Leaves

Wenn gerade im – lustigerweise vornehmlich konservativen – Progbereich eine Band vollmundig gravierende Veränderungen und Weiterentwicklungen im Sound ankündigt, stellt man als Hörer nicht selten fest, daß es damit nicht weit her ist und oftmals alles beim Alten bleibt. Auch beim aktuellen Werk der britisch-holländischen Nine Stones Close ist das nicht übertrieben. Da wird wohl im ersten Moment so mancher Hörer nachsehen, ob er die richtige CD erwischt hat.

Bandleader Adrian Jones hat seit der letzten Scheibe einige Positionen in der Band umbesetzt, und das hört man. Neu-Sänger Adrian O’Shaughnessy ist ganz klar Rockshouter, erinnert gelegentlich an Damian Wilson und werkelt somit auf einer ganz anderen Baustelle als sein Vorgänger. Das passt durchaus zur Musik, denn statt der spacig-verträumten Klangreisen der Vorgänger geht’s hier deutlich härter und düsterer zu. Der Opener ‚Complicated‘ beispielsweise ist eine musikalisch eher schlichte, pure Alternativ-Rock-Nummer, die mit Progressive Rock rein gar nix mehr zu tun hat. Leider taucht hier schon das große Problem von ‚Leaves‘ auf: Wäre die Nummer dreieinhalb Minuten lang, wäre sie echt klasse. Sie wird aber auf fünf gestreckt – und dann passiert einfach nicht mehr so richitg was. Auch die restlichen vier Songs (allesamt Longtracks zwischen zehn und sechzehn Minuten) haben dieses Problem. Die Instrumentalpassagen wirken oft zu repetitiv, die Gesangslinien zu wenig eingängig und (speziell im Vergleich zu den Vorgängern) irgendwie unspektakulär. Die einzelnen Passagen fließen einfach nicht so richtig ineinander. Adrian Jones‘ Leadgitarrenarbeit ist immer noch herausragend und erinnert an eine Mischung aus Steven Wilson und Steve Rothery, aber gerade die härteren Riffs bedienen derart die altgedienten 08/15-Prog-Metal-Klischees, daß es einem als Fan der Band fast ein bißchen wehtut. Für den Song ‚Spoils‘ sollte Mikael Akerfeldt fairerweise einen Co-Writing-Credit bekommen, so frech bedient man sich hier bei typischen Opeth-Versatzstücken – leider ohne das Genie der Schweden zu erreichen.

Es ist echt schade, daß „Leaves“ nicht mehr durchstartet, da Nine Stones Close eigentlich seit Jahren zu den Hoffnungsträgern im Prog-Underground gehören. Leider hat die Band im ungewohnten Terrain viel von ihrem Wiedererkennungswert gegen Klischeesounds eingetauscht. Mit Fanbonus gibt das eine 3 für ein Album, das objektiv gut gemacht und gespielt, aber eben leider auch die Definition von Durchschnittlichkeit ist.

(geschrieben von Sascha Glück)

DanielF

Harte Schale, weicher Kern. Chefredakteur und -metalhead in Personalunion und im "Nebenberuf" Sozialarbeiter, geht Daniels Geschmack von chilligem Americana (Cracker) bis zu kauzigem Indie-Rock (Eels), von klassischem Thrash (Metallica, Megadeth) bis modernem Death Metal (Deserted Fear), von opulent-schrägem Prog-Rock (Opeth, Gojira, Pervy Perkin) bis zu heftigstem Brutal Death Metal (Defeated Sanity, Wormed), von Bluesrock (Gary Moore, Anthony Gomes) bis Classic Rock (Alice Cooper, Queen) - um nur einen Teil zu nennen. Zudem hat er seit den frühen Neunziger Jahren ein leidenschafliches Faible für christliche Rockmusik in genau dieser stilistischen Bandbreite. 

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