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Together Fest – Like Back In The Old Days


Was kommt dabei raus, wenn man sich spontan entscheidet, auf ein Konzert zu fahren, dann den Startbeginn für den Einlasszeitpunkt hält und am Ende durch eine Straßensperrung zu einem Umweg von fünfzehn Minuten genötigt wird? Richtig, man kommt zu spät und verpasst den Anfang. Da hilft kein Fluchen und kein Toben; zu spät dran ist zu spät dran. Am Einlass erklingen bereits die Melodien von ‚Endless Roads‘ von Miles Away. Aber vielleicht ist ja noch nicht alles zu spät. An der Tür hängt eine Running Order. GWLT: 18.30 Uhr bis 19.00 Uhr. Okay, verpasst. Miles Away: 19.10 Uhr bis 19.40 Uhr. Hmm, wie spät ist es jetzt? 19.39 Uhr. Verdammt … Die Veranstaltung ist wie erwartet gut besucht, doch aufgrund der Größe der imposanten Werkshalle mit ihrem ansprechenden Industrieflair ist immer noch genügend Platz, um sich frei zu bewegen, ohne jemand anderem auf die Füße zu treten. Die Bühne kommt näher, der Song endet. Zum Glück hält sich die Band aber selbst nicht so genau an die vorgegebene Zeit und gibt noch ‚Hearts And Minds‘ zum Besten. Immerhin ein kleiner Trost. Aber auch anhand dieser kurzen Kostprobe lässt sich sagen, dass es die Jungs aus Westaustralien noch immer mächtig drauf haben!

Nach einem kurzen Umbau gehen Touché Amoré aus Los Angeles an den Start, die ihr Set mit ‚Home Away From Here‘ eröffnen. Die progressive Post-Hardcore-Band mit dem ungewöhnlichen Namen vereint verträumt-melancholische Melodien mit temporeichen Punk-Passagen und geradezu poetischen Texten, die durch die kreischige Stimme von Sänger Jeremy Bolm noch einen Hauch Theatralik bekommen. Das Set des Abends umfasst Titel aus allen drei bisher erschienenen Alben. Bei einem von diesen bekommt Blom Unterstützung von Jeffrey Eaton von Modern Life Is War, der vom Backstage-Bereich aus die Bühne stürmt und sich ein Mikrofon schnappt. Die Menge tobt. Als Weltpremiere enthüllen Touché Amoré dann noch ein ganz neues Lied von ihrem kommenden Album, das es bisher noch nirgends zu hören gab. Ein eher ruhiger Song mit deutlichem Anzug zum Ende hin. Zum Schluss kommt der Klassiker ‚Honest Sleep‘, und als der letzte Akkord erklingt, singt der halbe Saal:

‚I’m losing sleep, I’m losing friends. I’ve got a love-hate-love with the city I’m in. I’ll count the hours, having just one wish. If I’m doing fine there’s the point to this.‘

Dann Stille … und Gänsehaut.

Im Anschluss daran haben Modern Life Is War ihren großen Auftritt. Er erinnert allerdings frappierend an ihren letzten Gig in Leipzig im April 2015. Dazu tragen die Jungs auch noch dieselben Klamotten. Gäste, die bereits vor einem Jahr im Conne Island waren, um die Band zu sehen, könnten der Annahme erliegen, einem Déjà-vu zum Opfer gefallen zu sein, denn das Set war nahezu identisch. Man könnte auch sagen: Die Band verfügt über einen hohen Wiedererkennungswert. Die Show an sich leidet darunter jedoch nicht. Davon zeugen unter anderem die immer größer werdenden Menschentraube vor der Bühne sowie die schlagartig gestiegene Stage-Dive-Frequenz. Arme schießen in die Höhe, Menschen schreien, Menschen fliegen, Menschen rasten aus. Es geht wild zur Sache und Sänger Jeff legt wie immer sein ganzes Herzblut in die Stimme. Mit „By The Sea“ beenden die schwarzgekleideten Punkrocker aus Iowa ihre Show und verlassen die Bühne so schnell wie sie gekommen waren. Aufgrund des straffen Rahmenplans ist für Zugaben keine Zeit und die meisten warten ohnehin schon sehnsüchtig auf den Headliner: Gorilla Biscuits!

Gab es bis zur vorletzten Band noch genügend Platz, um ohne Weiteres vom Einlass bis zur Bühne durchzumarschieren, ändern sich die Verhältnisse kurz vor Anpfiff des Hauptspiels dramatisch. Es scheint geradezu, als wären plötzlich doppelt so viele Leute in der Halle. Die spärlichen dreißig Quadratzentimeter Fußboden vor der linken Bühnenseite müssen schwer erarbeitet werden. Bequemer Stand ist auch etwas anderes. Aber egal. Dann geht es los. Ein Trompeter tritt auf die Bühne und bläst das Intro zu ‚New Direction‘. Als die Gitarren einsetzen und Anthony Civarelli zum Mikro greift, geht eine Welle durch die Halle, als wäre vor der Bühne eine Granate eingeschlagen. Urplötzlich ist auch wieder mehr Platz vorhanden. Da die Biscuits mit ‚Start Today‘ aus dem Jahre 1989 nur einen einzigen Langspieler und mit der Self-Titled aus dem Jahr davor noch eine EP heraus gebracht haben, ist das Programm des Abends entsprechend vorgegeben: es wird einfach alles gespielt. Aufgelockert wird das Ganze durch Coversongs von den Buzzcocks und CIV. Bei einer Straight-Edge-Vegan-Band der alten Schule darf natürlich auch der obligatorische Appell für gegenseitigen Respekt und eine alternative Lebensweise nicht fehlen. Anthony fasst sich dabei aber kurz und verfällt nicht ins Predigen. Dafür wird Bassist Arthur Smilios zum am bestgekleideten Bassisten der Welt erklärt. Er trägt ein Polo-Hemd. Warum auch nicht …

Der Band geradezu die Show stiehlt dann jedoch ein Gast aus dem Publikum, der mit freiem Oberkörper, Hosenträgern und Glatze in Sachen Skinhead-Look Sänger Anthony in nichts nachsteht. Er macht es sich dann auch gleich zur Aufgabe, in großem Stil Leute auf die Bühne zu holen, was die Band durchaus positiv aufnimmt. Der der junge Mann wird nämlich kurzerhand zum Chef-Vortänzer und Leute-Auf-Die-Bühne-Holer ernannt. Auch die schwierigere Aufgabe, für den Song ‚Cats and Dogs‘ ausschließliche weibliche Gäste auf die Stage zu holen, meistert er souverän. Nur mit dem Standardtanz hat er ein paar Probleme. Allerdings hat Anthony ein Herz und gibt ihm live vor dem Publikum Nachhilfe, indem er die Dame ablöst und selbst die Führung übernimmt. Zwei Skinheads Arm in Arm beim Tanzen. Ein Anblick für die Götter! Als Zugabe hauen die Jungs noch ‚No Reason Why‘ und den Judge-Klassiker ‚New York Crew‘ raus. Die Menge johlt, die Stimmung ist gut und die positive Energie schwingt noch bei der langen Autofahrt Richtung Heimat mit.

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