Winter Ethereal
Ich so: That last Dream Theater album was actually pretty good, huh?
Arch/Matheos: Hold our beers!
Das zweite komplette Arch/Matheos-Album wurde vom dynamischen Duo explizit als ein Versuch angekündigt, sich von Fates Warning zu emanzipieren. Nun, der Versuch scheitert. Denn natürlich ist trotz bandfremder Gastmusiker auch „Winter Ethereal“ in allen Trademarks ein astreines Fates Warning-Album geworden. Und zwar ein verdammt Gutes, wenn ich den Spoiler mal vorwegnehmen darf.
Stilistisch liegt das Album ziemlich nah bei den letzten „offiziellen“ FW-Outputs „Darkness In A Different Light“ und „Theories Of Flight“, erlaubt sich aber ein paar mehr Echt-Metal-Ausflüge. Ja, so viele Doublebass-Attacken und Hackbrett-Riffs hat man seit „No Exit“ auf keinem FW-bezogenen Album mehr gehört. Und John Arch bleibt John Arch. Schon die erste Zeile im Opener ‚Vermillion Moons‘ endet komplett anders, als man das nach den ersten drei Tönen erwartet hätte. Im Gegensatz zu den Achtziger-Scheiben wie „Awaken The Guardian“ hat John aber bereits seit dem „Sympathetic Resonance“-Album entdeckt, dass sich auch seine eigenwilligen Gesangslinien durchaus in hocheingängiges Material spinnen lassen. So sind Songs wie ‚Wanderlust‘, ‚Solitary Man‘ oder ‚Tethered‘ so ziemlich das Eingängigste, was der verbriefte Ausnahmesänger (selten past das Wort so gut wie hier) je auf einem Album verewigt hat. Natürlich muss man trotzdem ein wenig Zeit mitbringen, denn auch die eingängigen Songs nehmen den Hörer mit auf eine Reise durch möglichst viele Stimmungen. So trostlos-düster wie das Cover suggeriert ist allerdings keine davon. Eher geht’s von knackigem Metal zu melancholischen Akustik- und Prog-Parts, die wie gewohnt ansatzlos ineinanderfließen. Das ist natürlich auch ein Verdienst von Jim Matheos, vermutlich dem einzigen Prog-Metal-Musiker, der WIRLICH in beiden Seiten des Genres gleichermaßen zuhause ist. Ob er sich in Megadeth-Riffs wie ‚Wrath Of The Universe‘ oder mit den stark an Marillion erinnernden Clean-Gitarren in ‚Tethered‘ ausdrückt, beides ist ganz großes Kino und trägt unmißverständlich die Handschrift des Lockenkopfes. Die Riege der Gastmusiker ist natürlich auch vom Allerfeinsten. Neben den einstigen/aktuellen FW-Bandkollegen Joey Vera, Joe DiBiase, Bobby Jarzombek, Frank Aresti und Mark Zonder tragen unter Anderem noch das Cynic-Duo SteveDiGiorgio/Sean Malone und Thomas Lang zum Gelingen des Albums bei.
Ich hätte ja Jim und John gerne den Gefallen getan, „Winter Ethereal“ zu rezensieren, ohne Fates Warning überhaupt zu erwähnen. Es ist aber wohl unvermeidbar, dass eine Zusammenarbeit der beiden immer das Gen der Prog-Metal-Urgesteine tragen wird. So wundert es nicht, das jeder der Songs auch mit Ray Alder vorstellbar wäre und zu den letzten Alben der Hauptband gepasst hätte. Ist ja letztendlich auch egal, was draufsteht, drin ist jedenfalls ein absolut empfehlenswertes Stück progressiven Metals, das mit Recht zum Jahresende wieder in allen einschlägigen Bestenlisten auftauchen wird.