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Playland

‚Homo Ludens‘ – so der Titel einer 1938 publizierten Lektüre des niederländischen Kulturwissenschaftlers Johan Huizinga. Darin definiert er die These, dass das Konzept des Spiels als Grundbaustein für die charakterliche Entwicklung gilt. Der Mensch entdeckt seine individuellen Eigenschaften im Spiel und formt somit über die gesammelten Erfahrungen seine angelegte Persönlichkeit. Diesem Modell entnimmt Johnny Marr seinen Albumtitel ‚Playland‘. Und im Nachhinein merkt man, dass er zu den sinnvollsten ‚Um-Die-Ecke-Denken‘-Plattennamen gehört, der in letzter Zeit auftauchte. Denn nach dem Hören der elf Songs kann man sich bildlich vorstellen, wie die Studioaufnahmen abliefen: Marr hat eine Idee, die anderen Instrumente steigen ein, es wird drauf los gejamt und Bumm – schon ist der nächste Song im Kasten. Was auch erklären würde, wieso die Zeit zwischen seinem Solodebüt ‚The Messenger‘ und dem neuen Release gerade mal anderthalb Jahre beträgt.

Und genau so ist die Persönlichkeit des Albums mit Verweis auf das ‚Homo Ludens‘ Modell entstanden und zu erklären. Es ist ideenreich, mit großer Soundvielfalt und authentisch. Grob gefasst kann man ‚Playland‘ in drei Klangarten unterteilen. Die erste wäre die indie-punkige Rock-Wucht, mit der versucht, die Umgebung zum Erschallen zu bringen – in dem Fall London und Manchester. Dabei hört man sowohl Anlehnungen an britischen Punk der späten 1970er als auch moderne Einflüsse à la Arctic Monkeys heraus. Der Opener ‚Back In The Box‘ beispielsweise lädt mit pulsierendem Tom-Beat, schlichten Gitarren-Riffs und flottem Space-Synthesizer nach zehn Sekunden zum Mitwippen ein. Auch das düsterere ’25 Hours‘ mit Sprechgesang, klirrender hoher Gitarre und Muse-Charakter oder der Song ‚Playland‘ mit dem für Punk typischen Dialog zwischen Gesang und E-Gitarre zählen dazu. Und die ganze Zeit über singt Marr wie Alex Turner, nur erwachsener. Trotzdem merkt man in der Stimme des Ex-Smiths seine 50 Jahre überhaupt nicht an. Der frische Gesang könnte eher vermuten lassen, dass er gerade mal halb so alt ist.

Der zweite Sound des Albums setzt dann einen eher luftigen, abhebenden (nicht abgehobenen) Fokus wie in ‚Dynamo‘ und ‚The Trap‘: mit ihren sphärischen Synthies, reichlich Delay und dem Kontrast zwischen relativ eintönigen Melodien und interessant wechselnden Harmonien, die als prägende Stütze dienen und locker um den Kopf des Hörers herumschwirren. Zum Schluss von ‚Playland‘ beweist Marr noch, dass er diese beiden Klangarten vereinen kann: ‚Little King‘ liefert sowohl irgendwo oben in den Wolken hallende Gitarren als auch einen prägnanten Beat und eine durchrushende Bassline.

Witzigerweise ist der beste Track des Albums ‚Easy Money‘ in keine der beiden Sparten wirklich einzuordnen: für Punk ist es zu ‚indie‘, und das Sphärische fehlt hier komplett. Dank seiner hohen Twang-Gitarre, stark verzerrtem Synthie-Bass und einem straighten Schlagzeug, welches von einem Shaker charismatisch unterstützt wird, ist der Song zwar recht simpel gehalten, aber dafür knackig und voll auf den Punkt gespielt. Man kann gleich im zweiten Refrain mühelos die melodiös catchigen Verse mitsingen (

‚I used to want it all – that’s money money! That’s money money! That’s money money!‘

) und wird diesen garantierten Ohrwurm so leicht nicht mehr los.

So kreiert Johnny Marr innerhalb kurzer Zeit eine abwechslungsreiche Scheibe, welche sich seinem Stil und Sound trotzdem treu bleibt. Innerhalb der einzelnen Songs sind dann manche Stellen zu eintönig oder mit weniger Einfällen versehen als möglich wäre. Mit etwas mehr Zeit wäre es womöglich zu einem Erste-Sahne-Rock-Album herangereift. Aber so haben wir bereits jetzt unseren Spaß und Johnny hat uns netterweise das häufig unterträgliche Warten auf Nachfolgeralben verkürzt, ohne uns dabei zu enttäuschen.

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