ToTeM
Nur selten passiert es, daß man nach dem ersten Kontakt mit einer Band sprachlos ist. Man hat als Musikfan ja im Prinzip alles schon mal gehört. Oder zumindest fast… Die Spanier Pervy Perkin machen es einem auf ihrem zweiten Album „ToTeM“ nämlich nicht leicht, die richtigen Worte zu finden. Versuchen wir’s trotzdem…
Die Basis der Musik ist im Prinzip klassischer Progrock mit leichtem Metal-Einschlag, durchaus vergleichbar mit, sagen wir mal, Haken. Doch schon im Opener ‚I Believe‘ finden sich weiterhin Elemente aus World Music, New Wave, Synthiepop, ein wenig Dream Theater-kompatibles Gefrickel und Devin Townsendsche Breitwand-Spacechöre. Dabei handelt es sich noch ums gewöhnlichste Stück Musik, das die Jungs im Angebot haben. Das viel zu kurze Instrumental ‚The City‘ – eines von vier Zwischenspielen – erinnert an Giorgio Moroders Soundtrack zu „Cat People“. Soweit, so gut, aber wenn das folgende ‚KountryKuntClub‘ die düster-psychotische Atmosphäre ruhigerer Faith No More-Nummern mit Gogol Bordello – Feierwahn paart, könnte für konservative und humorlose Progheads schon Schluß sein.
Ja, Stichwort Humor… Eine der Stärken von Pervy Perkin ist der völlig unverkrampfte Wechsel von emotionalen Gänsehautmomenten zu derben Metalriffs, bombastischen Soundscapes und eben absolutem und schamlosem Kasperletheater, ohne dabei jemals den Eindruck von Stückwerk zu erwecken. Das hat seit Frank Zappa vermutlich niemand mehr so selbstverständlich und vor allem schlüssig hinbekommen. Trotz aller Kanten bleibt nämlich alles wunderbar flüssig, jeder stilistische Bruch macht Sinn und die Melodien bleiben tatsächlich ohne Eingewöhnungsphase im Ohr kleben. Das 26-minütige ‚Mr Gutmann‘ ist vermutlich der Höhepunkt und in jedem Fall das Aushängeschild der Scheibe. Außer den bereits erwähnten Elementen und dem deutlichen Zappa-Einschlag gesellen sich nun noch Elemente von Waltari, Ska, Disco-Funk, Tom Waits, Achtziger-Jahre-Yes und –Rush sowie, ähem, Weird Al Yankovic und der Sesamstrasse hinzu. Ja, und garstige Black-Metal-Screams gibts kostenlos obendrauf. Schlicht und einfach genial…
Danach wird’s mit ‚The Sound‘, ‚Hypochondria‘ und ‚The Void‘ gar noisig-lärmig! Doch bevor alles zu anstrengend wird, beginnt der Abschlusstrack ‚T.I.M.E.‘ mit waschechten Hollywood-Soundtrack-Schnulzenklängen à la Disney – nur um sich in eine pure Zwanzig-Minuten-Progmetal-Achterbahnfahrt zu verwandeln. Und da sind auch die 79 Minuten der Scheibe vorbei – und man muss von vorne beginnen, weil bereits die ersten Suchtanzeichen eintreten.
Ja, „ToTeM“ ist eine Scheibe wie ich sie bislang noch nicht gehört habe. Trotz aller obiger Vergleiche stehen Pervy Perkin nämlich in jedem Fall stilistisch absolut auf eigenen Füßen. Eine Zielgruppe zu finden, dürfte wohl schwer werden – aber Devin Townsend-Fans (vor allem die der Ziltoid-Scheiben) sollten hier auf jeden Fall zugreifen, genauso wie aufgeschlossene Progger und Zappa-Verehrer. Eines der bisherigen Jahreshighlights und definitiv Eure Unterstützung wert!
(geschrieben von Sascha Glück)