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How To Treat The Ones You Love

Donovan Wolfington ist eine vierköpfige Post-Punk-Band aus Ponchatoula, Louisiana, von der hierzulande wahrscheinlich noch nie jemand etwas gehört hat. Als die Jungs ihr erstes Album ‚Stop Breathing‘ im Jahr 2013 veröffentlichten, waren sie gerade frisch auf dem College und wahrscheinlich noch genauso jungfräulich wie ihre erste Platte. Im August erschien nun der Nachfolger ‚How To Treat The Ones You Love‘. Ein paar Teenager aus einem Südstaatenkaff, die Punkrock machen. Gehen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen! Oder doch? Oftmals sind es ja die Hintergründe, die Dinge oder Personen erst interessant machen und die Geschichte hinter der Entstehung des Albums klingt ein bisschen wie eine Folge von ‚Twilight Zone‘. So wurde die Kleinstadt Ponchatoula vor fünfzehn Jahren bekannt, nachdem dort ein satanischer Kult aufgedeckt wurde, der jahrelang im Namen des Fürsten der Finsternis Kinder missbrauchte und Tiere opferte.

Der dunkle Schatten der Stadt schien sich auch über die Band gelegt zu haben, denn die Produktion ihres jüngsten Albums verlief alles andere als reibungslos. Kurz bevor die Arbeit an ihrem Zweitwerk begann, verließ Sängerin Savannah Saxton aus persönlichen Gründen die Band, sodass kurzerhand Gitarrist Neil Berthier diesen Part übernehmen musste. Für das Aufnehmen und Abmischen war ein guter Freund und Kollege verantwortlich. Dieser meldete sich jedoch eines Tages krank und verstarb zwei Wochen später, kurz vor Weihnachten. Ein schwerer Verlust in doppelter Hinsicht, denn ohne ihn kein Studio. In der Silvesternacht verschafften sie sich daher mehr oder weniger eigenmächtig Zutritt zu den Räumlichkeiten und retteten so ihre Tonspuren.

Die restlichen Aufnahmen sowie die Finalisierung geschahen im Haus eines Freundes, in einem Ort, der kurz zuvor als triste Kulisse der düster-melancholischen Krimi-Serie ‚True Detective‘ diente. Wie passend. Zu schlechter Letzt verließ dann auch noch Bassist Chris Lanthier aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über das Mastering die Gruppe. ‚How To Treat The Ones You Love‘ war ohne Frage eine schwere Geburt. ‚Traurige Geschichte, aber was hat das alles mit der Musik zu tun?‘, wird sich nun vielleicht der eine oder die andere fragen. Die Antwort: alles! Denn sowohl das Umfeld als auch die Umstände des Entstehungsprozesses haben den Sound des Albums sehr geprägt. Sänger Neil Berthier beschreibt es als eine

‚düstere Darbietung schmerzlicher Geschehnisse mit einer hübschen Fliege um den Hals‘

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Schon beim ersten Hördurchgang wird klar: Hier treffen viele Einflüsse aufeinander. So viele, dass man meinen könnte, einen Sampler vor sich zu haben. Der Opener ‚Ollie North‘ erinnert schon beim ersten Anschlag der Gitarre an die britische Post-Hardcore-Band Basement. ‚Basalisk‘ weckt Erinnerungen an Seahaven. Den Ton um 180° dreht der Song ‚HxC Punk‘, den man ohne verschämte Blicke als knallharten Hardcore-Titel bezeichnen kann, der sich hinter einschlägigen Bands dieses Genres nicht zu verstecken braucht. Das schnelle Tempo und der wütend-aggressive Gesang lassen einen fast daran zweifeln, noch das gleiche Album zu hören. ‚Locust‘ wiederum reißt das Ruder herum und verlässt die Gefilde des Punkrock, um einen kurzen Abstecher in die Gestade des Metal-Bereichs zu unternehmen, in denen eine Ansager-Stimme zu düsteren Klängen über die Begriffe Schande und Sünde sinniert.

Nach diesem Ausflug in die Tiefen der menschlichen Psyche steigt die Stimmung mit ‚Mosquito‘ wieder schlagartig an und wir finden uns urplötzlich im Pop-Punk wieder. ‚Rhonda‘ beispielsweise hätte auch ein Song von Title Fight sein können. Die Odyssee durch die Weltmeere der alternativen Musik führt uns gegen Ende mit ‚Hershel Thursday‘ und ‚Sadhead‘ noch in die Regionen des modernen Grunge à la Superheaven, um dann nach etwas mehr als einer halben Stunde im Zielhafen der musikalischen Erfüllung einzulaufen.

Alle Achtung, das war eine ganz schön turbulente Überfahrt! Jetzt dürfte dem Leser – beziehungsweise Hörer – auch klar sein, welchem Zweck die einleitende Geschichte diente. Emotional und stilistisch bieten Donovan Wolfington hier allerhand. ‚How To Treat The Ones You Love‘ ist ohne Zweifel durch die Umstände seines Zustandekommen geprägt worden.

Qualitativ merkt man der Scheibe die Flickschusterei jedoch nicht an. Musikalisch leisten sich die Jungs aus dem New Orleanser Randgebiet keine Patzer. Selbst der Hardcore-Exkurs wirkt absolut überzeugend. In der Wiege des Jazz kann sich eine Band keine Mittelmäßigkeit leisten, so die Aussage in einem Interview. Wer Experimenten wenig aufgeschlossen gegenübersteht, auf den könnte das Album durchaus chaotisch wirken. Musik mit ADHS. Mal hier mal dort, nur keiner klaren Linie folgend. Keine Konsistenz, dafür aber ein Beweisstück musikalischer Vielfalt und instrumentellen Könnens. Empfehlenswert!

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