Memories In Rock II
Dass Ritchie Blackmore wieder in den Schoss des Rock’n’Roll zurückkehren und Rainbow reformieren wolle, war vor zwei Jahren vielleicht nicht unbedingt eine wirkliche Sensation, aber für viele Hardrock-Fans eine der besten Nachrichten des Jahres. Nach dem Tod von Ronnie James Dio lag das Erbe der klassischen Rainbow-Phase in den Händen von Coverbands, und die Aussicht, die Songs vom Original zu hören, war einfach zu verlockend. Die Realität brachte allerdings eine ganze Reihe Enttäuschungen. Bei den ersten Rainbow-Gigs präsentierte Blackmore mit Ronnie Romero zwar einen fantastischen Sänger, der sowohl die Vorlagen von Dio als auch von David Coverdale, Ian Gillan, Graham Bonnet und Joe Lynn Turner überraschend souverän meisterte, aber auch eine nicht eingespielte Band, die sich enttäuschend holprig durch die Rainbow-Klassiker und unverhältnismäßig viel Deep Purple-Mk. II-Material dudelte. Die Mitschnitte der besagten Shows, „Memories In Rock“ und vor allem „Live In Birmingham“ waren noch dazu soundtechnisch eher mau ausgefallen, so dass die triumphale Rückkehr von Rainbow eher ins Wasser fiel.
Nun soll „Memories In Rock Vol. 2“, ein Mitschnitt der 2017er UK-Tour, das Bild geraderücken. Fangen wir mit dem Positiven an: der Sound ist diesmal deutlich besser ausgefallen als bei den vorangegangenen Scheiben. Es gibt auch mehr Rainbow– als Deep Purple-Material zu hören, alle Instrumente sind deutlich zu hören, und sogar das Publikum ist ein paar Mal deutlich zu vernehmen. Die Reaktionen desselben sind allerdings über weite Strecken eher verhalten ausgefallen – und das liegt an der Performance der Band. Die ist nämlich auch nicht besser als das, was 2016 geboten wurde. Sprich: Romero und ex-Stratovarius -Keyboarder Jens Johansson liefern oberste, den Songs (und dem Bandnamen!) absolut würdige Qualität ab, doch die Rhythmusgruppe und auch der Man In Black selbst agieren weit unter Durchschnitt. Ja, Blackmores Ton auf der Gitarre ist immer noch unverwechselbar, und wenn er sich mal ins Zeug legt, dann ist da immer noch Magie zu verspüren. Über weite Strecken aber kann er sich nicht einmal dazu bringen, die Rhythmusparts der Songs zu spielen und schrammt stattdessen nur rhythmisch über die abgedämpften Saiten. Bassist Bob Nouveau und Drummer David Keith stellen aber klar den Tiefpunkt dieser Band – und des Mitschnittes – dar. Natürlich kann niemand Cozy Powell und Jimmy Bain ersetzen, aber Blackmore hätte sich doch wenigstens um Musiker bemühen können, die deren Parts zumindest halbwegs vernünftig spielen können? Aber, ein Bobby Rondinelli oder – naheliegend – Jens Johannson hätten wohl mehr Geld verlangt und somit Blackmores Profit geschmälert. Das Ergebnis? Sämtliche Bassparts werden auf stupides Achtelgeschrubbe reduziert, und auch die Drums ignorieren stumpf sämtliche Details der Arrangements. Dazu agieren beide mit der Energie eines Alleinunterhalters beim Tanztee im Pflegeheim – jede Provinz-Coverband würde sich schämen, derart lächerlich schlappe Fassungen von ‚Long Live Rock’n’Roll‘ oder ‚Smoke On The Water‘ auf die Bühne zu bringen. Getoppt wird das noch vom Massaker an ‚Stargazer‘: im Original eine Lehrstunde für alle Rock-Drummer, lässt Keith nicht nur das ikonische Drumintro (für Nicht-Fans: das ‚Painkiller‘ der Siebziger) weg, sondern vereinfacht oder ignoriert gar sämtliche Breaks und Flourishes, die so untrennbar zum Song gehören. Da kann Romero so fantastisch singen wie er will, die Songs klingen hier einfach mies. Ja, schon der erste Break in ‚Spotlight Kid‘ ist derart unsauber gespielt, dass Fremdschämen angesagt ist, und das zieht sich leider bis zum Ende durch.
So schön es gewesen wäre, Rainbow noch einmal in voller Strahlkraft zu verabschieden, mit dieser lustlosen und unprofessionellen „take the money and run“-Performance kann man höchstens halbtaube Nostalgiker begeistern, die jeden Mist fressen, den Blackmore ihnen vorsetzt. Hier werden ein großartiger Backkatalog, ein eigentlich als Marke geltender Bandname und ein fantastischer Sänger verramscht. Dass auch aus den bisherigen acht (!) Konzerten dieser Besetzung bereits drei Liveplatten gestrickt wurden, sagt bereits alles: bei dieser „Reunion“ geht’s wohl um Ritchies Konto, nicht um Qualität. Die nichtssagenden Interviews auf der DVD und der schwache neue Studiosong ‚Waiting For A Sign‘ verstärken diesen Eindruck leider noch. Schade.