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Hypercaffium Spazzinate

2016 scheint das Jahr der Rückkehr der Punk-Rock-Legenden zu sein. Anfang Juli hatten die Adolescents bereits ihr neues Album ‚Manifest Density‘ veröffentlicht und nun folgt mit den Descendents eine weitere große Punk-Band der Achtziger, die es noch einmal wissen wollen. Der Titel des neuen Machwerks, dass zwölf Jahre nach ‚Cool To Be You‘ erscheint, ist allerdings geradezu prädestiniert für eine falsche Aussprache: Hypercaffein…, Hypercoffin…, Hypercalcium…, ‚Hypercaffium Spazzinate‘. Wer ist bloß auf diese Idee gekommen?

Trotz des etwas eigenwilligen Namens, bleiben sich die Descendents inhaltlich treu und liefern geradlinigen Punkrock der alten Schule, der dort anfängt, wo der Vorgänger von 2004 aufhörte. Auch das Cover-Design sorgt mit der guten alten Milo-Karikatur für Wiedererkennungswert. Wie bei vielen Bands, die sich immer wieder auf eine einmal erfolgreich angewandte Formel zurückbesinnen, wie beispielswiese Bad Religion oder Sick Of It All, reicht das Spektrum auf ‚Hypercaffium Spazzinate‘ von Evergreen bis Durchschnittskost. Einige Songs bleiben auf ewig im Ohr hängen, bei anderen wiederum weiß man auch nach dem fünfzigsten Mal hören nicht wie der Titel lautet. Auch wenn es jetzt so klingen mag, die neue LP ist in keinster Weise ein Reinfall!

Dafür sorgen alleine schon Lieder wie ‚Victim Of Me‘, das man bereits vorab probehören konnte und das geradezu als Musterbeispiel für einen perfekten Punkrock-Song herhalten kann. Schnell, eingängig, auf den Punkt und mit einer klaren Message: überwinde dich selbst, um frei zu sein. Ohne Weiteres der beste Song auf ‚Hypercaffium Spazzinate‘. Und geht es nur mir so oder klingt Milo Aukerman hier verdächtig nach Greg Graffin!? Dann wiederum gibt es Lieder wie ‚Human Being‘ oder ‚We Got Defeat‘, die einfach nur ‚okay‘ sind. Im positiven wie im negativen. Aber bei insgesamt sechzehn Tracks kann halt nicht jeder Song ein Hit sein. Dafür gibt es allerdings auch keinerlei Totalausfälle.

Über jeden Zweifel erhaben und geradezu unnahbar wirken hingegen Karl Alvarez‘ Bass-Lines. Bei einem Musikstil mit relativ einfachen Strukturen wie Punk, bereichern schon kleinste Nuancen den Gesamteindruck ungemein und wahrlich, Nuancen liefert Alvarez hier ohne Ende. Alleine in dem kurzen Intro von ‚Fighting Myself‘ stecken mehr Noten und Abwechslung als in so manchem kompletten Album. Hands down, der Mann ist ein Virtuose am Viersaiter!

Thematisch folgt das Album keiner klaren Linie, sondern thematisiert breitgefächert gesellschaftliche Probleme oder persönliche Gefühlslagen. Wasser predigende und Wein trinkende Geistliche (‚Shameless Halo‘), krank machende Fast-Food-Kultur (‚No Fat Burger‘), Pessimismus (‚Smile‘), die Schattenseiten der Menschheit (‚Human Being‘)…

Nach zwölf Jahren kreativer Pause zeigen die die Descendents, dass sie auch nach fast 30 Jahren ihres Bestehens nichts von ihrem Biss eingebüßt haben. ‚Hypercaffium Spazzinate‘ ist etwas weniger aggressiv als das Mit-Neunziger ‚Everything Sucks‘ und von der Akustik und dem Tempo her in etwa auf dem Niveau von ‚Cool To Be You‘. Nicht jeder Titel ist ein Ohrwurm, dafür aber jeder zweite, wobei auch die anderen Tracks durchgängig unterhalten. Wer auch nur ein bisschen Interesse an althergebrachtem Punkrock hat, wird an der Platte mit dem komischen Namen gewiss Gefallen finden. Descendents-Fans sowieso. Und Bassisten. Und eigentlich überhaupt jeder, der keine Abneigung gegen gute Musik hat.

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