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Kalte Wände

„Gut und dir“, so stellten sich Keele vor gut zwei Jahren dem geneigten Publikum vor. Schnell ließ sich aber feststellen, dass bei dem Fünfer aus Norddeutschland gar nicht alles eitel Sonnenschein, sondern eine gewisse Melancholie sein treuer Begleiter ist. Die Frage nach dem Wohlbefinden beantwortete sich anhand des gerade erschienenen zweiten Albums nun mit noch mehr gemischten Gefühlen. In „Kalte Wände“ (Rookie Records) sind elf neue Geschichten gebettet, die erneut wort- und bildreich erzählt werden, von Tragischem und Schönem, von Wut, Verzweiflung, Hoffnung und Freude.

Verkopfter noch als das Debüt kommt dieser Zweitling daher. Das liegt an Textkonstrukten wie: „Das war so abzusehen. Wir wollen im Aufwärtstrend liegen, ohne aufzustehen. Denn da ist mehr Wort als Halt.“ („Nullpunkt“) Oder etwa: „Wir liegen im Schatten, in der Unsichtbarkeit. Eingekreist von Konturen deiner Brust, angeschwollen vor Stolz.“ („Hypertonie“) Oder auch diesem: „In diesem Grenzbereich ist kein Platz für ein Vielleicht. Denn hier ist viel zu wenig Zeit. Kein Schmerz ohne Widerstand.“ („Grenzbereich“)

Wenn sich der tiefere Sinn mitunter nicht sofort zu erschließen vermag, wird doch zumindest klar, dass es nicht immer fröhlich, geschweige denn leichtfertig zugeht im Keele-Universum. Musikalisch hat das in den vergangenen zwei Jahren eine Differenzierung, auch Vertiefung erfahren. „Kalte Wände“ lässt sich nicht mehr einfach so durchtanzen, wie es noch beim Debüt der Fall war. Jetzt wird die Hörerschaft öfter zum Innehalten gezwungen. Und während so Manche/r noch über eine Textzeile nachgrübelt, ist die Band unaufhaltsam aktionistisch schon zwei Songs weiter.

Es erfordert Einiges an Aufmerksamkeit, aber am Ende verstehen wir wohl doch, was Keele uns mit ihrem Intellektuellen-Emo-Postpunk sagen wollen. Man könnte Lesungen mit ihren Texten veranstalten. Als Ausgleich dazu bedient deren Vertonung eher gut erprobte Allgemeinplätze. Die ist in der Grundlage wieder gitarrenstark, pogo- und mitsingtauglich, erweitert diesmal noch um Shoegaze-artige Noise-Wände („Panem“) und mathrockige Einlagen („Abendland“).

Wenn angesichts der Inhaltsschwere der Kopf anfängt zu schwirren, darf das Album gern unterbrochen und nach einer Verschnaufpause weitergehört werden. Denn so funktionieren Keele-Songs am besten: eher sparsam dosiert, als Impulsgeber für den Moment, Aufpusher oder zum schnellen Abreagieren.

 

www.keele.de

www.rookierecords.de

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