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Primrose Green

Hier sind die Vorbilder hoch gesteckt: Irgendwo zwischen Van Morrison und Nick Drake liegt das 70er-Jahre-angehauchte Gitarrenspiel von Ryley Walker. Nur sein starker amerikanischer Akzent verrät, dass der 25-jährige Singer-Songwriter nicht der britischen Folkschule entschlüpft ist, sondern die Chicagoer Blues-Kneipen sein zu Hause nennt. Ein junger Mann, der soundtechnisch nicht aus dieser Zeit zu sein scheint und trotzdem erfrischend klingt.

‚Primrose Green‘ ist Walkers zweites Album, auf dem er sich mit seiner Band in einer einzigen Wolke aus Improvisation und Gejamme verliert. Aus der schieren Not des Zeitdrucks gebaren sie zusammen in kürzester Zeit ein Werk zwischen Blues, Jazz und Folk. Ryley Walker zeigt sein virtuoses Spiel, das niemals an Dynamik einbüßen muss, inmitten eines hochkarätigen Musikerensembles. Songs wie ‚Primrose Green‘ oder ‚Love Can Be So Cruel‘, das durch Vibraphon und antreibenden Drums hervorsticht, leben von der Instrumentenvielfalt und lassen keinen Zweifel an der zeitlosen Schönheit gut gespielter Jazz- und Folkmusik. Auf ‚Same Minds‘ ist es die Tiefe des Kontrabasses, die den besonderen Reiz kreiert, auf ‚The High Road‘ sind es die Streichinstrumente. Nur ein einziges Mal wird Ryley Walker der Singer-Songwriter-Rolle gerecht, wenn er sich allein zu ‚Hide In The Roses‘ auf seiner Guild D-35-Gitarre begleitet.

Vielversprechend beginnt jeder einzelne der zehn Songs, die trotzdem nicht vollends überzeugen wollen. Der eigentliche Dämpfer liegt dabei in der Übereifrigkeit und Überlagerung der einzelnen Instrumente. Viele Köche verderben selbst Brei, der nur aus den besten Zutaten besteht. So verhaken sich Bass, Gitarre, Drums, Keyboard oder Vibraphon zu sehr ineinander, ohne sich zum Schluss entwirren zu können. Am auffälligsten ist das bei ‚Sweet Satisfaction‘. Der Song lebt von einer durch Lust und Intensität geprägten Atmosphäre, die durch das schlussendliche Aufbäumen aller Instrumente zerrissen wird. Dazu schafft es Walker selbst gesanglich nicht komplett zu überzeugen. Selten sind die Momente, in denen er seiner Stimme zutraut, sich über die Musik zu heben. Der durchdringende und zuweilen zu aggressive Gesang büßt stark an Emotionalität ein. Die richtigen Gefühle zu transportieren, bleibt ihm vergönnt. Kein Wunder, dass sich auf dem Album ein reines Instrumentalstück (‚Griffiths Bucks Blues‘) zwischen die zehn anderen geschummelt hat.

Das Niveau auf ‚Primrose Green‘ ist hoch. Ryley Walker und sein lokales Musikerensemble strotzen vor Talent und Taktgefühl. Trotzdem fehlt den Songs noch der richtige Rahmen und die nötige Zurückhaltung, um auf voller Linie überzeugen zu können.

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