Keep You
‚I’m still always slowly waiting for what follows / For what I’ve learned about being so defined by someone dying‘
– Ripple Water Shine
Offenbar ist im Hause Pianos Become The Teeth die Weisheit ausgebrochen.
‚You can’t be everything you want to be before your time‘
, singt Kyle Durfey in ‚Late Lives‘. Worüber noch zu reden sein dürfte, denn a) zitiert der Mann hier aus Billy Joels ‚Vienna‘, und b) ist vom Begriff des Singens im Zusammenhang mit der Band aus Baltimore bislang noch nicht allzu reger Gebrauch gemacht worden. In Kürze wird es allen Grund zum Umdenken geben, denn mit ‚Keep You‘ stecken Pianos Become The Teeth ein für sie weitgehend neues Feld ab. Ganz einfach, weil – richtig! – die Zeit dazu gekommen ist.
Distorsion und rohe Emotion: bislang zwei Gesichtspunkte, die sich im Betätigungsfeld der Post-Hardcorer nicht nur stimmig koexistierten, sondern sich auch gegenseitig bedangen. Jetzt scheint beides sich gegenseitig auszuschließen. Man wolle sich, so hieß es, mit ‚Keep You‘ auf einen der beiden Aspekte, die Emotion, konzentrieren. Gesagt, getan: Pianos Become The Teeth kommen auf ihrem neuen Album klanglich wenig sinngestaltend, dafür aber so gläsern und blankpoliert wie noch nie vor den Tag. Und schaffen es dabei irgendwie doch, natürlich-unverfälscht zu klingen.
‚A lack of noise isn’t a lack of life‘
, bekundet Durfey nachträglich in ‚Say Nothing‘. ‚Keep You‘ wird in die Diskographie eingehen als kontrollierte Nachglut seiner Vorgänger. Genau die richtige Modulation also für ein Album, das sich den Chancen widmet, die man verpasst hat, sich einem anderen Menschen mitzuteilen.
Und genau die falsche für diejenigen, die Pianos ob ihrer kratzig-zerschundenen Spielart der Melancholie liebten. Die Rostschicht haben sie praktisch restlos von Saiten und Stimmbändern abgebürstet, diese Schurken, die Verzerrer blieben über weite Teile der Aufnahmen kalt – zugunsten eines klaren, transparenten, postrockig-introvertierten Sounds, der die Schärfe der Verzweiflung neutralisiert und das klärende Licht eines Tagesanbruchs über das seelische Trümmerfeld wirft. Analog ist Durfey lediglich zwei-, dreimal gegen Ende des Albums an der Schwelle zum Screaming anzutreffen, besinnt sich aber jeweils rechtzeitig noch eines… Besseren? Eine nicht ganz einfache Frage. Durfey, dessen biographische Verarbeitungsprozesse traditionell die PBTT-Alben prägen, singt vergleichsweise gut, wenngleich die Gestade der Läuterung noch in einiger Entfernung liegen: Pianos Become The Teeth wirken geglättet, wenn nicht gar geplättet, lyrisch zumindest jedoch kaum ihrer stilgebenden Bürde entlastet. Ob dies zur Beschwichtigung genügt, ist fraglich. Der Einwand atmosphärischer Einbuße nämlich ist auch mit den gewohnt starken Lyrics nicht völlig zu zerstreuen. Erst recht nicht unter dem Eindruck, den die letzten Minuten des Albums von dem erwecken, was hier statt einem 00er Emocore-Referenzenreigen noch möglich gewesen wäre.
‚And the tree tops like crooked beliefs / cross hatch crows feet reaching for the Baltimore heat / and I repine faster and faster now‘
, klagt Kyle abgekämpft in ‚Repine‘.
‚Your wick won’t burn away / What are we without regret / What are we?‘
Möglich, dass das leidensmüde Quintett bald mehr Existenz spürt als gewünscht.