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Moving Backwards

Nach zwei gelungenen EPs veröffentlichen die Alternative-/Prog-Metaller Wheel nun mit „Moving Backwards“ ihr Album-Debüt. Die britisch/finnische Combo hat sich dabei entschlossen, die Extreme in ihrem Songwriting etwas weiter auszuloten. Wo die Songs auf den EPs sich fast alle im „progüblichen“ Bereich zwischen sechs und sieben Minuten bewegten, gibt es auf dem Album nun drei echte Longtracks mit neun bzw. zehn Minuten Spielzeit, aber auch drei eher „konventionelle“ (nicht abwertend gemeint!) Rocksongs im Vier-Minuten-Format.

Die Mixtur aus ausgedehnten Prog-Kompositionen und kürzeren, gesangsdominierten Songs sorgt dabei für ein angenehm hohes Level an Abwechslung, und die vertrackten Danny-Carey-Rhythmen ziehen sich wie ein roter Faden durch sowohl die Longtracks als auch die „Quickies“. Stilistisch geht’s wie gehabt zu, irgendwo in der Nähe von Tool oder Karnivool mit ein paar gebremst screamigen Emo-Melodien (wieso sind die eigentlich derzeit wieder so beliebt?) und an Postmetal und U2 erinnernde, cleane Großflächengitarren. Die bisweilen leicht orientalisch eingefärbten Gitarren erinnern ein wenig an Orphaned Land, und in einigen Momenten fühlt man sich gar an Paradise Lost zu „Believe In Nothing“-Zeiten erinnert – beispielweise bei der Gitarrenlinie, die in ‚Tyrant‘ gegen 2:30 min auftaucht. Schwer, da nicht zumindest ein wenig an Greg Mackintosh zu denken. In ‚Where The Pieces Lie‘ und dem Rausschmeißer ‚Lacking‘ wird sogar klassisches Grunge-Riffing bemüht – man darf nicht vergessen, wie sehr Bands wie eben Tool ursprünglich von Soundgarden oder Alice In Chains beeinflusst waren. Schön, diese Roots auch in einer Band der jüngsten Generation wiederzufinden. Auch die Produktion ist ohne Frage gelungen, einerseits sauber und absolut professionell, im eingängigen Instrumental ‚Skeletons‘ schön groß und atmosphärisch, aber auch bei Bedarf ordentlich bratend und ziemlich heavy. Gelegentlich darf das Ganze erfreulicherweise auch mal kantig, dreckig und unbequem werden, und die gefühlvollen Vocals des Exil-Briten James Lascelles tragen ihr übrigens dazu bei, das Material erfreulich bodenständig klingen zu lassen. Die politisch motivierten Lyrics sind ebenfalls durchweg gelungen, die Band macht ihrem Zorn Luft, ohne dabei in irgendwelchen Agitprop-Klischees zu verfallen.

Natürlich, Wheel werden in Zukunft noch ein wenig daran arbeiten müssen, den starken Tool-Einfluss in persönlichere Bahnen zu lenken, noch hört man davon ein klein wenig zuviel heraus. Aber schließlich handelt es sich bei „Moving Backwards“ um ein Debütalbum – da bin ich gerne bereit, darüber hinwegzusehen, und wie oben erwähnt, scheinen die Einflüsse der Band breit genug gefächert zu sein. Da ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich daraus ein ureigenes Profil bildet – hat bei den erwähnten Karnivool oder bei Soen (mit denen Wheel übrigens im April durch Deutschland touren) schließlich auch ein wenig gedauert. Mit „Moving Backwards“ haben die Jungs auf jeden Fall eine starke Visitenkarte abgegeben, die Bock auf mehr macht. Die Zielgruppe darf gerne und ohne langes Nachdenken zuschlagen!

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