You Were Never Alone
Es gibt diese Bands, die auch nach ihren größten Erfolgen einfach nicht aufgeben wollen. Manchmal geht es dann nur noch bergab, bis keiner mehr die Musik hören will. Emery zeigen aber, wie es gelingen kann. Trotz ihrer eher seltenen Europatouren gehören die vier Männer aus Seattle zu den verlässlichen Größen jenes Genres, dass irgendwann einmal als Screamo angefangen hat und mittlerweile oft zu erdigerem Post-Hardcore mutiert. Dass neue Album „You Were Never Alone“ markiert zudem einen Wendepunkt in der Bandgeschichte. Die Musiker vertreiben und produzieren ihre Platte erstmal mit einem eigenen Label und beteiligen die Fans per Crowdfunding am gesamten Enstehungsprozess.
Diesen Schritt wagen bereits etablierte Bands hin und wieder, wenn sie wieder mehr „ihr Ding“ machen wollen. Emery tun es auf jeden Fall. Die altbekannte Mischung aus regelrecht poppigen Songparts mit einer ordentlichen Portion eskalierendem Geschrei und Gedresche, wann man es am wenigstens erwartet, funktioniert auch dieses Mal wieder. Zwar ist der durchweg ziemlich softe Opener ‚Peeble, Rock, Stone‘ trotz großartiger Stimmleistung von Sänger Toby beim ersten Hören möglicherweise eine echte Geduldsprobe, doch schon das nächste Stück ‚Thrash‘ entschädigt für alles. Emery-typischer geht es kaum. Als unvorbereiteter Hörer würde vermutlich der Verdacht aufkommen, jemand habe den Sender gewechselt. Der Name ist Programm, es wird gekloppt, geschrien, geschreddert was das Zeug hergibt. Dazu noch ein paar Rhythmen und Harmoniefolgen, mit denen man nicht gerechnet hätte, und fertig ist der vermutlich beste Song des ganzen Albums. Das und die vereinzelten cleanen Parts sind noch lange nicht alles – man gönnt sich außerdem noch ein Outro im Lounge-Jazz-Stil. Schon weil das ganze funktioniert, muss hier jemand mächtig in seinem Element sein.
Der beschriebene Song bleibt zwar der härteste der zwölf Titel, doch auch der Rest weiß zu überzeugen. Die intensive Emotionalität, die Emerys Alben immer ausgezeichnet hat, ist auch auf dieser Scheibe nicht schwächer geworden, wird aber noch mehr variiert als bisher. Keine Angst, so richtig „Emo“ wird es nie, aber das Songwritng verrät mehr Einfühlungsvermögen als die Mehrheit der Bands in diesem Sektor und schon das regelmäßige genussvolle Überschreiten von Genregrenzen hält das Interesse des Hörers durchgängig bei der Stange. uch wenn Emery die unwiderstehlichen Ohrwurmqualitäten ihrer letzten Alben nicht immer erreichen, bleibt dennoch ein ausgezeichnetes Album, das dem geneigten Fan ein wahrer Genuss sein dürfte.
geschrieben von Michael Seiler