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Lebe Dein Traum

In diesem Text wird nicht auf den Corona-Virus verwiesen. Und schon ist er ein Oxymoron.

Ist es also moralisch vertretbar, in diesen Zeiten keine Bemerkung über die Pandemie verlieren? Frage falsch gestellt. Denn Moral ist nichts, wessen sich Rong Kong Koma verstärkt verpflichtet fühlen würden. Darum erlauben sie sich Textzeilen wie

und endlich bist du sprachlos
war auch Zeit, dass du einfach einmal die Fresse hältst
und akzeptierst, dass es ab hier nur noch bergab geht.
(Drogen oder Liebe)

Das ist aber aus dem Zusammenhang gerissen und kommt darum viel negativer rüber, als das Debütalbum der neuen Band um Sebastian Kiefer (Diving For Sunken Treasures, Huck Blues) sein will. Nicht von ungefähr ist es „Lebe dein Traum“ (Rookie Records) benannt. Die wilden Spekulationen mal beiseite gelassen, die die fehlerhafte Grammatik im Albumtitel hervorruft, darf man ihn als Aufforderung getrost ernst nehmen. Denn er begreift all seine schönen, verklärten, feuchten, schlechten und beängstigenden Varianten ein. Vorherrschend ist in alledem eine Lebenslust, die sich nicht nur textlich, sondern vornehmlich musikalisch Luft macht. Rong Kong Koma servieren ihren Folk-Punk medium rare, klingen nach Straßenmusik und Spontankonzert. Instrumentierung und Produktion der Songs werden auf das Notwendige reduziert; Tempo und Dynamik wird absolute Priorität eingeräumt.

Und ich treff dich heut mal wieder in meinem Bauch. (Blutdurst)

Dazu schwadroniert der Herr Kiefer offenherzig und ungeschönt vom Leben, mit all seinen Tiefen und Höhen und Tiefen. Er tut das mit bildreicher, gewitzter Sprache, ohne Illusionen, aber mit einer guten Portion Romantik:

und zum weitergehn brauch ich dich und deine wärme und den sturm, den wir säen / und zum weitergehn muss ich deine liebe spürn.
(Sieben Jahre)

Dazu gehört eine eigene Form von Lokalkolorit, die bereits mit der ersten Single „Scheiss Berliner“ frech vorgebracht wurde. Auch „Der schwerste Stein“ zeugt von Freude und Leid des Lebens in der Hauptstadt:

zu den dächern von berlin stinkt der zugang nach urin
da gibt es monotonie zu elektronischer musik
und existenzangst als antrieb

Schöne und harte, nie gefällige, aber immer ehrliche Worte liegen Sebastian Kiefer und seinen Mannen genauso im Blut wie ein ungezügelter Rhythmus. Das macht Rong Kong Koma und ihr „Lebe dein Traum“ zu einem überraschenden, wilden und geistreichen Erlebnis. Denn schließlich haben wir keine Zeit zu verlieren:

Ich glaube, wir gehen zu weit. Eine Nacht mehr, in der niemand schläft.


www.facebook.com/rongkongkomaberlin
www.rookierecords.de

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