich jedoch in Windeseile in gelähmte Sprachlosigkeit verwandeln kann, wenn das Hirn plötzlich verarbeitet, was die Texte dort herausbrüllen. Nein, Die Nerven spielen hier nicht, sie leben das alles mit Haut und Haar. ‚Und wie man fliegt hast du verlernt‘ heißt es in ‚Wüste‘. Während es dazu an allen Ecken und Ende scheppert, ist der Gesang so intensiv nüchtern resignierend, dass es einem eiskalt den Nacken herunterläuft.

Überhaupt ist dies das Prinzip, das auf ‚Out‘ konsequent verfolgt wird. Die Stücke entfalten sich langsam, bäumen sich bedrohlich auf, explodieren in größtmöglicher Wucht, fallen in sich zusammen, recken sich in einem irrwitzigen Kraftakt ein letztes Mal in den Weltraum, ehe das Ganze von neuem beginnt. Zehn Akte bietet dieses Drama voller Zorn und Verdruss, doch zu keiner Sekunde wird die Wiederholung langweilig. Es ist aufrüttelnd, wenn sich die unglaublich schneidige Gitarre von Max Rieger in die vor Druck überschäumenden Schläge von Drummer Kevin Kuhn wirft, nachdem zuvor Bass und Sprechgesang hypnotisch zusammen Hand in Hand gegangen sind.

Die Nerven präsentieren hier echte Wut. Der zusammengeworfene Stadthaufen Stuttgart-Esslingen, mit all seinen gekünstelten Karosseriebauer-Wappen, Einfamilienfestungen und perfekt getrimmten Rasenflächen ist für die Band kein Heimathafen. Die Feststellung

‚Ich gehe barfuß durch die Scherben, ohne mich zu verletzen‘

aus der ersten Single ‚Barfuß durch die Scherben‘ ist anklagend und überlebensbejahend zugleich. Der nichtssagende, mitlaufende Dreck, den die Masse hinterlässt, kann gar nicht so auswuchernd sein, dass er alle Andersdenkenden unter sich begräbt.

In ‚Out‘ setzt sich demnach auch ein großer Teil Trotz durch:

‚Du erkennst mich schon von Weitem, die Unschuld in Person / Ein Schatten auf den Straßen, ein dissonanter Ton‘

. Es ist müßig, weitere Zitate aus ‚Out‘ herauszusuchen, da sie in überbrodelnder Dynamik in allen Liedern zu finden sind. Hier fällt nichts ab, im Gegenteil: ‚Out‘ wird mit jeder Sekunde größer, weil es in gewaltiger Intensität gegen den Kopf pocht. Und wer das Fanal des Ausbrechens immer noch überhört hat, dem säuselt als Sahnekirsche noch eine alarmierende Trompete in die Ohren.

In ‚I Phone‘ windet sich über Minuten die Zeile

‚Das alles ist nicht echt‘

unglaubwürdig in den Hall. Doch, es ist alles echt! Was hier passiert, ist echt, mit allen Nebenwirkungen. Für die Platte ist das ein Glücksfall. Für die Realität, die in dringlichster Weise besungen wird, leider nicht.

No Star

Aller guten Dinge sind drei! Das dritte Machwerk der Band Suralin vereinigt alles, was die beiden Vorgänger schon so unnachahmlich und mitreißend gemacht hat: ungemein treibende Bassläufe, ein staubtrockenes Schlagzeug, der gefühlvolle Gesang von Alexander Warnke und Gitarren, die in bester ‚Jekyll-und-Hyde‘-Manier von feingliedrigen Melodien in halsbrecherische Monster-Noise-Wände stürzen.

Die vier Chemnitzer werfen von der ersten Sekunde des Titeltracks ‚No Star‘ Detailversessenheit und das besondere Gespür für Melodien ohne Langeweile in die Waagschale. Hier wird sich nicht an einem Riff der Finger wund gebügelt, stattdessen geht es hin und her, ohne dass es an einer Stelle zum Verlust der Übersicht und Kontrolle kommt. Das ist eine wahre Meisterleistung, denn gerade die beiden Gitarren spielen miteinander Katz und Maus. Dennoch führt diese wilde Zick-Zack nicht zu Kopfschmerzen.

Für Harmonie sorgen die Vocals, die durch ihren leichten Hang zur Kopfstimme selbst in der stürmischsten Brandung wie ein unerschütterlicher Ruhepol wirken. Die erste Hälfte des Album drückt unnachgiebig nach vorn und findet in ‚Sirens and Dissonance‘, dem heimlichen Hit von ‚No Star‘, seinen Höhepunkt. In der Folge sind die Songs ein wenig gesetzter und haben in ‚Salvation‘ eine an Britpop anmutende Hymne zu bieten.

Für den richtigen, prägnanten Sound sorgte nicht zuletzt die Produktion von Wolfgang Möstl, seines Zeichens österreichischer Gitarrenheld, der es einfach versteht, einen süchtig machenden Gitarrenklang zu zaubern. In dieser Kombination ist ‚No Star‘ ein klares, facettenreiches Rock-Pop-Krach-Album geworden, das an den richtigen Stellen rasant aufdreht und trotzdem den Sinn für punktuelle Zurücknahme nicht aus den Augen verliert.

Keep The Village Alive

Was wären die Stereophonics für einen tolle Band, wenn der Britpop nicht schon vor mehr als 20 Jahren erfunden worden wäre. Kelly Jones knisternde Raspelstimme, große Hymnen, prägnanter Gitarrensound, hier und da eine kleine Orgel, Piano oder Orchesterparts. Es würde Lob von allen Seiten hageln, die Band könnte sich vor Preiauszeichnungen kaum retten, die vollen Stadien zu Konzerten würden überquillen.

Nun ist es aber so, dass der Britpop eben um das Jahr 1995 im Zenit stand und ‚Keep The Village Alive‘ von den Stereophonics im Jahr 2015 gewissermaßen eine Ansammlung von Best-of-Pritpop-Stücken ist. Die Reminiszenzen springen förmlich von der Platte ins Ohr. Eine Prise Oasis-Riff mit einem kräftigen Blur-Basslauf, geköchelt mit Suede-Roughness und garniert mit Manic Street Preachers-Gesang – fertig ist das Album. Das ist keineswegs schlecht, aber haut niemanden vom Hocker, weil es kaum überraschen kann. Irgendwie fühlen sich die Songs bekannt und vertraut an, obwohl es doch brandneu ist.

Das ist seither das Problem der Stereophonics, die gute Platten abliefern, aber nie an die großen britischen Vorbilder heranreichten oder sie gar übertreffen konnten. Dabei gibt es die Londoner Formation auch schon fast 20 Jahre. ‚Keep The Village Alive‘ streckt sich wirklich nach Kräften, ist ambitioniert und detailreich produziert, dennoch umweht das Ganze einen Hauch von Belanglosigkeit.

Das ist durchaus nicht unbedingt negativ gemeint, denn es tut keinem weh. Problemlos könnten die 10 Songs nacheinander im Radio laufen und man würde sich vielleicht sogar beim Mitwippen ertappen. Aber würde man für eines der Lieder zum Telefon greifen und den Sender bitten, einen der Songs nochmal zu spielen? Wahrscheinlich nicht.