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Stadt Land Flucht

Für all diejenigen, denen bei dem Bandnamen der Band aus Sachsen als erstes die Referenz zum gleichnamigen Muff Potter-Song einfällt – es ist höchste Zeit das zu ändern! 100 Kilo Herz können seit ihrer Gründung ein Debutalbum und eine EP vorweisen. Jetzt schickt sich „Stadt Land Flucht“ (Bakraufarfita Records) an, sie in Herzen und Ohren zu katapultieren. Der Trompetenpunk, der von den dreieinhalb Punkern, anderthalb Jazzern und zwei Indiekids dargeboten wird, entledigt sich mich Leichtigkeit des Skakorsetts, in das die Bläser dort nur zu gerne gepresst werden. Während sich manche Bands mit dem zweiten Album besonders schwer tun, weil plötzlich der Kopf anstatt des Bauches mitredet, scheint es, als ob bei 100 Kilo Herz gerade das Gegenteil der Fall ist.

Sie verpacken ihren druckvollen Punkrock in die kleinen und großen Geschichten, die das Leben so schreibt, nehmen kein Blatt vor den Mund und machen auch vor unbeliebten Themen nicht halt. Einen Song über den Alkoholkonsum in der Musikwelt und der Punkszene im Besonderen zu schreiben muss man sich erstmal trauen („Tresenfrist“). Textliches Hutziehen vor Marcus Wiebusch gibt es bei „So Was Wie Ein Testament“ und im Titel von „…Und Aus Den Boxen…But Alive“. Ein weiteres Indiz dafür, dass 100 Kilo Herz mit seichten Plattitüden eher wenig am Hut haben. Skandierende Refrains sucht man hier auch vergebens. Was aber nicht heißen soll dass man bei 100 Kilo Herz keinen Spaß vor der Bühne haben kann. Im Gegenteil. Bei „Drei Vor Fünf Vor Zwölf“ vereinen sich Trompete und Saxophon zu einem treibenden Etwas, und begleiten einen Text der vor Ironie nicht triefender sein könnte. Schulterklopfen für gesellschaftliche Errungenschaften: Sieht man leider überall. Dabei ist Alltagsrassismus genauso ein NoGo wie auch Faschismus oder ein totalitäres Regime. „An Ampeln“, das etwas andere Liebeslied, das von den zuckersüßen, verliebten Küssen bis hin zu den zermürbenden, aufreibenden Streits den Anfang und das Ende gleichzeitig beinhaltet.

100 Kilo Herz haben mit „Stadt Land Flucht“ eine Platte abgeliefert, die einfach alles beinhaltet: Druckvolle Bläsersätze als ganz eigenes Stilmittel, astreinen Punkrock und Texte, die sich vor den großen ihrer Zunft nicht verstecken brauchen. Dennoch verliert die Band dabei aber den rauen Charme des Underground nicht und kann ihre Spielfreude durch den Plattenspieler in Beine und Herzen transportieren. Aber Vorsicht, die wird sich festsetzen!

https://youtu.be/fVHPzObglH8

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