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Perceptions

Bereits Charles Dickens beschrieb in „Große Erwartungen“, einem Klassiker der englischsprachigen Literatur, was alles schief gehen kann, wenn Menschen zu viel auf eine Karte setzen und unterschiedliche Interessen kollidieren. Ebenso machen es Cadet Carter auf ihrem Zweitling „Perceptions“ (Uncle M / Cargo Records): die Münchner Indie-Emo-Pop-Punks rechnen mit den Erwartungshaltungen ab, die ihnen bisweilen das Leben schwer machen – seien es die eigenen oder die Dritter.

Im Grunde hat sich Frontmann und Gitarrist Nick Sauter beim Texten für die Platte einmal seinen gesamten Frust von der Seele geschrieben. „A Bad Few Weeks“ ist ein Song, der während einer dunklen Phase im Leben des Sängers entstand und davon handelt, wie bescheiden das Leben manchmal laufen kann – und dass es sich lohnt, sich aufzuraffen und weiterzumachen. Hier wie auf fast dem gesamten Album stehen Lyrics und Musik im Kontrast zueinander: Während es textlich eher düster und nachdenklich zugeht, reißen die packenden, schwerelosen Sounds die HörerInnenschaft mit.

Überhaupt gönnen sich Cadet Carter auf „Perceptions“ eine hübsche musikalische Bandbreite. Es darf dengeln, es darf schrammeln, es darf rocken, es darf aber auch mal melancholisch-sphärisch („Hold Me Down“) oder mit dezenten Pianoklängen untermalt („End / Begin“) zugehen. Klar ist: Die Platte war kein Schnellschuss, sondern ist das Ergebnis eines Reifungsprozesses. Nicht die erstbesten Songs haben es aufs Album geschafft, sondern die, hinter denen die Band steht – und die für die Band sprechen. Beliebigkeit ist einfach nicht das Ding des Quartetts.

Fans der energiegeladeneren Gangart werden anmerken, dass die Scheibe ein bisschen mehr Punk und einen Ticken weniger Emo bieten dürfte. Die leiseren Tracks nehmen das zuvor gut aufgenommene Tempo raus – ein bisschen, als ob sie an der Reißleine ziehen wollten, bevor der Übermut zu groß wird. Denn wir alle wissen: Im Rausch der Euphorie sind dumme Entscheidungen schnell getroffen. Und zack! Sind die Erwartungshaltungen an sich selbst wieder enttäuscht.

Mit „Perceptions“ liefern Cadet Carter ein musikalisch vielschichtiges und ausgereiftes Album, das sich seinem Kernthema aus den unterschiedlichsten Perspektiven nähert. Eine Handvoll mehr positive Vibes hätten der Platte sicher nicht geschadet, würden aber vermutlich der Intention der Band querschießen. Halten wir es zum Abschluss mit Dickens: Es mag seitens der AnhängerInneschaft große Erwartungen an die zweite Platte gegeben haben. Diese wurden definitiv nicht enttäuscht, manch einer wird sie allerdings nur zu 90% erfüllt sehen. Eine Quote, mit der die Band sicher gut leben kann.

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