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Wilder Mind

Wie verändert man den Sound, ohne den Stil zu verändern? Wie kann man sein selbst geschaffenes Markenzeichen aufrecht erhalten und zugleich etwas komplett Neues erschaffen? Wie eröffnet man ein neues musikalisches Kapitel und bleibt gleichzeitig sich und auch seinen Fans treu?

Es ist ein gewagtes Unterfangen, welches Mumford & Sons während ihrer kreativen fünfmonatigen Konzertpause in Angriff genommen haben. Seit ihrem erstklassigen Debütalbum ‚Sigh No More‘ und dem nachfolgenden, kommerzielleren Grammy-Gewinner ‚Babel‘ war das lange Zeit verschollene Genre Folkrock plötzlich wieder in aller Munde. Jeder wollte so sein wie die vier Engländer. Das führte zu einem so großen Becken an Banjos, Geigen und Akkordeons in den Radios und auf den Festivals dieser Welt, dass scheinbar selbst Marcus Mumford und Co. die Schnauze voll davon hatten. Aus einer einstigen Indie-Perle wurde wie so oft in den Pop abdriftender Mainstream. Genau dem wollte man sich entreißen: ein Umbruch musste her.

‚Wir hatten einfach Lust darauf, die ganze Sache mal ganz anders anzugehen. Was das Songwriting angeht, reden wir hier nicht von sonderlich krassen Veränderungen. Es war wohl einfach der Wunsch, sich nicht zu wiederholen‘

, so Marcus Mumford.

Und in beiden Punkten hat er Recht: zum einen die Tatsache, dass bereits ‚Babel‘ nicht ausdrücklich viele neue Ideen und Klänge besonders innerhalb des Albums zu bieten hatte. Zum anderen der Punkt, dass die Band mit ‚Wilder Mind‘ dem Folk auf keinen Fall Lebewohl sagen möchte, selbst wenn es nach den ersten drei Songs den Anschein hat. Denn gleich die ersten beiden Nummern ‚Tompkins Square Park‘ und ‚Believe‘ präsentieren galoppierende Drumbeats gepaart mit frischem E-Gitarrensound und demonstrieren die ganze Kraft, die in Mumford & Sons eigentlich zu stecken vermag. Dabei steigert sich die Power von Song zu Song und findet in ‚The Wolf‘ seinen ersten Höhepunkt, der voluminös schmetternd nach ausbrechender Freiheit klingt. Was zuletzt noch relativ erzwungen zusammengebastelt klang, wirkt hier authentisch und locker.

‚Die Arbeit hat dieses Mal echt am meisten Spaß gemacht‘

– und das hört man auch.

Und auch, dass sich die Band in den

‚Sound des Schlagzeugs verliebt‘

hat. Zusammen mit E-Gitarre und Rockorgel prägen die Drums den Sound von ‚Wilder Mind‘ maßgeblich. Sie verleihen den Songs eine neue Fülle, die mit akustischem Folk schlicht nicht umzusetzen ist. Aber wer jetzt denkt, dass Mumford & Sons ihre Fans betrogen haben könnten, sollte sich das Album noch mal anhören: überall verstecken sich alte Elemente ihres Folksounds. So bleibt Marcus Mumford im Gesang emotional wie immer – sogar bei manch kraftvollen Passagen führt er mit ruhiger Stimme die Songs an. Auch Winston Marshall verlagert vereinzelt seine bis dato geliebten Banjomotive auf die E-Gitarre und sorgt so für stimmungsvolle Soli und eine gelungene Verschmelzung des alten und neuen Klangs.

Dazu mangelt es hier nicht an Geniestreichen: neben dem besten Track ‚The Wolf‘ sind mit dem beschwingten ‚Just Smoke‘ und schwebendem, wimmernden ‚Monster‘ nicht bloß Lückenfüller, sondern kleine Hochkaräter dabei. Somit haben ‚The Cave‘, ‚White Blank Page‘ oder ‚Hopeless Wanderer‘ definitiv würdige Nachfolger gefunden.

Die neuen Mumford & Sons haben mit ‚Wilder Mind‘ letztlich alles richtig gemacht. Statt den Stil zu verändern, haben sie nur einen neuen Sound für sich entdeckt. Statt dem Folk den Rücken zu kehren, bloß die Instrumente gewechselt. In den leisen Passagen gibt es dann Parallelen zu Ben Howard, in den lauten zu The Killers und Kings Of Leon, aber alles in allem auf jeden Fall auch zu den alten Mumford & Sons. Die sind zum Glück nicht verloren gegangen. Nur diesmal kann man wirklich von FolkROCK sprechen. And we all know: Haters gonna hate!

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