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Never Meant To Last

Als ich vor Kurzem beiläufig durch den neusten Angebotskatalog im Bereich Punk und Hardcore blätterte, staunte ich nicht schlecht. Dort war doch tatsächlich ein neues Album von den Ryker’s aufgeführt. ‚Die gibt’s noch?‘ war mein erster Gedanke. Ja, es gibt sie noch und passend zu meiner spontanen Reaktion lautet der Name der neuen Langspielplatte auch ‚Never Meant To Last‘. Wer mit dem Namen Ryker’s nichts anfangen kann, der hat mit Hardcore entweder nichts am Hut oder ist schlicht und einfach zu jung. Während in den Neunzigern Sick Of It All, Madball und Agnostic Front von New York aus in der Szene den Ton angaben, waren die Ryker’s aus dem hessischen Kassel die einzige ernstzunehmende deutsche Hardcore-Band auf internationalem Parkett. Eine echte Institution – lange bevor Berliner Proll-Core hierzulande das Ruder an sich riss. Laut, zornig, New-York-Style, mit einer würzigen Thrash-Metal-Note.

Persönlich verbinde ich mit den Ryker’s nicht weniger als meinen Einstieg in die wunderbare Welt des Hardcore. Entsprechend nahe liegt mir die Band auch am Herzen. Umso überraschter war ich, als ich feststellen musste, dass ‚Never Meant To Last‘ nicht die erste Neuveröffentlichung der Truppe war, sondern bereits im letzten Jahr ein Album namens ‚Hard To The Core‘ erschien, das vollkommen an mir vorüber ging. Weiterhin verblüffte mich die Erkenntnis, dass außer Bassist Chris niemand mehr zur Originalbesetzung gehört und sogar Sänger Kid-D die Band mittlerweile aus persönlichen Gründen verlassen hat. Diesen gewichtigen Part übernimmt nun Dennis, ein guter Freund der Band und seines Zeichens auch kein unbeschriebenes Blatt. Als Frontmann der zweiten legendären Kasseler Band Brightside, gehört er quasi zum Veteranenkreis der ‚Kassel-Crew‘ und ist, zumindest was den ‚Spirit‘ angeht, wahrscheinlich der beste Mann für diesen Job. Bekannt sein dürfte er außerdem durch seine Projekte Still Screaming und Tausend Löwen Unter Feinden. Aber reicht das, um den Wiedererkennungswert zu erhalten? Oder ereilt Ryker’s das gleiche Schicksal wie seinerzeit Sepultura?

Nun ja, irgendwie schon aber ganz so schlimm ist es dann auch nicht. Beim Anhören des Openers ‚My Demons‘ konnte ich mir ein Grinsen jedenfalls nicht verkneifen, klingt der Song doch 1A nach einer gewissen anderen Band aus Kassel und das liegt nicht nur am neuen Sänger. Ein Undercover-Brightside ist die neue Scheibe allerdings nicht, was nicht zuletzt an der gewaltigen Portion Thrash-Metal liegt, die einem im Verlauf der vierzehn Tracks um die Ohren gehauen wird. Die Einleitung zu ‚The Tenth Level‘ erinnert frappierend an Machine Head und auch für ein zwanzigsekündiges Solo ist man sich nicht zu schade. ‚The Downfall‘ ist die reinste Metalcore-Granate mit einem Mittelteil, der direkt aus Sepulturas Arise-Album hätte stammen können. Freunde des New York Hardcore bleiben jedoch nicht auf dem Trockenen sitzen. ‚Back In The City ist einer dieser Songs, die einen anhand der Songstruktur und lautstarker Gangshouts sogleich an einschlägige Bands dieses Genres erinnern. In diese Kategorie fällt auch ‚The Outcast’s Voice‘, mit seinem eingängigen Singalong-Refrain und einem kongenialen Outro, das einem im Gehörgang bleibt. Um diese Wurzeln noch zu unterstreichen, gibt es auf der Scheibe gleich drei Gastauftritte. Mike Dijan von Crown of Thornz und Skarhead unterstützt in ‚Fair Play Overrated‘, Craig Ahead von Sick Of It All leiht seine Stimme bei ‚Distractions‘. Der Gesangs-Part in ‚We Ain’t Going Away‘ kommt komplett ohne Dennis aus und wird stattdessen von Scheisse Minelli Frontmann Samuel L. Action übernommen. Ein ganz schönes Aufgebot fahren die Kasseler da in ihrem zweiten Comeback heran! Mit seinen dramatischen Voice Samples aus Nachrichtensendungen vor dem Hintergrund heftiger Gitarren-Riffs, fällt auch das Instrumentalstück ‚The Age Of… ‚ in die Kategorie, ‚Dinge, die man seit der Jahrtausendwende nicht mehr hört‘. No school like the old school. Vollkommen aus der Rolle fällt hingegen der gemächliche Akustik-Track ‚Cowboy Song‘ am Ende der Platte, der nach all dem Geprügel wahrscheinlich dabei helfen soll, die Nackenmuskeln wieder zu entspannen.

Doch wieviel Ryker’s steckt denn nun noch in den Ryker’s? Um ehrlich zu sein, ziemlich wenig, bis gar nichts. Unverkennbar bleiben Chris‘ Anschläge auf dem Bass. Auch die Gangshouts klingen genauso wie früher. In der Gesamtheit macht aber nur ‚Rememberance‘ (der Titel wurde wahrscheinlich nicht ohne Grund gewählt) dem Bandnamen auf dem Cover alle Ehre. Von der Gesangsintonation bis hin zum Strophenriff (das frappierend an den Song ‚Cataclystic‘ erinnert), schallt einem hier zumindest in der ersten Hälfte die ‚gute alte Zeit‘ entgegen. Ryker’s, das waren vor allem die zynischen und verbitterten Texte, welche Kid-D mit seiner unverkennbar grunzigen Stimme, untermalt von einer düsteren aber beinharten Instrumentalkulisse, in die Welt hinaus schrie. All das ist Geschichte. Ryker’s…never meant to last? Vielleicht. Aus diesem Grund bin ich auch hin und hergerissen, was meine Bewertung angeht. Ein Teil von mir ist der Meinung, ein totes Pferd sollte nicht weiter geritten werden. Lasst es lieber in Würde sterben und behaltet es in guter Erinnerung. Ein anderer Teil von mir blendet den Bandnamen jedoch einfach aus und findet die Scheibe dann richtig dufte. Insbesondere, da diese Schiene des Hardcore heutzutage mehr oder weniger auf dem Abstellgleis zwischen Metalcore und Post-Hardcore ihr Dasein fristet. Wer auf ordentlichen ‚Dicke-Hose‘-Hardcore steht, kommt hier sowohl musikalisch als auch hinsichtlich der Produktion voll auf seine Kosten. ‚Never Meant To Last‘ ist einfach ein richtig fettes Brett – von den brachialen Gitarren bis hin zum treibenden Schlagzeug! Ryker’s-Fans der alten Garde werden darüber vielleicht die Arme verschränken. Mit Brightside-Dennis ist das Erbe dieser Kultband aber zumindest in den richtigen Händen gelandet. ‚Skip the part when we start mourning about our heroes and the spirit they have had. No use in getting nostalgic. They should be gone but still come back.‘

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