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Morsefest 2015 Sola Scriptura & ? Live

Das nennt man einen Brocken! Mit dem Mitschnitt des „Morsefest 2015“ zeigt Neal Morse mal wieder klar, warum im Retroprog immer noch kein Konkurrent sein Niveau erreicht. Knapp fünf Stunden Musik, von Spock’s Beard über Transatlantic bis zur Solokarriere inklusive den kompletten „?“ und „Sola Scriptura“-Alben präsentieren den Prog-Prediger als den wohl besten Songwriter des Genres. Denn Morse schafft es, vertrackteste Strukturen, höchst eingängige Melodien, eine ordentliche Prise Rock’n’Roll und eine im Prog völlig unübliche Entspanntheit so problemlos miteinander verbindet, als müsse das eigentlich immer so sein.

Neben der großartigen Songs und Neals Beitrag an Vocals, Keys und Gitarre liegt das natürlich auch an den Herrschaften Mike Portnoy, Randy George, Bill Hubauer und Eric Gilette, a.k.a. The Neal Morse Band. Die spielen nämlich auch live auf einem musikalischen Niveau, das jedem Hobbymucker (und 99% aller Profis) die Tränen in die Augen treiben, technisch perfekt, aber nie steril, sondern jederzeit gefühlvoll, knackig und groovend. Dazu gibt es noch – nicht allzu übertriebene, dafür stimmige – LED-Projektionen und massenweise Gastmusiker. Darunter Backgroundsängerinnen, ein zusätzlicher vierzehnköpfiger Chor (!), eine Bläsersektion, Cello, Violine, Percussions – und, wem das noch nicht reicht, der bekommt noch Ex-Spock’s Beard-Kollege Nick D’Virgilio und Jamband-Pionier Phil Keaggy (Glass Harp) obendrauf. Etwas obskurer muten dann die Auftritte zweier Tänzerinnen und, speziell für Nicht-Christen, der eines Priesters an, der in ‚Solid As The Sun‘ eine kurze Predigt hält. Ohne Frage passt das aber alles ins Konzept, wirkt stimmig und zu keiner Sekunde aufgesetzt. Schließlich findet das Ganze – wie schon beim 2014er Morsefest – auch in einer Kirche statt, was dem Mitschnitt eine erfreuliche und sympathische Intimität verleiht. Gelegentlich hat man allerdings fast das Gefühl, es stünden mehr Menschen auf der Bühne als davor – wie erwähnt, sehr intim, inklusive Neals teils sehr emotionaler Ansagen.

Auch die Setlist bietet – neben den erwähnten Album-Performances – eine Menge feinen Stoff. Am willkommensten ist aber wohl die Livepremiere von ‚A Whole Nother Trip‘ von Neals fast vergessenen ersten Soloalbum „Neal Morse„. Für feuchte Augen sorgen aber auch die die Spock’s Beard-Perlen ‚At The End Of The Day‘ (mit Nick D’Virgilio) und der „The Light“-Klassiker ‚Go The Way You Go‘ – und das von Keyboarder Bill Hubauer großartig gesungene „MacArthur Park“.

Abgerundet wird das von einer einstündigen Dokumentation, die zwar auch ein paar langwierige, von ihrem Glauben inspirierte Fankommentare enthält, aber auch Einblicke in die Proben und Interviews mit den Bandmitgliedern, wobei einmal mehr Mike Portnoy als Obersympath herausragt. Speziell, wenn Mike und Phil Keaggy zusammen zur Akustikgitarre ihre liebsten Beatles-Songs anjammen, macht das Zusehen jede Menge Spaß. In dieser Dokumentation finden sich auch ein paar Auszüge aus dem „Inner Circle“-Akustikgig, welcher am Morgen des zweiten Morsefest-Tages stattfand und leider nicht komplett enthalten ist. Das hätte dem Ganzen noch das Sahnehäubchen aufgesetzt. Aber auch so ist „Morsefest 2015“ ein Pflichtprogramm für alle Morse-Fans und Progger im Allgemeinen. Alles Andere als eine glatte 1 wäre eine Beleidigung für den sympathischen Mastermind und diesen enorm unterhaltsamen Livemitschnitt.

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