BADEN IN BLUT 2022 – Blutbad, Sommergewitter und Freudentaumel
Zwei Tage mit Freunden auf einem kleinen, gemütlichen Metal-Festival abhängen und jede Sekunde der Atmosphäre einsaugen. Darauf haben sich landauf, landab unzählige Metalheads gefreut. Nach einer Zwangspause wegen Corona fand (nach einer abgespeckten, eintägigen Ausgabe im vergangenen Sommer) im Dreiländereck endlich wieder das Baden in Blut Festival statt. Das seit 2020 feststehende Line-Up konnte fast komplett bestehen bleiben. Trotz Sorgenfalten und einiger notwendiger Anpassungen bei den immer noch sehr moderaten Getränkepreisen stand für die begeisterten Mitglieder der Metalmaniacs e.V. zu keinem Zeitpunkt außer Frage, ihr geliebtes Festival einmal mehr auf die Beine zu stellen. Wie immer gab es ein hochkarätiges Liebhaber-Billing der verschiedensten Schwermetall-Genres von Nachwuchsbands bis zu bekannten Namen. Und wie immer versprach es ein friedliches, launiges Miteinander mit einigen Highlights zu werden.
Jubiläums-Auftritt von DESTRUCTION wegen Sturmfront abgebrochen
Unser Reporter konnte leider erst am Freitagabend anreisen – als die bisher heißeste Ausgabe des Festivals bereits in vollem Gange war. Aber der exklusiven Geburtstagsshow der deutschen Thrash-Veteranen und Lokalmatadoren Destruction wollten wir auf jeden Fall beiwohnen. Vor 40 Jahren in Weil am Rhein gegründet, ist die Truppe um Bassisten und Sänger Marcel «Schmier» Schirmer immer noch im Geschäft und äußerst aktiv – aller Widrigkeiten, Durststrecken und Turbulenzen zum Trotz. Nur wenige Monate vor dem Festival hatten die Thrasher ihr inzwischen 15. Studioalbum «Diabolical» veröffentlicht – das erste Album seit dem Ausstieg von Gründungsmitglied Mike Sifringer. Als Headliner hatten die «Geburtstagskinder» diverse Überraschungsgäste eingeladen. Unter lautem Jubel betraten die vier Herren um 21.30 Uhr die Bühne – die größte Hitze des Tages war zu diesem Zeitpunkt schon von Unmengen von Lasser-Kellerbier weggespült worden. Natürlich war der Bühnenaufbau mit schicken «Diabolical»-Aufstellern der Relevanz der Band an ihrem Spezial-Konzert würdig und auch mit Stichflammen aus der Pyro-Anlage wurde nicht gespart. Als Gäste stand neben eines weiblichen «Mad Butcher» inklusive echter Kettensäge Harry Wilkens (Gitarrist von 87-90) auf der Bühne. Auch ein Gastauftritt des Original-Sängers und Gründungsmitglied André Grieder und weitere Überraschungen waren noch geplant gewesen. Leider machte nach einem extrem heißen Tag eine heftige Gewitterfront mit Sturm und Regen den besonderen Plänen einen Strich durch die Rechnung: Das Konzert musste aus Sicherheitsgründen ca. 20 Minuten vor Ende abgebrochen werden. Trotz großer Enttäuschung nahmen sowohl Fans als auch Band die Entscheidung der Veranstalter mit Verständnis und friedlich auf. Vielleicht war es auch einfach die erlösende Abkühlung für alle, die es allen leichter machte. Der immer stärker werdende Regen spülte schnell den Grossteil des Publikums zurück in ihre Autos und an die Taxi-Haltestellen.
[ngg src=“galleries“ ids=“110″ display=“basic_slideshow“]Belgische Old-School-Death-Metaller CARNATION Highlight des Nachmittags
Am Morgen war von dem Gewitter nur noch wenig zu sehen, als die Stuttgarter Power-Metaller Vanish am frühen Nachmittag die Bühne betraten. Die fünf Jungs aus der Landeshauptstadt machten einen tollen Job und brachten die bereits anwesenden Metalheads mit launigen Melodien und jeder Menge Gitarrensoli mit Begeisterung auf Betriebstemperatur. Bei den Black-Metallern Khors aus der Ukraine war der erste Gedanke nicht der an die Musik, sondern an die düsteren, schwarzen Bühnenoutfits aus Leder. Bei 35 Grad im Schatten und strahlender Sonne wirkte der Auftritt der für Sulphur Aeon eingesprungenen vier Jungs etwas deplatziert, zumal sie eher etwas zurückhaltend agierten. Aber die Schweißkur wurde gnadenlos durchgezogen und auch der Post-Black-Metal fand im Publikum Anklang. Ein kurzes Statement der Band mit Hinweis auf den Angriffskrieg der Russischen Armee auf ihre Heimat vor dem letzten Lied sorgte für Jubel. Carnation aus Belgien legten als nächstes die Messlatte für den Härtegrad meilenweit nach oben. Das derbe Geknüppel und die geilen Growls vom blutgesichtigen Frontmann Simon Duson sorgten für Begeisterung. Mit ihrem fetten, oldschooligen Death-Metal à la Bloodbath, Bolt Thrower oder Cannibal Corpse ernteten die sympathischen Jungs aus Benelux jeder Menge Applaus und waren für den Autor dieser Zeilen neben Primordial das Festival-Highlight.
Die Suicidal Angels aus Griechenland mit ihrem Thrash-Metal à la Slayer gehen immer und legten ebenfalls einen gelungenen Auftritt hin. Mit kernigen Riffs und verspielten Spitzen-Soli auf den Gitarren machten die Herren alles richtig. Zwischenzeitlich hatte die brennende Sonne den Kampf gegen die aufziehenden Wolken verloren. Das etwas kühler gewordene Wetter machte es erstmals an diesem Tag möglich, ein wenig durchzuatmen. Long Distance Calling beschwerten sich allerdings nicht lange danach, daß es noch nicht heiß genug wäre. Die Post-Rocker aus dem Münsterland haben sich in den letzten Jahren stetig mehr in der deutschen Rock- und Metalszene etabliert. Das letzte Album von 2020 hatte es in die deutschen Album-Top-10 geschafft, das neue, inzwischen achte Album mit dem Titel «Eraser» erscheint Ende August 2022. Mal kam der überwiegend Instrumentale Rock metallischer rüber, mal wie chilliger Dream-Pop, aber immer mit Spitzensound, bester Laune auf der Bühne und jeder Menge Charme. Besonders Schlagzeuger Janosch Rathmer begeisterte mit seiner lebendigen und präzisen Power.
[ngg src=“galleries“ ids=“111″ display=“basic_slideshow“]Gelungener Abschluss mit PRIMORDIAL und SOILWORK
Zum Auftritt von Primordial aus Irland war das Publikum in Innenbereich des Festivalgeländes nochmals angewachsen. Kein Wunder. Die 1987 gegründete Extreme-Metal-Band um Frontmann Alan „A.A. Nemtheanga“ Averill gilt als Mitbegründer und erfolgreichster Vertreter des Celtic Metal mit einer besonders loyalen Fangemeinde mit vielen Bewunderern. Stark von den Black-Metal-Vorläufern Bathory und Celtic Frost geprägt, mischten die Musiker irische Folk-Melodien in ihre Stücke – ein neues Metal-Genre war geboren. Die Bühnenpräsenz von Primoridal auf dem Baden in Blut war atemberaubend. Zu jeder Zeit hatte der keltische Fünfer das Publikum gänzlich in seiner Hand, Frontmann Averill packte die Zuschauermenge mit jeder Menge kantig-eigenwilliger, aber stimmiger Statements zusätzlich.
Als letzte und wohl gefälligste Band des Abends und zweiter Headliner standen die Schweden von Soilwork auf dem Programm. Die Band hat objektiv alles, was sie zu einer Spitzenband machen sollte. Exzellente Musiker, einen talentierten, stimmgewaltigen und sympathischen Frontmann. Abwechslungsreiche Songs, launige Melodien und Riffs wie aus dem Schwermetall-Lehrbuch und dennoch: Irgendwie gelang es unserem Reporter an diesem Tag nicht, mit der Band richtig warm zu werden. Soilwork weiß nicht, ob sie wirklich eine Melodic-Death-Metal-Band sein will. Frontmann Björn Strid ist seit 2012 mit seiner Zweitband «The Night Flight Orchestra» äußerst aktiv. Und doch schafft es die Band nicht, die beiden grundlegenden Einflüsse auseinander zu halten. Bei aller musikalischer Finesse und dem typisch schwedischen Charisma: Wer ABBA-Rock will, der hört The Night Flight Orchestra oder Ghost. Wozu also Soilwork, wo es doch jede Menge exzellenter anderer Bands Göteborger Schule gibt? Nichtsdestotrotz lieferte die Band eine launige, professionelle Show mit sehr potenten Gesangseinlagen und einer stimmungsvollen Lightshow, nur wenige Woche vor dem Release ihres zwölften Studioalbums «Övergivenheten».
Aller Widrigkeiten zum Trotz war die sechzehnte Ausgabe des Baden in Blut Festivals einmal mehr ein voller Erfolg. Wahnsinn, was die Metalmaniacs Jahr für Jahr gänzlich ohne kommerzielles Interesse für ein Wundervolles, gemütlich-familiäres Festival auf die Beine stellen! Das gemischt Schweizerische und Deutsche Publikum dankte es wieder mit entspannter, friedlicher Freude und astreinem Verhalten. Egal ob Kleinkinder, Menschen mit Beeinträchtigungen, alte Hasen, neue Freunde – beim Baden im Blut gehört jeder zur Familie. Es war uns einmal mehr ein Fest, eine Freude und eine Ehre, mit dabei zu sein! Bis zum nächsten Jahr zum siebzehnten Metal-Familien-Fest in Weil am Rhein.