Over And Out
Das Gerücht, Rick Parfitt habe vor seinem Tod noch ein Soloalbum fast komplett fertigestellt, kursierte ja schon eine ganze Weile – nun steht „Over And Out“ dank der Unterstützung einiger von Ricks Weggefährten tatsächlich auch in den Plattenregalen. Es ist ja immer etwas schwierig, wenn der Künstler das Finish eines Albums nicht mehr selbst abnehmen kann, doch im Fall „Over And Out“ ist davon auszugehen, dass Ricks Endergebnis nicht viel anders ausgefallen wäre.
Allerdings muss man sich von der Erwartung lösen, dass Rick Parfitt auf dem Album im Alleingang das Jahr 1973 zurückbringen würde. „Over And Out“ ist stattdessen ein eher poppiges Album, das musikalisch eher an die Mittachtziger-Phase von Status Quo anknüpft – also „Back To Back“, „In The Army Now“ und „Ain’t Complaining“. Das ist aber nur für die Fans verwunderlich, denen nicht bewusst ist, daß einige Songs des Albums bereits Teil eines nie veröffentlichten Parfitt-Albums namens „Recorded Delivery“ anno 1985 waren. Der Rausschmeisser ‚Halloween‘ beispielsweise war in einer Frühfassung gar schon als Quo-B-Seite verwendet worden. So gibt es hier neben dem unumgänglichen Boogie-Rock in Form von ‚Lonesome Road‘, ‚Fight For Every Heartbeat‘ und ‚Everybody Knows How To Fly‘ auch Rockabilly (‚Lock Myself Away‘), ELO-artigen Bombast-Poprock (‚Twinkletoes‘, mit typischen Brian May-Gitarren und ‚Over And Out‘), eine täuschend echt klingende Roy Orbison-Huldigung (‚When I Was Falling In Love‘) und im erwähnten ‚Halloween‘ gar mit Gitarren aufgehübschten Synthie-Pop. Trotz Gästen wie Brian May oder Muse-Bassist Chris Wolstenholme (!) ist „Over And Out“ aber Ricks Show. Dessen typischer schelmischer Humor trifft auf einige Beobachtungen seiner eigenen Sterblichkeit – oft im selben Song. Ja, und Rossi mag der bessere Leadgitarrist gewesen sein, doch Rick war ganz klar der bessere Sänger der Beiden. So gelingt es ihm auch hier, alle stilistischen Schlenker mit viel Persönlichkeit zu füllen und somit „Over And Out“ schließlich doch wie ein geschlossenes Ganzes wirken zu lassen.
Wenn das letzte Status Quo-Livealbum „Last Night Of The Electrics“ schon Zweifel aufkommen liess, ob Rossis Entscheidung, die Band auch ohne seinen „partner in crime“ fortzuführen, so korrekt war, wird man bei „Over And Out“ permanent daran erinnert, was Rick Parfitt der Band über fünfzig Jahre lang beisteuerte. Rossi mag immer Gesicht und Hitschreiber der Band gewesen sein, doch Rick war das Herz und vor allem die Seele von Status Quo. Ob Rossi das selbst kapiert, bleibt hingegen fraglich – im Gegensatz zu Jeff Rich, Rhino Edwards, Bob Young und sogar Alan Lancaster fehlt auffälligerweise ausgerechnet sein Name in der Liste der Musiker, die dem Bandkollegen hier die letzte Ehre erweisen.