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The Cliff

Wo andere Künstler schon die Vorab-EP zum nächsten Album ins Presswerk geben, haben Pelican noch nachzukarten. Anderthalb Jahre nach ‚Forever Becoming‘ richtet das Post-Metal-Quartett auf einer nachgelagerten EP das Ohrenmerk auf den Album-Track ‚The Cliff‘.

Konsequenterweise hätten Pelican auf deren Cover-Artwork auch gleich eine Felswand abgebildet. Haben sie aber nicht; zu sehen sind Eisenbahnschienen. Genau so wenig konsequent ist es für sich genommen, plötzlich einen Sänger hinzuzuziehen. Hatten Pelican nicht immer vollmundig betont, wie wichtig ihnen die Genre-Unabhängigkeit sei und wie sehr ein Singender „Front“mann selbige gefährden könne? Beim Opener von ‚The Cliff‘ jedenfalls darf sich mit Fug und Recht erschreckt werden, denn es wird gesungen – zum zweiten Mal in 14 Jahren Bandgeschichte. Wieder ist es Allen Epley, der bereits 2009 das Pelican-Stück ‚Final Breath‘ um das Element der Sprache ergänzte. Angebrachter wird das Ganze dadurch allerdings nicht, zumal das ehemalige Shiner-Mitglied inhaltlich wie lyrisch kaum Weltbewegendes beizutragen hat.

Folglich ist das Wirken der renommierten Gastmusiker in den zwei weitgehend sangesfreien und Industrial-angehauchten Remixen mit wenig Verlust verbunden. Justin Broadrick hat ‚The Cliff‘ auf die doppelte Länge ausgewalzt, um elektronisches Beiwerk ergänzt und die Vocals des Vortracks außen vor gelassen. Durch die Streckung, den Hall und den eingetrübten Sound erinnert daran viel an Broadricks Projekt Jesu. Aaron Harris and Bryant Clifford, genannt „Cliff“ (räusper!), Meyer – ehemals Isis, auch Red Sparowes, mittlerweile Palm – haben sich ein wenig mehr beeilt und entschieden, den platten Gesang nicht aus-, sondern durch den Dröhnwolf zu drehen und qualvoll ersterben zu lassen. Und er spielt seine Rolle unverschämt gut.

‚Who do you love? / Who do you love? / Who do you love?‘

– „Na, dich jedenfalls nicht“, mag es der instrumental verwurzelten Postrock-Fankolonne unisono entfahren. Der weniger bissig Gestimmte rechnet es Pelican als Lockerungsübung an, die sie sich mit der fokussierten Arbeit auf ‚Forever Becoming‘ redlich verdient haben. Macht sich gut in der Fan-Sammlung, darf aber aus musikalischem Blickwinkel guten Gewissens überschlagen werden.

Im zurückhaltend gewürzten, auf Melancholie getrimmten B-Seiten-Stück ‚The Wait‘ – einem Nachzügler des letzten Albums – präsentiert sich die Band wieder so wortkarg, wie wir sie uns wünschen und fuhrwerkt im Ansatz auch so klanggewaltig, untermalt aber in erster Linie das Namentliche: Wartezeit. Und die stellt angesichts dieses doch recht schnell verdampften Tropfens hoffentlich auf keine allzu harte Probe.

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