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The Final Countdown 30th Anniversary Show – Live At The Roundhouse

So sicher wie das Amen in der Kirche folgt nach jedem Europe-Album eine Livescheibe. Zählt man die Deluxe-Version des letzten Albums „War Of Kings“ mit dem 2015er Wacken-Gig als Bonus hinzu, gibt’s hier bereits das zweite Livezeugnis seit erwähntem Studioalbum. Aber, der Titel verrät es ja: es war das dreißigjährige Jubiläum der Hitscheibe „The Final Countdown“, die zu diesem Zweck für eine Handvoll Gigs in voller Länge und ursprünglicher Reihenfolge live gespielt wurde.

Nun haben Europe ja seit ihrem Comeback ganz bewußt Wert darauf gelegt, nicht zur Oldie-Jukebox zu verkommen. Und so gab’s bei der Jubi-Tour neben dem alten Klassiker eben auch das komplette „War Of Kings“-Album. Genau das findet man auch auf diesem Mitschnitt, zwei komplette Alben am Stück und keine Songs aus dem Restkatalog. Somit ist der Appeal für Gelegenheitsfans eher limitiert, als Einstiegspaket empfiehl sich eher „Live At Sweden Rock“-Album. Leider wirkte sich die Aufteilung auch auf die Stimmung aus. Zwar spielen Europe immer zu zwei Dritteln Material ihrer jüngeren Vergangenheit, bei regulären Gigs wechseln die sich aber immer wieder mit Crowdpleasern wie ‚Scream Of Anger‘ oder ‚Superstitious‘ ab, die hier fehlen. In der guten Stunde mit ausschließlich „War Of Kings“-Material mag im Publikum keine rechte Stimmung aufkommen. Europe nach 2005 klingen düsterer und eben auch weit weniger melodisch als auf ihren alten Scheiben, und mit wenigen Ausnahmen wie dem Thin Lizzy-mäßigen ‚Days Of Rock’n’Roll‘, dem knackigen Uptempo-Opener ‚Hole In My Pocket‘ und dem epischen ‚Children Of The Mind‘ gibt es eher Höflichkeitsapplaus als echte Begeisterung. So sehr es Europe ehrt, musikalisch vornehmlich im Heute zu leben, so kann eben doch – wie auch beispielsweise bei Journey oder Magnum – im Direktvergleich nicht jeder der neuen Songs mit den Songwritingqualitäten der Klassiker mithalten.

Das ändert sich freilich in der zweiten Hälfte. Entsprechend kommt für die folgenden 45 Minuten auch augenblicklich Bewegung in die Hütte, vom ersten Ton wird alles abgefeiert und mitgesungen. Ob die Singlehits ‚The Final Countdown‘, ‚Rock The Night‘, ‚Carrie‘ und ‚Cherokee‘ oder Albumtracks wie ‚Danger On The Track‘, ‚Heart Of Stone‘, oder die viel zu selten gespielten ‚Ninja‘ und ‚On The Loose‘ gehören eben zum Besten, was an der Schwelle von AOR und Hardrock je aufgenommen wurde und haben auch nach dreißig Jahren ihren Reiz noch nicht verloren. Vor allem, weil Europe nach wie vor eine der mitreißendsten Livebands des Sektors sind. Joey Tempest ist die schiere Definition des Begriffs „Rampensau“ und klingt im Gegensatz zu vielen gleichaltrigen Kollegen immer noch unverkennbar wie er selbst, auch wenn er dieses Mal den einen oder anderen hohen Ton unterschlägt. Haugland und Leven sind ein perfekt eingespieltes Rhythmus-Team und Mic Michaeli schon immer einer der unterbewertetesten Keyboarder der Szene, der eigentlich in einer Reihe mit Tony Carey, Don Airey oder Ken Hensley genannt werde müsste. Gitarrenheld John Norum rundet die Geschichte mit einer perfekt ausbalancierten Mixtur aus melodisch, aggressiv und gefühlvoll ab und erinnert dabei nicht selten an den 2011 verstorbenen Kollegen Gary Moore. Nach ‚Love Chaser‘ und einer ‚The Final Countdown Reprise‘ (zwei Refrains…) gibt’s dann zwar eine begeisterte Meute, aber keine Zugaben – leider nicht einmal die konzeptionell passende und ziemlich geniale B-Seite ‚On Broken Wings‘.

Langjährige Fans der Band – und für die ist diese Veröffentlichung mit Sicherheit auch in erster Linie gedacht – können hier bedenkenlos zugreifen, aber unter den Europe-Livescheiben ist die Vorliegende eher in der zweiten Reihe anzusiedeln. Auch der Sound hätte gerne ein wenig gitarrenlastiger – so wie z.B. auf „Live At Shepherd’s Bush“ oder der erwähnten Sweden Rock-Referenzscheibe – sein können. Dennoch fraglos schön, das jenseits der Singlehits lange von der Band ignorierte „The Final Countdown“-Material mal wieder live zu hören, und schlecht ist das „War Of Kings“-Material ja auch beileibe nicht. Die Worte „Europe“ und „Live“ versprechen eben einfach immer großartiges Entertainment, und da macht auch „The Final Countdown 30th Anniversary Show – Live At The Roundhouse“ trotz diverser Kritikpunkte keine Ausnahme.

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