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Realms of Time

Ende 2015 landete das Debütalbum einer unbekannten griechischen Band als Promo völlig unangemeldet auf meinem Rechner. Gesättigt durch die sehr guten Alben jenes Jahres (u.a. die starken neuen Alben von Iron Maiden, Armored Saint oder Symphony X) testete ich skeptisch die musikalische Bewerbung an. Und meine anfängliche Skepsis verflog bereits nach den ersten Riffs, verwandelte sich aber spätestens nach dem Abspielen der Songs Zwei und Drei in unerwartete Euphorie. „Fallen Empires“ von Diviner wurde so spät im Jahr zur Newcomer-Überraschung des Jahres.

Nach vier Jahren kehren die fünf Herren aus dem warmen Süden mit ihrem Nachfolger „Realms of Time“ beinahe genauso plötzlich und unscheinbar wie beim Debüt zurück. Erneut wollen sie ihren plattwalzenden, brachialen Power Metal zum Besten geben. Jedenfalls heizte die Vorabsingle ‚Heaven falls‘ schon mal gehörig ein. Mit der zweiten Singleauskopplung ‚The Earth, the Moon, the Sun‘ kündigte sich aber auch eine unüberhörbare Weiterentwicklung im Sound von Diviner an. Gitarrist und Mitbegründer Thimios Krikos (InnerWish) hat nach dem Debüt das Mikrofon Kostas Fitos überlassen.

Wie stark sich dies auf das Songwriting des neuen Albums auswirken würde, konnte man höchstens spekulieren, da einst Sänger Yannis Papanikolaou zusammen mit Thimios Krikos für die Songs verantwortlich war. Tatsächlich ist das Resultat beim ersten Hörgenuss vorerst etwas zwiegespalten. Das liegt nicht am neuen Songmaterial per se, vielmehr an der Tatsache, dass „Fallen Empires“ schlicht ein bärenstarkes Album ist und folglich die Messlatte für künftiges Schaffen dieser vielversprechenden Band enorm hoch ansetzt. Und so viel sei vorausgeschickt: Der Nachfolger schafft es nicht, aus dem grossen Schatten des Debüts zu treten. Doch letztlich ist nur Haarspalterei auf hohem Niveau.

Die beiden Opener ‚Against the Grain‘ und ‚Heaven Falls‘ krachen dermassen souverän um die Ohren, dass es schlicht schwierig wird, die Versiertheit in den nachfolgenden Songs anzunehmen. Darauf muss man sich erst einmal einlassen, auch wenn paradoxerweise gerade eine gewisse Monotonie dem Debüt als Verbesserungspotential angekreidet wurde. ‚Set Me Free‘, ‚Beyond the Boarder‘, ‚Time‘ oder das balladeske ‚Stargate‘ klingen schon fast ungewohnt brav für Diviner-Verhältnisse. Es wird manchmal gar zu offensichtlich nach den musikalischen Brüdern von InnerWish geschielt. Im Gegensatz dazu brettern ‚King of Masquerade‘ oder ‚The Voice from Within‘ wieder in gewohnt rassiger Manier daher. Diese Titel werden die Luftgitarren zum Glühen bringen und die Nackenmuskeln wohltuend strapazieren.

Was bleibt also unter dem Strich? Zuerst einmal die phänomenale Gitarrenarbeit: Geile Riffs ohne Ende und auf den Punkt gebrachte Solos – ein wahres Fest für jeden Fan von klassischem Heavy Metal! Aber auch generell eine Instrumentalisierung auf ansprechend hohem Niveau mit einem Sänger mit hohem Wiedererkennungswert. Wer zudem bei der druckvollen und klaren Produktion die unwiderstehlich galoppierenden Rhythmen lautstärkemässig in den eigenen vier Wänden nicht im Saum halten kann, der wird sich mit dem Ärger des Nachbarn abfinden müssen. Oder einen neuen Fan gewinnen – wer weiss das schon?


(Rosario Fazio)

 

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