URGE – Noiseversity
Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre war Euro Hardcore so divers wie zu kaum einem anderen Zeitpunkt. Egal ob Metal, Ska, Reggae, Punk, krachend laut, introvertiert, queer, politisch, aufmüpfig oder intellektuell – aus all diesen Strömungen entstand verdammt gute Musik, abseits der Industrie, europaweit. Die Hannoveraner Post Hardcore-Formation Urge gehörte mit ihren drei Releases – 7“ (1989), 12“ (1990) und Album (1991) – auf jeden Fall dazu. 34 Jahre später steht mit „Noiseversity“ (Rookie Records) tatsächlich ein zweites Album an.
Seitdem 1991 ist einiges passiert, doch ausdrucksstarke Musik zu machen, ist weiterhin in der DNA des Fünfers verankert. Mit ausdrucksstark ist gemeint, dass die sechs bzw. acht neuen Songs nicht so einfach dahin fließen. Sie sind keine leichte Kost, aber wer sich mit ihnen beschäftigt wird mit erdiger, authentischer und harter Musik belohnt. Songs wie ,Hellnoise‘ oder ,Choice‘ werden keinen Schönheitspreis gewinnen, dafür bringen sie das Blut mächtig in Wallung.
Harte Zeiten, harte Arbeit, harte Musik
Die Songs klingen nach harter Arbeit, die notwendig ist, die gemacht werden muss, weil die Zeit es verlangt. Dabei gebärden sich Urge anno 2023 intensiv und leidenschaftlich, geprägt durch eine kraft- und druckvolle Rhythmussektion. Dagegen muss der Gesang erst einmal ankommen. Schwere Riffs, düstere Harmonien und flirrendes Feedback reichern den Eindruck an, dass das Quintett etwas auf dem Herzen hat, dass es unbedingt los werden muss. Wie von einer tiefen, unnachgiebigen Macht getrieben, wissen einen die Tracks jedes Mal mehr zu fesseln.
Waren die damaligen Lieder teilweise ausufernd oder mit ansteigender Intensität kaum zu überbieten, sind die gegenwärtigen Stücke rhythmisch treibend, weniger verspielt und direkter. Dabei kommen einem die New Yorker Post Hardcore-Kapelle Burn und deren Nachfolger Orange 9mm in den Sinn, weniger ideologisch als handwerklich.
Das Leben ist kein Pony-Hof mit bunten Einhörnern, sondern laut, dreckig, durchdringend und oft ein harter Brocken, nicht Meta oder digital oder AI, sondern Noiseversity“. Wie schon mit dem Album „Why Hide the Lie“, das eine hart rockende Zierde in jeder Sammlung ist, zeigen Urge, dass Hardcore ein Knochenjob sein kann, der einen am Ende nur stärker dar stehen lässt.
Bewertung: 2+