Gore
Aggressivität und Ästhetik. Das waren immer die verbindenden Elemente bei Deftones. Dem Quintett aus Sacramento gelingt es mit diesem Konglomerat, sich jetzt schon seit mehr als zwanzig Jahren in der Metal- bzw. Post-Metal-Szene ein Alleinstellungsmerkmal erster Güte zu sichern. Keine Band hat es bisher geschafft, ihnen das streitig zu machen. Und auch bei ihrem achten Studioalbum klingen Deftones immer noch nach Deftones und niemand anderem. Sie weigern sich konsequent, dem Trend in der Rockmusik zu folgen, alles zu glätten und elektronisch zu verschnörkeln. Sie ‚durchbohren‘ (engl. to gore) die festgefahrene Szene mit ihren wagemutigen, experimentellen Klängen, bei denen sich brachiale Gewalt und schwermütige Melodien vereinen.
‚Gore‘ lebt durch extreme Kontraste, vergleichbar mit dem Vorgänger ‚Saturday Night Wrist‘. Davon zeugt bereits das Artwork: Ein pinker Flamingoschwarm vor einem klaren Himmel. Besser könnte man nicht CD-Stöberer täuschen, die nach einer neuen ruhigen Pop-Platte suchen. Dabei hat das unschuldige Tiermotiv bei Deftones Tradition. Erst gab es ein ‚White Pony‘ und später eine Eule mit ‚Diamond Eyes‘. Vielleicht eine Anspielung auf die unaufhaltsame Naturgewalt?
Sänger Chino Moreno schafft es jedenfalls, mit schrillen Shouts im Wechsel mit klarem Gesang diesen schmalen Grad zwischen Eleganz und Brutalität nicht nur zu gehen, sondern meisterhaft und leichtfüßig zu überschreiten. Dass es so lange gedauert hat, bis er neue Songs vorlegte, immerhin vier Jahre, lag vor allem an seinen vielen musikalischen Seitensprüngen, darunter Team Sleep, Palms und Crosses. Aber lieber eine lange Pause als ein überstürztes neues Album, mit dem gerade so viele Metal-Bands enttäuschen. Selbst sagt Moreno, die neue Platte sei kein ‚happy record‘, aber ebenso ’not a completely angry record‘. Die Songs auf ‚Gore‘ würden eine Menge verschiedener Stimmungslagen wiedergeben. Das trifft zu. Instrumental wird genau das passend umgesetzt. Man hört immer noch den 90er-Metal-Sound heraus. Ein Classic-Hardrock-Solo gibt es bei ‚Phantom Bride‘ sogar vom Gastauftritt Jerry Cantrell (Alice In Chains). Aber man merkt wie auch bei den Vorgängern, dass sich Deftones ständig weiterentwickeln.
Eingefleischte Fans wissen längst, dass sie nicht auf catchige Refrains hoffen dürfen. Dafür aber auf viel Abwechslung. Wer die Schönheit im Chaos sucht, findet sie auf ‚Gore‘.