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NOISEHAUSEN FESTIVAL – Vom Schlagerstrudel in die Regenschlacht in den Dauer-Moshpit (Teil 2)

Tag 3: Circle Pits für alle!

Die Klamotten sind getrocknet, die müden Knochen ausgeruht, die Schuhe geföhnt – es kann weitergehen mit Tag 3 des Noisehausen Festivals! Auf der Agenda steht heute fast ausschließlich Punkrock. Der Tag verspricht also laut, politisch und energiegeladen zu werden.

Los geht’s aber erst mal mit ruhigeren Indie-Tönen von Janik Elijah, die bereits für gute Stimmung sorgen. Mit Flyswatter betreten im Anschluss echte Altpunks die Hawkins Stage. Hier wird nicht lange gefackelt, es geht mit steilen Uptempo-Riffs los, und die ersten Hardcore-Fans sind ab Takt eins mächtig am Moshen. Auf der Backyard Stage setzt sich das bei den Lokalhelden von Joe Leila direkt fort. Vor der Bühne ist kaum noch Platz, und Schrobenhausen feiert seine Rocker ekstatisch. Hier bleibt niemand still stehen, zum Ausruhen ist schließlich irgendwann später vielleicht Zeit.

Aber nur vielleicht. Denn auf der Hawkins Stage geben sich nun Acht Eimer Hühnerherzen die Ehre. Straighter Nylonsaitenpunk mit Attitüde trifft auf ironisch-hintersinnige Texte, lässig vorgetragen von Frontfrau Apocalypse Vega. Nummern wie „Gesellschaftstanz“, „Zack zack zack“ und „Mittelmaß“ nehmen die Menge von Anfang an mit. Kurz durchschnaufen, bevor auf der Backyard Stage Se Vende Rincon ordentlich Gas geben. Die Punk-Combo aus Puerto Rico und New York lässt nichts anbrennen und reißt in rund 45 Minuten die Hütte ab. Atemlos durch den späten Nachmittag, sozusagen …

Auf der Hawkins Stage macht sich währenddessen der von vielen Anwesenden heiß erwartete Betterov für seinen Auftritt fertig. Der Musiker, der es sich zwischen Indierock und Pop Noir gemütlich macht und während dieser bescheuerten Pandemie-Sache auf TikTok durch die Decke ging. Er begeistert seine Fans mit tiefgründigem Indie-Rock: Ganz ohne großen Bühnenaufbau, ohne viel Tamtam, immer umweht von einem Hauch Melancholie. Vor der Bühne sammelt sich schnell ein Fanblock, der Titel wie „Nacht“, „Berlin ist keine Stadt“ oder „Dynamit“ leidenschaftlich mitsingt. Vollkommen zurecht wird der Berliner so hoch gehandelt, das hat er eindrucksvoll untermauert.

Die Spannung steigt

Allmählich elektrisiert sich die Luft, die Anspannung wird fast fühlbar, denn bald ist es so weit: Der erste Headliner des Abends ist in Kürze dran. Pascow haben sich auf den Weg nach Schrobenhausen gemacht, um beim Noisehausen die Punkrockphase einzuläuten. Eine Pogo-Party, bei der sich selbst solide gefertigte Springerstiefel zwangsläufig in Wohlgefallen auflösen. Gut, eine Sohle hat man sich schon mal lösen gesehen, aber direkt alle beide? Gleich zu den ersten Akkorden von „Himmelhunde“ explodiert der Moshpit förmlich, der zu gegebener Zeit zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk ins Zirkeln übergeht.

Wenn Apocalypse Vega schon vor Ort ist, muss sie natürlich bei „Königreiche im Winter“, wie schon auf Sieben, mitsingen. Die weiteren weiblichen Gesangsparts übernimmt Hanna Landwehr, die stimmstark unterstützt und den Titel „Wunderkind“ solo auf der Akustikgitarre darbietet. Gänsehaut pur, und ein kurzer Moment zum Durchschnaufen und Energie sammeln, bevor es mit „Silberblick & Scherenhände“ oder „Daniel & Hermes“ Vollgas weitergeht.

Pascow liefern ihren zahlreich angereisten Fans auf jeden Fall die Show, die sie verdient haben: Voller Körpereinsatz sämtlicher Musiker, unfassbar explosive Energie und ein Feuerwerk an Songs aus 25 Jahren Bandgeschichte, darunter Perlen wie „Monde“, „Mailand“ und den Schlusssong „Trampen nach Norden“. Jetzt heißt es nochmal alle Kräfte mobilisieren, damit noch etwas für den Endspurt mit den Donots übrig bleibt.

Auf sie mit Gebrüll!

Das Grande Finale dieses Festival-Wochenendes gebührt den Godfathers of Provinzpunk, den Sportgitarrenhelden aus Leidenschaft, dem Quintett infernale: den Donots. Die Ibbenbürener sind inzwischen zum sechsten Mal für einen Gig in Schrobenhausen am Start. Doch bevor sie in Anekdoten aus zwei Jahrzehnten schwelgen und Frontmann Ingo sich entschließt, als Bürgermeister zu kandidieren, gibt’s erst mal auf die Zwölf. „Auf sie mit Gebrüll“, „Calling“ und „Dead Man Walking“ eröffnen den munteren Pogo-Reigen.

Was sich dann entspinnt, ist die bewährte Mischung aus (Selbst)Ironie, Songs mit allerlei Zwischentönen und purer Freude an der Sache. Vor der Bühne ist ordentlich Alarm, ein Circle Pit jagt den nächsten, und die Menge hat genauso viel Spaß wie die Musiker auf der Bühne. Da stört es auch nicht, dass mal ein Einsatz verkackt wird oder Ingo statt Text einen Lachanfall ins Mikro rotzt.

Immer wieder unterbrechen einige skurrile Zwischenfälle die Show. Ein Handy, das den Weg zur Bühne findet, wird wieder mit seinem gerührten Besitzer vereint. Als ein einsamer Schuh vor Ingos Füßen landet, erlebt das Noisehausen Festival seinen wohl ersten Aschenputtel-Moment: Als der Inhaber der Fußbekleidung ausfindig gemacht ist, darf er sich seinen Sneaker von Prinz Ingo höchstpersönlich anziehen lassen – nur, um ihn beim Eintauchen in die Menge erneut zu verlieren. Da der Schuhbesitzer das Eintauchen in die Menge aber formidabel verkackt, gab es wohl den ersten und einzigen Eiskönigin (Ja, richtig, Disney!) eines Donots-Konzertes als Ingo „Lass mich Los“ anstimmt um die Situation zu untermalen.

Ein bisschen Musik gab’s ganz nebenbei auch noch. Unter anderem hatten die Donots Klassiker wie „Whatever Happened to the 80s“ und „Saccharine Smile“ dabei. Mit „Lauter als Bomben“, „Hunde los“ und „Augen sehen“ war selbstverständlich auch Neueres und Neuestes geboten. Der Zugabenblock glänzte mit „Problem kein Problem“, „We’re Not Gonna Take It“ und dem jedes Mal Gänsehaut verursachenden „So Long“ zu einem Lichtermeer aus Handytaschenlampen. Hach.

Mit einer a cappella singenden Menge geht das Noisehausen Festival 2023 zu Ende. Wieder einmal ist es Andi Baierl und seiner Crew gelungen, etwas ganz Besonderes zu schaffen. Das wussten auch die Künstler zu würdigen, denn ausnahmslos jede Band ließ es sich nicht nehmen, sich herzlich bei Andi und seinem Team für die tolle Organisation und das familiäre Drumherum zu bedanken. Dem können wir uns nur anschließen und sagen: Peace, Love & Rock ‘n‘ Roll – wir sehen uns 2024!

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Text & Fotocredit: dieChris & Melanie

Fotocredit Titelbild: Ulrich Hilbel

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