|

Blues of Desperation

Schon im zarten Alter von zwölf Jahren war Joe Bonamassa Warm-up für den legendären B.B. King. Über die Jahre hat Bonamassa mit den Großen gespielt – Clapton, Winwood, Foreigner, Allman. Eins ist unbestritten, der Mann aus New Hartford ist ein begnadeter Gitarrist. Manchmal hält er sich ein wenig zu sehr für God’s gift to the Blues, aber irgendwie ist er das ja auch meistens. Singen ließ er mitunter lieber andere, wundervoll zum Beispiel Beth Hart. Diesmal macht er’s wieder selber.

‚Blues of Desperation‘ ist sein nunmehr 17. Album. Der Opener ‚This Train‘ ist von einer gewissen rohen Kratzigkeit, stellt man halb erstaunt fest, aber das hat Methode. ‚Drive‘ offeriert eine Form von Stressbekämpfung, die Eltern unruhiger Babies dem Vernehmen nach auch mitunter praktizieren, nämlich den Querulanten oder die Querulantin einpacken und einfach mal durch die Nacht fahren. Mit ‚No Good Place for the Lonely‘ treffen wir auf den ersten klassischen Bluessong des Albums und das Gitarren-Intro führt einem wieder vor Augen, was Bonamassa kann. Gesangliche Range gehört allerdings leider nicht dazu. Er macht aber das Beste aus dem, was er hat. Der Titeltrack überzeugt – auch aus diesem Grund – nicht ganz.

Die Songs sind bis auf zwei Tracks mit zwei verschiedenen Partnern entstanden, James House und Tom Hambridge. Die zahlenmäßig unterlegenen Songs mit Hambridge gefallen mit Ausnahme der sehr starken House-Kollaboration ‚How Deep This River Runs‘ leicht besser, fühlen sich runder an. Textlich könnten die Songs alle ein wenig dichter sein. Das hat oft keinen rechten Flow und ungefähr so viel Tiefe wie der Mississippi an einer Sandbank.

Glänzende Augen bekommt der Aficionado wenn er/sie die Liste der verwendeten Gitarren im Booklet durchliest. Joes Sammlung gilt als eine der besten in der Welt und hier ist einiges geboten. Seine 59er Les Paul ist natürlich auch mit von der Partie. Am Umgang mit den Saiten ist nicht ein winziges bisschen auszusetzen auf dieser Platte. Ein schönes Riff jagt das nächste, klanglich und farblich ungeheuer variabel, geradezu tödlich virtuos und auf den Punkt. Das ist und bleibt großes Kino eines großen Künstlers.

Manchmal scheitern Platten auch an der Erwartungshaltung des Hörers oder an ihren eigenen Ansprüchen. Das ist immer eine Tragödie – in sehr viel höherem Grad, als wenn eine Scheibe an Unvermögen scheitert. ‚Blues of Desperation‘ ist ein Album, das irgendwie nicht so recht aus den Startblöcken kommt und am Ende des Tages nicht zu überzeugen weiß.

Schade an sich, denn an der Bluesgitarre kommt an Bonamassa wirklich keiner vorbei. Andererseits sagt der Meister selber ja auch in der Danksagung an seine Fans im Album-Booklet, dass sie der Grund sind, warum er stetig versucht, sich musikalisch zu verbessern. Insofern sehen wir dieses Album als einen weiteren Meilenstein auf diesem Weg und der kurz vor dem 39. Geburtstag stehende Bonamassa hat ja auch noch genug Zeit für weitere Entwicklungen.

Und wenn der Player nach dem letzten Track zu ‚Sinner’s Prayer‘ vom Album ‚Don’t Explain‘ springt, ist man auch wieder versöhnt mit der Blueswelt.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar