Saint Vitus
Es war 1995 als „Die Healing“ die Wiederauferstehung des Original-Line-ups der ungekrönten Könige des Doom Metals – die auch auf diesen Titel scheißen – zelebrierte. Nach einem Fehlgriff sollte dies der Neuanfang von etwas Großem werden. Er bleib aus. Original-Goldkelchen Scott Reagers verließ Saint Vitus, Wino kam zurück, regelmäßige Toure folgten, ein Album ließ 17 Jahre auf sich warten und nun stehen wir dort, wo vor 24 Jahren das beste Album der Doomer das Licht der Welt erblickte. Inzwischen ist Armando Costa in die Ewigen Jagdgründe eingeritten, Mark Adams krankheitsbedingt durch Pat Bruders ersetzt und Scott Reagers wieder am Mirko. So schließt sich der Kreis seit dem Debüt-Album 1984.
Ehrfürchtig läuft der erste Song ,Remains‘, aber das Feeling von 1984 bzw. 1995 ist nicht da. Allein schon, weil Chandlers Riffs lange nicht so fett und monströs jeden Lautsprecher an seine Grenzen bringt. Seine Solos sind eigenwillig wie immer, aber die Riffs sind aus den Mottenkiste. Die Neuen Vasquez und Bruder tun ihr Bestes und Reagers sinniert wie gewohnt ausdrucksstark über Leben und Nicht-Leben. Aber so richtig zünden die neun neuen Kompositionen nicht.
„Lillie: F-65“ hat auch eine lange Zeitspanne in Anspruch genommen, um sich zu entfalten. Braucht das selbstbetitelte Werk ebenso viel Zeit? Dann sprechen wir uns in zwölf Monaten wieder. Eine konstante Dauerrotation schafft den Zugang zu den Songs und dann wird einem klar, warum die Songs gut aber nicht genial sind. Es fehlt an der Power an der Gitarre und den Vocals. Beide agieren sehr verhalten. Die Songstrukturen sind altbekannt, nur wenige neuen Ideen sind wahrzunehmen. Dies kann am Alter liegen. Oder an der mangelnden Chemie der Beteiligten im Studio. Live sah das schon ganz anders aus.
Seziert man zum Beispiel ,12 Years In The Tomb‘, dann kennt man die Instrumentalpassagen fast gänzlich, die Bridges sind interessant, der Chorus schon wieder öde. ,Wormhole‘ dagegen ist treibend, expressiv und offenbart die tanzbaren Hooks, die wir an Saint Vitus so lieben. Reagers Stimme scheint direkt aus der Hölle zu kommen. So stehen sich gut und schlecht innerhalb von zehn Minuten direkt gegenüber. Die Sabbath-Reminiszenzen sind ebenfalls zu offensichtlich. Allein das punkig-trashige 90-sekündige ,Useless‘ weiß zu überraschen. Vielleicht hat der gute Dave Chandler zu viel gewollt und einfach nur Masse produziert. Das unterirdisch schlechte Artwork verstärkt diesen Eindruck. Jeder Photoshop-Anfänger hätte dies in unter zehn Minuten hin gepfuscht.
Die Tiefs überwiegen leider die Highlights. Aber vielleicht stehen wir in fünf Jahren wieder hier und das 35-jährige Jubiläum hat seinen gerechten Platz in der Saint-Vitus-Historie gefunden und steht nicht als Pariah dar wie „C.O.D.“. Wir werden sehen.