|

White Men Are Black Men Too

Die Geschichte um Young Fathers ist schon kurios: Erst letztes Jahr gewannen sie den renommierten Mercury Prize, fehlten aber mit der preisgekrönten Platte ‚Dead‘ auf den vorderen Plätzen der Best Of 2014-Listen. Kaum jemand hatte die Underdogs auf dem Schirm. Irgendwie gefeiert, aber irgendwie auch nicht. Ihre Musik zu aggressiv für den Mainstream, ihr Ausdruck zu ernst und bitter für das Scheinwerferlicht. So schnell kann sich das nun ändern. War ‚Dead‘ vorsichtig zum Thema gemacht worden, ist ‚White Men Are Black Men Too‘ schon seit einigen Monaten heißdiskutiertes Material.

War es nun der Preis, war es ihre Attitüde oder vielleicht der Albumtitel, der so laut nach Aufmerksamkeit schrie? Egal, Alloysious Massaquoi, Graham Hastings und Kayus Bankole machten es sich über die letzten Monate nicht unbedingt gemütlich. In einem kalten Berliner Kellergewölbe entstanden die zwölf feinen Tracks, die ein deutliches Zeichen setzen und ihre brodelnde Fusion aus Hip-Hop und Pop in die Mainstreamkultur verfrachten.

I’m tired of playing the good black / I said I’m tired of playing the good black / I’m tired of having to hold back / I’m tired of wearing this hallmark for some evils that happened way back‘

(‚Old Rock n Roll‘). Hier werden Nägel mit Köpfen gemacht. Was der Albumtitel noch so provokativ in den Raum stellt, zieht sich bis ins Mark der Tracks. Es sind allgegenwärtige Belange die hier den Grundton bestimmen: Rassismus, Klassengesellschaft, Herkunft. Young Fathers geben eine zeitnahe Analyse aktueller Geschehnisse und zeigen deutlich, dass diese Themen lange noch nicht an Relevanz verloren haben. Zwischen Ferguson und dem Todesfall Eric Garners ist es Song ‚Sirens‘, der die fragliche amerikanische Polizeigewalt an den Pranger stellt:

Who’s next / The bullet never knows / Bang bang bang / Goes the lazarino / Hit the bulls eye / Fi fi fi finito / Shed them scales like a serpent / Allergic to safety, too urgent / Too nervous‘

. Die Antwort bleibt nur in einem:

‚The police are on cocaine‘

. Dazwischen schlagen Rufe eines Chores, ‚Sirens‘ ständig wiederholend – das Imitieren eines doch eigentlich für Hilfe stehenden Signals.

Genau wie bei ‚Sirens‘ sind es auch die anderen Songs, die von dieser extremen Lautmalerei leben. Es sind tiefe Gefühle, Aggression, Zärtlichkeit, Frust, Hoffnung. ‚Shame‘ und ‚Feasting‘ beleben eine bedrohliches Brodeln durch angespanntes Hintergundmurmeln und laute Rufe. Die Bässe und Drums wummern im Takt und treiben dermaßen an, dass eine unglaubliche Spannung von Anfang bis Ende den Grundkanon bestimmt. Die Stimmung bleibt geladen, dennoch sind es auch schon fast schnulzige Momente wie auf ‚Nest‘ mit souligem Gesang und verstimmten Klavierklängen oder kurze Dancetracks wie ‚Jon Doe‘, die die intensive Atmosphäre durchbrechen können. Genau der richtige Kontrast für den sonst grungigen Hip-Hop und die bissigen Rap-Parts.

‚White Men Are Black Men Too‘ ist ein wunderbares Stück Zeitgeschichte. Fernab jeglicher sonst so Hip-Hop-klassischen Beschimpfungen und Feindseligkeiten hat das Edinburgher Trio wirklich etwas zu sagen. Young Fathers verstehen es mit ihrer intensiven Hip-Hop/Pop-Fusion, genau das zu erzählen, was heute nicht an Relevanz verlieren darf. Gleichberechtigung. Auf allen Ebenen. Dieses Album lebt von der Botschaft, die musikalisch fabelhaft in Szene gesetzt wird.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar