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Too Bright

‚Angel just above the grid / Open, smiling, reach out / That’s alright / I decline.‘

Was glaubt eigentlich Königin Mike Hadreas, wer er ist, die rettende Hand der heilsbringenden Engelsgestalt zurückzuweisen? Mit schweren Gliedern thront er auf seinem selbsterrichteten Tränenpfuhl, kein bisschen selbstgefällig, aber herrlich theatralisch. Sein neues Album ‚Too Bright‘ huldigt der Melancholie in einem ergreifenden Kurzfeuerwerk der Superlative.

Eingerahmt von besinnlich-puristischen Klavier-Kabinettstückchen testet Perfume Genius hier ein weiteres Mal Grenzen aus – und sieht, wie leicht diese doch zu sprengen sind. Sein Selbstbewusstsein quillt aus jeder Note und bereitet den Boden für immer weitere stilistische Schlenker, frei nach dieser einen bemerkenswerten Zeile aus ‚Queen‘:

‚No family is safe when I sashay‘

. Fürwahr: Herzerweichendes, angestrengtes Jaulen wie in ‚Fool‘ wechselt sich ab mit entspanntem, groovigem Fingerschnipsen – und das in ein und demselben Track -; die von spitzen Schreien durchfahrene, hektische Klangcollage ‚Grid‘ mündet über einen verqueren Umweg durch die Kannibalenszene (‚Longpig‘) in ein tiefenlastig verfremdetes, dunkel eingefärbtes Schauermärchen namens ‚I’m A Mother‘.

Den eigentlich Höhepunkt erreicht Hadreas‘ groteske Poesie jedoch erst im zerrbildhaften ‚My Body‘:

‚I wear my body like a rotted peach / You can have it if you can handle the stink / I’m as open as a gutted pig.‘

Wer hier Gänsehaut bekommt, ist nicht notwendigerweise abartig veranlagt, sondern hat schlichtweg an der richtigen Stelle ins Plattenregal gegriffen.

Nicht, ohne zuvor gewarnt worden zu sein. ‚Too Bright‘ schlägt bereits in seinem Titel Alarm. Es lässt auf engem Raum so viel buntes Zeug vor sich gehen, experimentiert in so vielen Reagenzgläsern zugleich, ficht so viele Kämpfe auf einmal aus, dass der Rezipient die zeitliche Begrenztheit kaum miterleben wird. Und immer genau dann, wenn das Album danach verlangt, lässt Mike Hadreas eine schlichte, geerdete Klavierballade folgen, um nicht vollends zu verstören.

Mal für Mal bestätigt sich: Perfume Genius ist das Pseudonym eines Mannes, der seinem Glück nicht traut.

‚Don’t let them in / They’re well intended / But each comment rattles some deep / ancient queen‘

, warnt er in ‚Don’t Let Them In‘. So melancholisch, aber doch so schrecklich schrill. Sollte er jemals Zutrauen zum Schicksal fassen, es wäre ganz gewiss nicht im Sinne des Hörers.

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