Mein Recht zu Rocken – Eine Geschichte über Träume, Kulturkonflikte und laute Musik

Die traditionelle Schweiz Mitte der 1970er Jahre. Eine süditalienische Familie mit einem kleinen Jungen kommt als Gastarbeiter in einem kleinen Dorf unweit von Bern an. Die Atmosphäre gegenüber den Einwanderern, die überwiegend harte oder schmutzige Arbeit verrichteten, war bestenfalls kühl – nicht selten feindselig. So versucht Rosario „Rossi“ Fazio zwischen seiner von den strengen Traditionen seiner italienischen Familie und der von überwiegend sozialer Kälte geprägten neuen Heimat als beinahe einziger Ausländer unter Schweizern seine eigene Identität zu finden. Wie jeder Junge sucht er die Anerkennung seines Vaters und Gleichaltriger, doch als „Secondo“, als Ausländer der zweiten Generation, hat er es ungleich schwerer als andere. Sein Leben wird nicht einfacher, als er die Faszination der Rockmusik entdeckt, die sowohl von der Familie als auch dem konservativen schweizerischen Umfeld aufs Schärfste abgelehnt und mit Drogen, Kriminalität und Vagabundentum assoziiert wird. Scheinbar gefangen zwischen zwei kulturellen Identitäten verläuft eine „ganz normale“ und doch in vielerlei Hinsicht ungewöhnliche Kindes- und Jugendzeit.
Beim Hören seiner geliebten Rockmusik fühlt sich Rossi wohl und wirklich frei, sie ist sein einziger emotionaler Zufluchtsort auf dem schweren Weg zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit. Doch vor allem dreht sich seine Geschichte natürlich darum, im „Kampf des Alltags“ zu bestehen. Und obwohl Rossis Jugend daher auch eine Geschichte der Integration ist, wie sie viele junge Türken und Italiener in Deutsschland sehr ähnlich erlebt haben dürften, unterscheidet sich seine Geschichte doch von dem, was man erwartet.
Rossis Weg ist gezeichnet vom Auflehnen gegen vertrocknete Traditionen, auch und nicht zuletzt dann, als er im kirchlichen Umfeld eine seiner Bestimmungen findet. Zwischen kulturellen Konflikten, der Sehnsucht nach Akzeptanz und Anerkennung , der Rebellion gegen unreflektierte Stigmatisierungen und seiner großen Liebe zu Hardrock und Heavy Metal durchlebt der Autor Ablehnung, Enttäuschungen und schmerzhafte Neuorientierungen. Er kämpft nicht nur für sein Recht zu Rocken, sondern vor allem für sein Recht, seinen eigenen Weg zu gehen und eine selbstgewählte Bestimmung im Leben zu finden.
Whiskey-Soda-Gastautor Rosario Fazio legt mit seiner Autobiographie ein sehr offenes und mutiges Buch vor. Neben dem sympathischen Blick zurück auf die 80er Jahre und den vielen anklingenden Themen um Integration, Erwachsenwerden, um Akzeptanz und das Ringen um eine eigene Identität ist „Mein Recht zu Rocken“ vor allem eine wichtige Streitschrift für kompromisslose Selbstbestimmung. Einer Selbstbestimmung, die aber nicht ohne die Aussöhnung mit dem Umfeld zu bewerkstelligen ist. Denn auch wenn für Rebellion stehende Rockmusik ein wichtiger Aspekt von Rossis Persönlichkeit wird, bleibt seine Geschichte (Gott sei Dank) nicht bei den dunklen Kapiteln um Enttäuschung, Verletzungen und Verzweiflung stehen. In der autenthischen und emotionalen Schilderung seiner Sozialisation geht es letztlich um Zuversicht und um einen starken Willen, für das einzustehen, woran man glaubt. Und vor allem um die Aussöhnung mit sich selbst und anderen. Dem sympathischen Autor geht es nicht um Selbstdarstellung, sondern er möchte mit seiner Geschichte unaufdringlich andere ermutigen, unbeirrt ihren eigenen Weg zu gehen. Dazu ermutigen vor allem die letzten Kapitel, die den Autor versöhnt mit sich selbst und seinem Umfeld zeigen.