Leaves
Das Genre „New Artrock“ ist mittlerweile hoffnungslos überlaufen. Es gibt soviele Bands, die irgendwo zwischen Anathema, Steven Wilson und Postrock agieren, daß man mittlerweile schon gar keinen Überblick mehr halten kann. Die blutjunge Newcomerband Aëdon aus dem Ruhrpott hat sich ebenfalls in diesem stilistischen Eckchen angesiedelt und legen mit der EP „Leaves“ nun ein erstes Lebenszeichen vor.
Positiv sticht schon gleich im Opener ‚Dried Out Streams‘ die Stimme von Frontmann Simon Gatzka hervor. Mit gerade mal 22 Lebensjahren kann er bereits mit extrem selbstsicheren und gefühligen Vocals punkten, die auch in den höchsten Falsettlagen stets souverän und glasklar bleiben. Auch der Rest der Band läßt sich nicht lumpen und spielt wunderbar reduziert und songdienlich, so daß ‚Dried Out Streams‘ als sehr beeindruckender Opener im Stile der Norweger Gazpacho aufhorchen lässt. Leider folgt darauf mit ‚Change This World‘ ein stinklangweiliger, Standard-F-Alternativrocker, der weder melodisch noch atmosphärisch punkten kann und noch dazu mit einem tausendfach gehörten Pseudo-Progmetal-Riff und sinnlosem Geshredde im Gitarrensolo, nun ja, nervt. Der Refrain klingt noch dazu kräftig nach einem Duran Duran-Song, der mir jetzt aber partout nicht einfallen will. Die qualitative Diskrepanz zwischen den beiden Songs ist kaum zu glauben, zieht sich aber durch das Material der EP leider komplett durch. Der Schlusstrack ‚Leaves Are Turning Red‘ ist genauso großartig wie der Opener, während ‚The Road‘ in den Strophen ein wenig nach The Gathering tönt, aber im Refrain alles mit übelstem Linkin Park-Pathos überzieht. ‚Make It Right‘ hat ein schönes Pianoarrangement und einen durchaus eingängigen Refrain, der allerdings mit seiner Bombastkeule ein wenig aufgesetzt wirkt – und leider auch nicht unbedingt zu Simons eher im introspektiven Bereich triumphierenden Gesangsstimme passt. Ganz schlicht könnte man behaupten, das das ruhige Material, das vollkommen den Gesang in den Mittelpunkt stellt, einfach klasse ist und die gitarrenlastigen, „heavieren“ Stücke leider maximal Mittelmäßigkeit erreichen.
Ich schiebe die Uneinheitlichkeit der „Leaves“-EP jetzt einfach mal auf die Jugendlichkeit der Musiker und die Tatsache, daß die Band erst anderthalb Jahre existiert. Womöglich war es für diese EP einfach ein wenig zu früh, denn es ist deutlich zu hören, daß Aëdon sich stilistisch noch lange nicht gefunden haben und ihre Stärken und Schwächen erst einmal ausloten müssen. Immerhin, zwei wirklich tolle Songs, die der professionellen Konkurrenz fast ebenbürtig sind, hat die Band bereits zu bieten – und da kann eben bei weitem nicht jede „frisch geschlüpfte“ Band von sich behaupten. Sollten Aëdon es schaffen, in Zukunft mehr von diesen atmosphärischen Werken zu kreieren und sich von der Klischeehaftigkeit ihrer härteren Seite zu lösen, dann dürfte in ein paar Jahren durchaus auch auf professioneller Ebene mit der Band zu rechnen sein.
Wer „Leaves“ ordern möchte, kann das entweder über Amazon (Link siehe rechts) oder über die Band selbst tun. In diesem Fall kontaktiert bitte aedon@web.de!