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Asunder, Sweet and Other Distress

Osterzeit, schöne Zeit. Es sei denn, man hat Angst vor Lämmern, diesen furchteinflößenden Kreaturen, deren bloßer Atem es einem schon kalt den Rücken runterlaufen lässt. Deren Bedrohlichkeit jedes Tiefseeungeheuer in den Schatten stellt und an deren schmutzigweiße Wolle der Teufel sich schmiegt. An deren Euter er seine gehörnten Kinder säugt und deren Ventilation ein altehrwürdiger kanadischer Musikerzirkel auf seinem relativ plötzlich erschienenen neuen Album einen Abschnitt gewidmet hat: ‚Lambs‘ Breath‘.

‚Lambs‘ Breath‘ ist der Boden, auf dem nichts gedeiht. Das Dröhnen und Flirren zurückgelassener, auskühlender Instrumente – und genau das Ambiente, das der behäbige Mammutwalzer ‚Peasantry Or ‚Light! Inside Of Light!‘ als den Zunder seiner Nachglut eingefordert hatte. Im Laufe von zehn Minuten dörren die Tonspuren aus und verengen sich auf ein einsames, lineares Summen, nur um in ‚Asunder, Sweet‘ wieder zu einer unakzentuierten Lärmbrut hochzukochen. In Superzeitlupe, versteht sich.

Im Zentrum des Ganzen herrscht also zwar Nestwärme, jedoch kaum Bewegung; ‚Asunder, Sweet And Other Distress‘ setzt auf seine hypertrophen Flügelspieler. Diese scheinen wie ein attraktives Ausflugsziel für klassische Streicher, die zunächst noch Fragezeichen in die Luft schneiden, dann aber wie vom Winde hereingetragen werden und in aufgeregt-ungläubiger Euphorie gleich einem losen Schwarm Grillen ihren süßlichen Gesang durch die Prärie schallen lassen, ehe es womöglich zu spät dafür ist. Das Glück bleibt ihnen hold: Zur Mitte hin klart ‚Piss Crowns Are Trebled‘ auf und verfällt in einen für GY!BE-Verhältnisse beinahe unwirklich einladenden Harmonieschub. Triumphal stemmt es die freigelegte Melodie gegen den Himmel, nur, um sie Minuten später wieder in den Staub zu treten und mit stechend scharfen, hochtönenden Leadgitarren bis zur Unkenntlichkeit zu zerkratzen. Als hätten die arbeitsamen Herren Menuck und Moya Angst, ihre mit Zuckerbrot und Peitsche aufgewachsenen Hörer über Gebühr zu beschenken – und sich damit womöglich die Tarnschminke vom Gesicht zu wischen.

Vielleicht ergibt all dies ein wenig mehr Sinn, wenn man weiß, dass das Album in seiner Gesamtheit einem Live-Arrangement entspricht, das schon länger unter dem im wahrsten Sinne ungeheuerlichen Titel ‚Behemoth‘ in den Live-Sets der Band sein Unwesen trieb und das die Kanadier jetzt pressfertig aufbereitet haben. Den Vorwurf des bequemlichen Recyclings jedoch mag einem bei Godspeed You! Black Emperor kaum in den Sinn kommen – dafür hat das Kollektiv sich in all den Jahren zu viel Dreck um zu viele ungeschriebene Regeln geschert. Der Goldwaage hielt es dennoch konsequent stand.

Dass im Herzen des ansonsten martialisch auftrumpfenden ‚Asunder, Sweet And Other Distress‘ (Übersetzen auf eigene Gefahr!) so gut wie gar nichts geschieht, davor verschließen wir geflissentlich die Augen – um in der saugenden Leere dann doch den Schlüssel zu dem Mythos zu finden, den das Schaffen dieser Band seit langem umwabert. Man tut gut daran, ihr alles, aber auch wirklich alles durchgehen zu lassen – selbst dieses eine Bisschen mehr Transparenz. Mäh!

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