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Viscera

So langsam entwickelt sich das kalifornische Metallabel Facedown Records zu einer Heimat für alternative Rockmusik der besonderen Art. Nach dem gelungen Debüt „Into the Sea“ von Attalus und der kürzlich erschienenen EP „Laid Low“ von Everything In Slow Motion, legt hiermit die Band My Epic ihre neueste Platte vor.

Der erste Track ‚Ghost Story‘ beginnt so ruhig wie die Mehrheit der Titel auf dem letzten Album „Behold“. Nach wenigen Takten rockt das Ding aber schon mehr. In der dritten Minute wird es sogar richtig hart: Gastsänger Shane Ochsner von Everything In Slow Motion brüllt einige Zeilen dazwischen, dass es eine wahre Freude ist. Als hätte man Sigur Rós auf ein gutes Metalkonzert geschickt. Nicht übel. Ab dem zweiten Lied ‚Memoir‘ erkennt man weitere Einflüsse aus dem älteren Material der Band wieder, einen erkennbaren durchgehenden Beat finden wir hier erst ab der zweiten Minute. Da gilt es also, ein bisschen Geduld mitzubringen, was angesichts der atmosphärischen Pianomelodien aber nicht zum Problem werden muss. Im letzten Viertel setzt dann noch ein epischer Chor von E-Gitarren-Klangteppichen ein, der Liebhabern hochemotionaler Ambient-Stücke eine Gänsehaut über den Rücken jagen dürfte.

Bei den übrigen Titeln wünscht man sich teilweise die Energie der ersten beiden Stücke zurück, denn trotz aller raffinierten Klangexperimente verlieren sie sich mitunter in allzu häufigen Wiederholungen derselben Melodien und Rhythmen. Das kann meditativ wirken, kommt nach den ersten beiden Knallern aber ein bisschen zu unvermittelt. Das fünfte und abschließende ‚Open Letter‘ wartet nochmal mit einem unwiderstehlichen Arrangement inklusive Ohrwurmelodie auf, danach ist die EP allerdings schon durchgehört. Immerhin präsentieren sich My Epic trotz kleinerer Schwächen auf der Höhe ihres Schaffens und lassen diesem musikalischen Appetithappen hoffentlich bald ein neues Album folgen.

(geschrieben von Michael Seiler)

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