Rays Of Darkness
Kalauerprophylaxe zuerst: Mono arbeiten nicht monothematisch. Aber es soll ja auch schon vorgekommen sein, dass Familie Müller sich das Mehl beim Nachbarn leihen musste. Anyway: Selten hat man eine Band so nonchalant mit ihrem Bandnamen brechen sehen wie Mono. Das Postrock-Gespann aus Tokio wagt es tatsächlich, an ein und demselben Datum zwei Alben auf den Markt zu bringen. Zwar eint beide ihr gemeinsames Konzept wie auch das sich hübsch über beide CD-Cover erstreckende Artwork. Erwerben können wird man sie – vorbehaltlich eventueller Fan-Bundles – allerdings nur einzeln. Wozu das Ganze? Nun, Frontmann Taka war ein akuter Überfluss an Inspiration vergönnt. Hinzu kam das unter Postrockern ohnehin schon verbreitete, hier aber auf die Spitze getriebene Faible für Dualismen, Gegensätze und Kontraste.
Das Schlüsselmoment des Doppelreleases ist in keinem der Tracks zu suchen, sondern liegt in der gedachten Schnittstelle zwischen beiden Alben, und die muss man sich erst fleißig ertasten: Die Übergänge verlaufen nicht in geometrischer Trennschärfe, vielmehr ist jedes der beiden Alben im jeweils anderen schon – beziehungsweise noch – unterschwellig angelegt. Mithin verkörpert ‚The Last Dawn‘ ebensowenig reine Fröhlichkeit wie ‚Rays Of Darkness‘ das akustische Pechfass ist, das man hinter ihm vermuten mag.
Während aber ‚The Last Dawn‘ seinen Hörer geduldig mit Motivrepetitionen an Klavier und Gitarre umrankt, geht ‚Rays Of Darkness‘ offensiver zu Werke, jagt die Hooks forscher als es müsste und ohne viel Rücksicht auf Schrammen durch seine zunächst engen Klangkorridore. Unsaubere Störfeuer, Rückkopplungen und röhrende Riffs sind seine Insignien; ein Stück wie ‚Recoil, Ignite‘ trägt sie alle in sich. Durchschossen von Instrumentalschrapnellen und von splittrigen Texturen unterfüttert mündet der unheilvolle Counterpart mit ‚The Hands That Hold The Truth‘ betiteltes furioses Finale, das in seiner Endgültigkeit noch unterstrichen wird durch die epischen Screams von envy-Vokalist Tetsu Fukagawa. ‚The Last Rays‘ besiegelt als minutenlanger Drone-Track den Siegeszug der Dunkelheit. Danach ist Schluss.
‚The Last Dawn‘ lässt all dies lange Zeit unter seiner Oberfläche brodeln und sirren. Es versprüht den schweren Duft welker Blüten im sterbenden Idyll. Ein letztes Mal noch tanzen Elfen, glitzert der Abendtau, bevor mit ‚Cyclone‘ der unruhige Streicher-Tremor einem einem finalen Aufbäumen klanglicher Wärme weicht. Ist dieser Schwall erst einmal abgeflossen, lässt das Album überraschend bereitwillig auf seine Variantenarmut blicken. Bis zum Anbeginn seines aufgeweckteren Pendants regiert wohlig einlullende Harmlosigkeit. Im Hinblick auf das sich Ankündigende zweifellos ein geschickter Zug.
So formvollendet aber Mono das Yin-und-Yang-Prinzip auch realisiert haben mögen: Ohne ihr jeweiliges Gegenstück verlieren beide Alben an Glanz und Durchschlagskraft – das allzu rundgefeilte, von Sequenzenschleifen geprägte ‚The Last Dawn‘ im Speziellen, aber auch ‚Rays Of Darkness‘ offenbart in Teilen ein schnödes Allerweltsgesicht. Sie brauchen ihren Zwilling um sich, um aufzublühen. Drum bleibt wenig anderes übrig, als zusammenwachsen zu lassen, was zusammen gehört, um schließlich reich zu ernten. Das gute alte Doppelalbum hätte es hier sicher auch getan.